Fußball

Gala gegen den BVB Korkuts Hertha repariert den "Totalausfall"

Korkut hält es nur selten auf seinen Platz.

Korkut hält es nur selten auf seinen Platz.

(Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild)

Etwas überraschend wird Tayfun Korkut Trainer bei Hertha BSC. Mit dem 3:2-Erfolg über Borussia Dortmund führt er die Berliner in eine unbeschwerte Winterpause. Dabei sah es nach der 0:4-Klatsche gegen Mainz unter der Woche nicht unbedingt danach aus.

"Alles raushauen" ist eine Floskel, die im Fußball gerne benutzt wird. Wer Tayfun Korkut beim 3:2-Erfolg seiner Hertha gegen Borussia Dortmund beobachtet, bekommt einen Eindruck, was das bedeuten könnte. Egal, ob missglückte Flanke, Standardsituation oder gewonnener Zweikampf: Der Trainer ärgert sich, klatscht in die Hände, deutet Spielzüge an - und marschiert dabei im Berliner Nieselregen an der Seitenlinie auf und ab. Die Laufleistung von Herthas Sechser Santiago Ascacibar taucht in der Statistik auf (12,4 Kilometer), die seines Coaches dagegen nicht.

Dabei treibt der Seitenlinien-Einsatz des neuen Übungsleiters die Mannschaft an. Vor den Augen der 5000 Anwesenden, die sich im vorweihnachtlichen Olympiastadion eingefunden haben, reißen die Blau-Weißen insgesamt mehr Kilometer als die Dortmunder ab, sprinten häufiger und gewinnen mehr Zweikämpfe. Das Ergebnis sind die drei Punkte. Während BVB-Trainer Marco Rose nach dem Spiel seinen Unmut nur schwer verbergen kann, witzelt Korkut darüber, dass er den Hattrick von Doppelpacker Marco Richter mit dessen Auswechslung verhindern wollte ("Nein, er hat gesagt: 'Trainer, es reicht'").

Dass die Hertha vergleichsweise unbeschwert auf Tabellenplatz elf überwintern wird, lässt sich zur Halbzeit nicht wirklich erahnen. 45 Minuten lang sieht es so aus, als würde der BVB das Konzept aus dem Fürth-Spiel wiederholen: mit einer schwachen Leistung eine glückliche Führung über die Zeit bringen. Dabei sind es die Berliner, die in der 15. Minute das erste Tor des Abends erzielen. Von rechts flankt Peter Pekarik, in der Mitte vollendet Neuzugang Myziane Maolida. Jubel auf den Rängen. Doch der schlägt schnell in eine Mischung aus Verwunderung und Frust um. Der Kölner Keller meldet sich. Beim Treffer steht der Fuß von Herthas Ishak Belfodil im Abseits und der habe Dortmunds Axel Witsel irritiert, entscheidet der VAR. Eine Viertelstunde später gibt es an Julian Brandts Tor nichts zu beanstanden - die Halbzeitführung für den BVB.

Der "Totalausfall" von Mainz

Große Panik bricht in der Hertha-Kabine aber nicht aus. "Wir wussten, wenn wir so weiterspielen, dass wir dann unsere Möglichkeiten haben werden", sagt Korkut nach dem Spiel über die Pause. So kommt es dann auch: Die Dortmunder brechen nach dem Wiederanpfiff ein. Plötzlich ist es Belfodil, dessen Spiel nicht unbedingt von seiner Athletik lebt, der zu schnell für den BVB-Aushilfsverteidiger Witsel ist und den Ausgleich erzielt (51.). Die Korkut-Elf spielt sich in einen Rausch. Richters sehenswerter Doppelpack (57. und 69.) lässt den Berliner Anhang von Europa singen und träumen. Daran ändert das späte 3:2-Anschlusstor des eingewechselten Dortmunders Tigges nichts (83.).

"Mit einem Sieg in die Winterpause zu gehen, ist immer sehr, sehr wichtig", sagt Korkut nach Spielende. Damit meint er wohl auch die vergangenen sieben Tage. Auf den 2:0-Sieg gegen Bielefeld folgte am Dienstag das 0:4-Debakel in Mainz, das üble Erinnerungen weckte. Chancenlos gingen die Blau-Weißen unter, die Stimmung drohte zu kippen. Nach dem Spiel analysierte Kevin-Prince Boateng: "Das war ein Totalausfall der Mannschaft. Auch ich war ein Totalausfall. Alle waren ein Totalausfall." In der kurzen Trainingswoche versuchte Korkut, das Debakel "aus den Köpfen der Spieler zu löschen".

Das macht den Erfolg gegen den BVB umso wichtiger. Nicht nur springen die Berliner weg von den Abstiegsplätzen. Mit zwei Niederlagen aus vier Spielen hätte es noch vor Rückrundenbeginn unruhig werden können. Und so kann nach dem Spiel über andere Themen geredet werden. "Man hat gesehen, was möglich ist, aber das heißt nicht, dass wir davon ausgehen können, dass das jede Woche abgerufen wird", sagt Korkut. Es braucht noch viel Arbeit. "Am Ende ist es immer das Gleiche: Wenn man wirklich was erreichen will im Leben, muss man auch was dafür tun."

Spielfreude und Mut

Seit knapp drei Wochen ist der neue Coach jetzt im Amt. Es ist der sechste seit Sommer 2019. Und es handelte sich wohl auch um den vielleicht überraschendsten Trainerwechsel. Sport-Geschäftsführer Fredi Bobic entschied nach der Derby-Pleite gegen Union, dass es mit Vereinsikone Pal Dardai nicht weitergehen sollte. Nach dem Augsburg-Remis gab es dann den Rausschmiss. Dass die Wahl dann auf Korkut fiel, war für beide Seiten umso überraschender. Hannover, Kaiserslautern, Leverkusen, Stuttgart: Bei keinem Verein blieb er besonders lange. Zudem gibt es für einen Trainer dankbarere Missionen als die Hertha. Schließlich hängt der Klub irgendwo zwischen Europa-Ambitionen und Abstiegsangst im Dauer-Umbruch fest.

Dennoch übernahm das selbst ernannte Trainer-Chamäleon die Aufgabe. In drei seiner vier Spiele habe man sehr viele Ansätze dessen gesehen, was er mit Hertha vorhat, sagt Korkut: "Mit sehr, sehr viel Spielfreude und mit einer sehr großen Portion Mut, egal wie der Spielstand ist." Gegen Dortmund klappt das. Auch mit dem dezimierten Kader, dem wichtige Leistungsträger wie Kapitän Dedryck Boyata, Suat Serdar, Boateng oder Stevan Jovetic fehlten. Das zwang Korkut zum "Basteln", wie er es nach Spielende nennt. Dadurch gibt es auch Vorteile: "Ich muss sagen, dass ich nach den vier Spielen auch alle kennenlernen konnte." Seine Ideen habe die Mannschaft "sehr, sehr gut umgesetzt". Die schlechte Leistung der Borussen wird dabei vermutlich geholfen haben.

Und so kommt es, dass es der über 90 Minuten ungefährliche Erling Haaland ist, der nach Abpfiff mit gesenktem Blick in die Kabine flieht. Heute drehen andere ihre Ehrenrunde. Die Blau-Weißen feiern vor der stark ausgedünnten Ostkurve und genießen noch einmal jeden Moment. Es ist für beide Teams das letzte Spiel vor der Winterpause, die offiziell bereits Anfang Januar wieder vorbei sein soll. Doch der Blick nach England, wo sich die Omikron-Welle auftürmt und in der Premier League reihenweise Spiele abgesagt werden müssen, lässt nichts Gutes erahnen. Niemand weiß, wie lange die Unterbrechung wirklich dauern wird.

Quelle: ntv.de

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