Fußball

Völler gibt sich diplomatisch Es gibt für die DFB-Elf keine einfache Gruppe

Völler und Nagelsmann.

Völler und Nagelsmann.

(Foto: picture alliance/dpa)

Es wird konkret: Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft trifft in der Gruppenphase der Heim-EM auf Schottland, Ungarn und die Schweiz. Die Offiziellen üben sich nach der Auslosung in Demut. Nur, ist die Gruppe jetzt auch machbar?

Unmittelbar nach der Auslosung übte sich DFB-Sportdirektor Rudi Völler in Demut. "Wir sind ja in einer Situation, dass wir jeden respektieren", sagte er bei RTL, nachdem bekannt geworden war, gegen wen die DFB-Elf im kommenden Sommer spielen wird. Die Europameisterschaft im eigenen Land ist ab jetzt kein abstraktes Konstrukt mehr, nun wird es konkret: Schottland, Ungarn und die Schweiz. Das sind die ersten drei Hürden auf dem Weg, um erst einmal die Vorrunde zu überstehen.

Theoretisch hätte es wohl schlimmer kommen können. Die DFB-Elf war als Gastgeber im Topf der stärksten Mannschaften gesetzt. Ob sie dort mit einer klassischen Qualifikation auch gelandet wäre, ist mehr als nur zweifelhaft. Aber so konnte sie zumindest England, Spanien und Co. entgehen. Und tatsächlich klang Völler dann doch erleichtert, dass es auch nicht die Italiener, die Türkei oder die Niederlande geworden sind, die in den anderen Töpfen lauerten. Denn zugleich räumte er ein: Die Zeiten, einen Gegner auf die leichte Schulter zu nehmen, seien vorbei. Bundestrainer Julian Nagelsmann, der sich in seiner Analyse dann doch eher kurzfasste, befand ähnlich erleichtert: "Keine Todesgruppe, aber eine sehr gute Gruppe."

Das allseits bekannte Problem ist jedoch: In dem aktuellen Zustand der Nationalmannschaft kann jede Gruppe schnell zur Todesgruppe werden. Man sollte sich nicht der Illusion hingeben, dass Schottland, Ungarn und die Schweiz '"machbare" Gegner seien. Schließlich galt das eigentlich auch für die vergangenen Duellanten Türkei (2:3), Österreich (0:2) oder Mexiko (2:2). Allesamt Gegner, die ein ähnliches Kaliber wie die deutsche EM-Gruppe haben. EM-Turnierdirektor Philipp Lahm formulierte es noch vor der Auslosung am treffendsten. Im Moment fielen dem DFB-Team alle Gegner schwer. Er wünsche sich, dass die Elf von Nagelsmann wieder als Einheit auftrete. Und wenn einer weiß, wie wichtig das ist, dann wohl Lahm.

Der Vergleich mit 2006

Unter der Woche gab er dem Deutschlandfunk ein langes Interview. Dort ging es neben seiner Vision, dass das Turnier im kommenden Sommer das Land und den Kontinent einen soll, auch um seinen eigenen Erfahrungsschatz. Er sprach über die Vorbereitung auf die Heim-Weltmeisterschaft 2006. Die Welt sollte damals zu Gast bei Freunden sein, doch denen ging es fußballerisch vorher nicht wirklich gut.

Die EM 2004 war schon in der Gruppenphase vorbei. Und auch der Vorlauf auf die WM gestaltete sich wenig schmeichelhaft. Deutschland verlor gegen die Slowakei sowie die Türkei und spielte gegen Frankreich unentschieden. Die mäßige Vorbereitung gipfelte im März 2006 in der 1:4-Niederlage gegen den späteren Weltmeister Italien. "Ich glaube, man kann es ein bisschen vergleichen", sagte Lahm mit Bezug auf heute, "das auf jeden Fall." Aus der Klatsche habe jeder dann seine Schlüsse gezogen und sich in den Dienst der Mannschaft gestellt. "Das war ein großer Schlüssel zum Erfolg, dass jeder dann wusste: Diese Chance kommt nur einmal im Leben. Hier ist ein Turnier im eigenen Land."

Auf einen ähnlichen Moment der Erleuchtung hofft Lahm auch bei der aktuellen Nationalmannschaft. Nur blieb der nach einem furchtbaren Länderspieljahr und mehreren Tiefpunkten bislang aus, dabei hatte es genügend Möglichkeiten gegeben. In elf Spielen gab es nur drei Siege und nur eine Partie ohne Gegentor. "Was zeichnet eine Mannschaft eigentlich aus? Was muss der Zusammenhalt sein, dass man erfolgreich Fußball spielt? Das wünsche ich mir von der jetzigen Mannschaft auch, vom Trainer, dass er die Spieler auf die richtigen Positionen stellt, wo sie Erfahrung haben", sagte der 40-Jährige weiter im Deutschlandfunk.

Vielleicht wird alles doch ganz anders

Lahm sprach es explizit nicht aus, aber es ist klar, wer und was gemeint ist. Der Ehrenspielführer der Nationalmannschaft sprach Bundestrainer Nagelsmann direkt an und bat ihn, die Experimente, über die schon sein Vorgänger Hansi Flick gestolpert war, einzustellen. Sowas wie den Offensivkünstler Kai Havertz plötzlich als Linksverteidiger aufzustellen. Denn Lahm, der Weltmeister von 2014, sorgt sich um die Nationalmannschaft und viel schlimmer: um das Turnier im eigenen Land.

Die Liste mit den Problemen der Nationalmannschaft ist mittlerweile so lang, dass kaum noch jemand einen Überblick hat. Zudem reicht die verbliebende Zeit niemals, alle diese Rätsel zu lösen - das gab auch Nagelsmann schon zu. Die anfängliche Euphorie unter dem neuen Bundestrainer ist mittlerweile verflogen. Immer, wenn man zuletzt dachte, das Tal erreicht zu haben, ging es dann doch noch ein Stückchen tiefer. Auf das Hoch gegen die USA (3:1) folgte erst der Sinkflug gegen die Türkei und später der Totalabsturz gegen Österreich.

Das macht die Gruppe mit Schottland, Ungarn und der Schweiz so trügerisch. Die Schotten bringen zum Eröffnungsspiel in München nicht nur ihre fantastischen Fans, sondern auch eine starke EM-Quali mit. In der Gruppe mit Spanien und Norwegen wurde das Team von Steve Clark Zweiter, besiegte dabei auch die Spanier. Ungarn hatte in der Gruppenphase der vergangenen Europameisterschaft die DFB-Elf an den Rand des Chaos gebracht, erst Herz-Torschütze Leon Goretzka verhinderte mit seinem späten 2:2-Ausgleich das frühe Ausscheiden. Ihre Quali-Gruppe überstanden sie nun ungeschlagen.

Und die Schweiz? Wie schwer sich die Nationalelf mit ihren Alpen-Nachbarländern tut, hat sie erst gegen Österreich gezeigt - vor allem, wenn dort viele Bundesligaprofis spielen. Die Schweiz hat seit 2008 bei großen Turnieren die Vorrunde immer überstanden. Vielleicht wäre es für die DFB-Elf doch gar nicht so schlecht gewesen, eine große Mannschaft in der Gruppenphase zu haben. Vielleicht gibt es dann eine ganz andere Anspannung. Vielleicht ist das aber auch alles quatsch. Vielleicht wird doch alles gut, denn schließlich kommen auch fast alle Gruppendritten weiter. Und wer weiß? Vielleicht spielt sich die DFB-Elf in einen Rausch, so wie sie es 2006 schon getan hat.

Quelle: ntv.de

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