"Hoffentlich lebt Zlatan noch" Die WM-Playoffs können zum Albtraum werden
26.11.2021, 07:57 Uhr
In Italien geht die Sorge um.
(Foto: picture alliance/dpa/AP)
Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft löst am Ende souverän ihr Ticket für die WM in Katar. Anderen großen Nationen geht es anders: Sie und diverse Superstars müssen noch zittern. Und es ist gut möglich, dass sie sich noch gegenseitig aus dem Weg räumen. Am Abend drohen einige bittere Szenarien.
Ob es dem neuen Bundestrainer Hansi Flick oder doch eher der einfachen Qualifikations-Gruppe geschuldet ist: Deutschland hat am Ende überaus sorgenfrei das Ticket für die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar gelöst. Als Gewinner seiner Gruppe J muss das DFB-Team heute ab 17 Uhr nicht nach Zürich schauen. Dort werden die Playoffs ausgelost, in denen zwölf Teams die letzten drei europäischen Plätze bei dem umstrittenen Turnier in der Wüste untereinander ausspielen. Wenn doch jemand mit DFB-Hintergrund einschaltet, setzt er sich dem Verdacht aus, ein Katastrophentourist zu sein. Denn wenn die Lose gezogen werden, geht bei arrivierten Fußball-Nationen die Angst um.
Da sind die Italiener, der Europameister, der im Sommer mit großer Klasse begeisterte. Nun müssen die Italiener bis März zittern, wenn in drei Wegen mit jeweils zwei Halbfinals und einem Endspiel geklärt wird, wer nach Katar fährt. Es gibt keine Rückspiele, in denen die Großen einen schwachen Tag reparieren könnten. Es wird hart und es wird ein Nervenspiel. Gegen Nordirland verspielte Italien den sicher geglaubten Gruppensieg noch. Tage zuvor hätte Jorginho, immerhin Europas Fußballer des Jahres, im direkten Duell gegen die Schweiz schon alles klarmachen können - doch er verschoss in der Schlussminute einen Elfmeter.
In Italien erinnern sie sich jetzt schon an die Monate vor der WM 2018. Die verpasste die stolze "Squadra Azzurra", weil sie in den Playoffs an Schweden hängenblieb. "Was für ein Albtraum", titelte die "Gazzetta dello Sport". Nun hänge die WM "am seidenen Faden", schrieb der "Corriere dello Sport". "Tuttosport" fasste die Lage dramatisch zusammen: "Vom Himmel der EM ins Fegefeuer". Das Fegefeuer sind die WM-Playoffs.
Ibrahimovic "weiß gar nicht, ob ich dann noch lebe"
Angst haben sie zum Beispiel vor Portugal. Die Portugiesen waren seit 1998 bei jedem Großturnier dabei, 2016 wurde ihre "Goldene Generation" Europameister. Nun muss Cristiano Ronaldo um seine fünfte WM-Teilnahme zittern. Für den 36-Jährigen wäre es mutmaßlich die letzte Weltmeisterschaft. In der letzten Minute der letzten Vorrundenpartie hatte Portugal vor eigenem Publikum gegen Serbien die direkte Qualifikation verpasst. Ein Schock.
"Der Fußball hat uns immer wieder gezeigt, dass es manchmal die schwierigsten Wege sind, die zu den besten Resultaten führen. Das gestrige Ergebnis war hart, aber nicht genug, um uns unterzukriegen", verkündete Ronaldo trotzig via Instagram. "Das Ziel, bei der WM 2022 dabei zu sein, ist immer noch da und wir wissen, was wir tun müssen, um dorthin zu gelangen. Keine Ausreden. Portugal auf dem Weg nach Katar."
Doch der Weg kann steinig werden. In den Halbfinals sind die sechs besten Gruppenzweiten gesetzt und haben Heimrecht, Italien und Portugal gehören dazu. Danach, in den entscheidenden Endspielen, können die Topnationen aufeinandertreffen. Keine Setzliste, kein geebneter Weg nach Katar. Neben Ronaldo und den Italienern befinden sich zahlreiche andere Superstars in der Warteschleife: Zlatan Ibrahimovic ist mit Schweden in Topf 1 der gesetzten Teams gelandet, der Superstar muss aber nach einem harten und unnötigen Foul im letzten Qualifikationsspiel gegen Spanien im Playoff-Halbfinale gelbgesperrt zuschauen.
Eigentlich, denn die Schweden wollen das nicht so einfach akzeptieren: Teamchef Stefan Pettersson kündigte an, dass Schweden "unsere Sicht der Dinge erneut vortragen" werde. Die Skandinavier waren mit ihrem Ansinnen, die Regel zu kippen, allerdings bereits einmal beim Weltverband FIFA gescheitert. "Ich glaube, dass die meisten Länder, die an den Playoffs teilnehmen, dieselbe Meinung haben", sagte Pettersson: "Vielleicht können wir auf die Regeln einwirken. Wir haben diese Sache nicht aufgegeben."
Ibrahimovic selbst, der im Nationalteam zuletzt selten allzu positiv aufgefallen ist, bleibt dabei gelassen. Bis zu den Ausscheidungsspielen für Katar, meinte Ibrahimovic, "ist es noch lange hin. Ich weiß gar nicht, ob ich dann noch lebe." Nationaltrainer Janne Andersson betonte: "Ich habe Zlatan sehr gerne dabei und hoffe sehr, dass er im März noch lebt."
Ärger um Lewandowski
Robert Lewandowski und seine Polen sind der Albtraum aus Topf 2. Dass es so kam, hat für reichlich Ärger gesorgt, vor allem für den Welttorjäger Lewandowski. Der Stürmer wurde aus Belastungsgründen im letzten Qualifikationsspiel geschont. Die Partie ging mit 1:2 gegen Ungarn verloren. Zwar war bereits vor dem Anpfiff klar, dass Polen sich über die Playoffs für die Weltmeisterschaft qualifizieren muss, die Niederlage führte sie jedoch noch in Topf 2.
"Das Verhalten von Lewandowski ist peinlich", schimpfte die polnische Presse. Wenig Verständnis zeigte auch die Fußball-Legende Zbigniew Boniek, der als Präsident des polnischen Fußballverbandes PZPN immer die schützende Hand über Lewandowski hielt. "Wäre ich noch Präsident und hätte mir Nationaltrainer Sousa gesagt, wie die Situation aussieht, hätte ich ihn und Robert zu einem Gespräch eingeladen und gesagt, dass dies nicht akzeptabel ist." Wird für die Polen jetzt früh eines der Hammerlose gezogen, der Ärger könnte noch größer werden.
Es gibt aber auch die, die sich mit großer Begeisterung auf den komplizierten Weg gen Katar machen: Die Türken beispielsweise, die unter dem neuen Nationaltrainer Stefan Kuntz mit einem 2:1-Sieg am letzten Spieltag in Montenegro noch den Sprung auf Platz 2 seiner Gruppe geschafft hat. Und so dafür sorgte, dass Norwegen daheim bleiben muss und dessen Torjäger Erling Haaland seine erste Weltmeisterschaft verpasst.
Einen Wunschgegner hat Kuntz nicht: "Sachen, die ich nicht beeinflussen kann, das hat meine Oma früher schon gesagt, da brauche ich mich nicht drum zu kümmern. Ich warte auf den 26. November und schaue, was bei der Ziehung herauskommt." Aber einen Wunsch schob er dann doch noch nach: "Wenn ich mich festlegen müsste, dann muss es nicht unbedingt nach Portugal oder Italien gehen."
Wer ist bei der Auslosung dabei?
Topf 1: Italien, Portugal, Russland, Schottland, Schweden, Wales
Topf 2: Österreich, Tschechische Republik, Nordmazedonien, Polen, Türkei, Ukraine
So läuft die Auslosung:
Zunächst werden bei der Auslosung die sechs bestplatzierten Teams, also die Mannschaften in Topf 1 als Heimmannschaften den Halbfinals 1, 2, 3, 4, 5 und 6 zugeordnet. Das zuerst gezogene Team ist also Gastgeber vom Halbfinale Nummer 1, das danach gezogene von Halbfinale Nummer 2 und so weiter. Genauso geht es dann mit den Teams aus Topf Nummer 2.
Die Ukraine und Russland können nach einer UEFA-Entscheidung aus politischen Gründen nicht gegeneinander gelost werden.
Wann wird gespielt?
Playoff-Halbfinals: Donnerstag, 24. März 2022
Playoff-Endspiele: Dienstag, 29. März 2022
Quelle: ntv.de, ter