Dutt über virtuellen Fußball "Jeder E-Sportler spricht von einer Sportart"
25.09.2017, 03:20 Uhr
Der ehemalige Fußball-Bundesliga-Trainer Robin Dutt berät nun eine Agentur für E-Sportler.
(Foto: imago/Revierfoto)
Er wandelt zwischen den Welten: Im klassischen Fußball ist Robin Dutt zuhause, doch auch im E-Sport hat er Fuß gefasst. Im Interview mit n-tv.de erklärt der Ex-Bundesliga-Trainer seine ganz persönliche Mission - und warum der virtuelle Fußball ein Sport ist.
n-tv.de: Der ehemalige Bundesliga-Trainer Robin Dutt sitzt an der Konsole, zockt Fifa und gewinnt die Deutsche Meisterschaft - eine realistische Vorstellung?
Robin Dutt: Nicht wirklich. Ich glaube, dass ich in meiner Familie derjenige bin, der am wenigsten zockt. Wenn wir zusammenkommen, wird aber abends ab und zu mal gezockt.
In ihrem Berufsleben haben Sie nun mehr mit E-Sport zu tun.
Robin Dutt wird 1965 in Köln geboren. Als Fußballer beginnt er seine Karriere bei der SpVgg Hirschlanden, einem Verein nahe Stuttgart. Nach weiteren Stationen bei württembergischen Klubs schließt er 2005 den Fußballlehrer-Lehrgang des DFB als Bester ab. Es folgen Trainerstationen bei den Stuttgarter Kickers und beim SC Freiburg, mit dem er 2009 in die Bundesliga aufsteigt. 2011 heuert er bei Bayer Leverkusen an. Ein Jahr später wird Dutt DFB-Sportdirektor. Ab der Saison 2013/14 ist er für knapp 16 Monate Cheftrainer bei Werder Bremen. Von Anfang 2015 bis Mitte 2016 ist Dutt Sportvorstand beim VfB Stuttgart. Aktuell berät der 52-Jährige "eSports-Reputation", eine Agentur für virtuelle Fußballspieler.
Momentan habe ich verschiedene Beraterjobs, klassische Consultingtätigkeiten. Eine davon übe ich für eSportsReputation aus. Das ist eine Agentur, die E-Sports-Spieler vermarktet und betreut. Und dort berate ich an der Schnittstelle zum realen Fußball.
Wie können Sie Ihre Erfahrungen aus dem realen Fußball in den E-Sport einbringen?
eSportsReputation ist auf mich zugekommen, weil sich langsam auch im E-Sport professionelle Strukturen aufbauen wie etwa Nachwuchszentren und Förder- sowie Scoutingmechanismen. Das sind alles Dinge, die es im realen Fußball schon gibt. An dieser Schnittstelle berate ich die Agentur - also nicht mit meiner klassischen Kernkompetenz, Spieler durch Training auf ein Spiel technisch und taktisch vorzubereiten.
Im Kontrast zu dem Hype, der E-Sport bereits umgibt, haben nur drei Vereine aus der Fußball-Bundesliga eine E-Sport-Abteilung: Der VfL Wolfsburg, der FC Schalke 04, seit kurzem auch Ihr Ex-Klub VfB Stuttgart. Warum so wenige?
E-Sports ist in Deutschland noch nicht so richtig angekommen. Global ist der Markt schon sehr viel weiter. In Frankreich und den Niederlanden beispielsweise sind die Vereine dazu verpflichtet, ein E-Sports-Team zu haben. In Deutschland kommt das jetzt erst alles. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, dass auch die deutschen Vereine nachziehen. Bei der Zahl der Nutzer und Follower hat E-Sport längst viele andere Sportarten überholt.
Ist E-Football denn ein Sport?
Man könnte genauso gut hinterfragen, ob Schach eine Sportart ist. Ein E-Sports-Spieler muss sechs bis acht Stunden am Tag trainieren und dabei 300 Anschläge pro Minute koordinieren. Das bedeutet, dass er eine mentale und körperliche Höchstleistung bringen muss, um zur Weltspitze dazu zu gehören. Wissenschaftler der Sporthochschule Köln haben zudem herausgefunden, dass der Puls eines E-Sportlers in den Bereich eines realen Fußballers kommt. Jeder E-Sportler spricht deshalb von einer Sportart.
Das allgemeine Bild vom E-Sport ähnelt dem vom Golf. Viele Breitensportler sagen, dass Golf körperlich wenig anspruchsvoll aussieht. Dabei ist es nach Stabhochsprung die zweitschwerste Sportart der Welt. Jeder, der mal eine ganze Woche lang eine Konsole sechs bis acht Stunden in der Hand hatte und 300 Anschläge pro Minute machen musste, und dann Physiotherapeuten braucht, damit die Finger geschmeidig bleiben, wird einsehen, dass E-Sports eine Sportart ist.
Haben die E-Sportler das Zeug zum selben Heldenstatus wie reale Fußballer?
E-Sports ist ja nicht nur Fifa oder PES. Unter anderem umfasst das auch Strategiespiele. In diesem Bereich gibt es einen US-Amerikaner, der schon rund zwei Millionen Euro Preisgeld eingespielt hat. Und beispielsweise in Südkorea sind junge Menschen aufgrund ihrer E-Sports-Fähigkeiten Superstars. Es ist eine Frage der Zeit, dass das auch hierzulande geschieht. Auch die Spieler in der von mir beratenen Agentur, wie beispielsweise Cihan oder deto, sind unter den E-Sports-Nutzern schon kleine Stars.
Das wirkt sich bestimmt auch auf das Gehalt aus. Im realen Fußball verdient beispielsweise Thomas Müller jährlich 15 Millionen Euro. Halten Sie solche Summen auch im E-Sport für möglich?
Wir leben in der freien Marktwirtschaft. Der Markt bestimmt die Preise. Und die schnellen spätestens dann in die Höhe, wenn jeder Verein E-Sportler hat. Dann werden die teuersten Spieler viel Geld verdienen. Ob das in Müller'sche Sphären geht, kann ich momentan nicht sagen. Schon jetzt gibt es aber wie gesagt E-Sportler, die zwei Millionen Euro Preisgeld einspielen. Also scheinen diese Sphären nicht unerreichbar zu sein.
Das klingt, als könne E-Football einmal genauso erfolgreich sein wie der reale Fußball.
Mein Anliegen ist es, dass sich diese beiden Welten ergänzen und nicht in Konkurrenz zueinander stehen. Ich möchte, dass der reale Fußball weiter seine Berechtigung hat, aber die Augen nicht vor dem digitalen Fußball verschließt. Wenn der reale Fußball meint, nichts tun zu müssen, um sich zu erhalten, dann kann es natürlich sein, dass die 14- bis 30-Jährigen irgendwann merken: "Hoppla, ich kann ja mein eigener Star sein." Vielleicht verfolgen sie die Spiele dann nicht mehr im Stadion, sondern im Internet. Deshalb muss sich der reale Fußball mit dem Thema E-Sports intensiver auseinandersetzen. Er sollte nicht so borniert sein und die Augen vor anderen Höchstleistungen verschließen.
Vermissen Sie manchmal das Getöse von den Rängen und den Geruch von frischem Rasen - also den realen Fußball?
Ich habe dem realen Fußball ja nicht den Rücken zugekehrt. Der liegt mir weiterhin viel näher am Herzen. Deshalb kann ich mir auch vorstellen, in Zukunft wieder als Trainer oder Manager zu arbeiten. Aber ausschließlich darüber definiere ich mich nicht. Deshalb bin ich momentan in verschiedenen Bereichen tätig. Aber vom realen Fußball werde ich mich nicht abkehren. Er wird mir immer am nächsten bleiben.
Mit Robin Dutt sprach Christoph Rieke.
Quelle: ntv.de