Coach gratuliert Bayer zum Titel Leistung des FC Bayern macht Kimmich und Tuchel fassungslos
30.03.2024, 21:57 Uhr
Joshua Kimmich kann die Leistung des FC Bayern nicht erklären.
(Foto: IMAGO/eu-images)
In den vergangenen Jahren liefert der FC Bayern immer dann besonders stark ab, wenn es gegen Borussia Dortmund geht. Vor allem in der eigenen Arena. Doch an diesem Osterfest geht bei den Münchnern nichts zusammen. Die Leistung gegen den BVB findet Joshua Kimmich "unerklärlich".
Die Frage nach der Meisterschaft amüsierte Thomas Tuchel. Ob das Thema denn nun endgültig durch sei, wurde der Trainer des FC Bayern gefragt. "Natürlich", sagte er, grinste gequält und schob nach: "Glückwunsch an Bayer Leverkusen. Da sei "keine Hoffnung mehr, nein, nein, nein. Nach dem Spiel brauchen wir auch nichts erzählen".
Nach elf deutschen Fußball-Meisterschaften in Serie sieht der Gigant der Bundesliga schon zum Osterfest keine Chance mehr, das Dutzend doch noch irgendwie vollzumachen und gibt den Kampf vorzeitig auf. Angesichts von 13 Punkten Rückstand bei noch sieben Spielen gibt es wohl kaum noch jemanden, der eine andere Sicht auf die Dinge hat. Dabei war aber nicht klar, ob Tuchel so dachte, weil der Abstand einfach so groß ist oder ob ihn die eigene Leistung derart erschreckte, dass sie alle Hoffnungen fraß. Vermutlich beides.
Gegen Borussia Dortmund gab es an diesem Samstagabend zum ersten Mal nach fast zehn Jahren wieder eine Niederlage in der eigenen Arena. Mit 0:2 (0:1) ließen sich die Münchner von ihrem Lieblingsgegner überraschen, dem sie in den vergangenen Jahren Debakel am Fließband zugefügt hatten. Die Magie des Klassikers hatte dem FC Bayern immer eine besondere Bissigkeit verpasst, auch in schwierigen Saisonphasen. Etwa beim Debüt von Tuchel, der nun zum 50. Mal an der Münchner Seitenlinie stand, vor fast exakt einem Jahr. Damals gewann die verunsicherte Mannschaft des Rekordmeisters mit 4:2. Doch von solchen Leistungen und solcher Energie war an diesem Abend nichts zu spüren, auch nicht von dem Angsthasenfußball, der den BVB so oft umschlungen hatte.
Tuchel ärgert sich über die Schiedsrichter
Bereits nach zehn Minuten waren die Dortmunder nach einem Ballverlust von Thomas Müller als Team mutig nach vorne gestürmt und durften dank Karim Adeyemi jubeln. Sven Ulreich, der den verletzten Manuel Neuer vertrat, sah nicht gut aus. Der Schuss des Nationalspielers außer Dienst kam zwar mit großer Wucht, aber auch aus spitzem Winkel. Die Entscheidung für den BVB fiel in der 83. Minute: Julian Ryerson vollendete erneut eine gelungene Ballstafette. Ulreich war dieses Mal chancenlos. Die beste Chance für die Münchner ließ Harry Kane liegen, nach 23 Minuten setzte er einen Kopfball freistehend aus kürzester Distanz neben das Tor.
Eine Schlüsselszene im Spiel, wie Coach Tuchel befand. Eine weitere: Die spektakuläre Rettungsaktion von Mats Hummels, der das Bein in einen Kopfball von Eric Dier hochriss, den Ball abwehrte und ihn womöglich an die Hand kam. Auf den TV-Bildern sah es nach einer hauchzarten Berührung aus, auch der Spieler meinte, den Ball berührt zu haben. Für Tuchel war die Lage eindeutig und er beklagte, dass die Schiedsrichter "katastrophal" kommuniziert hätten. "Die Hand da oben, da haben wir auch schon Elfmeter gesehen, wo dann die Regel kommt, es ist eine unnatürliche Handbewegung", sagte Tuchel.
"Dafür schauen sie sich ja die Sachen an"
Während des Spiels habe das Schiedsrichter-Team erklärt, es sei kein Elfmeter, weil der Ball die Hand nicht berührt habe. "Die Erklärung ist einfach katastrophal", wetterte der Bayern-Coach und äußerte mit Blick auf den Videoschiedsrichter in Köln: "Das wurde uns so gesagt vom vierten Offiziellen, der Keller in Köln hat bestätigt, er hat ihn mit der Hand nicht berührt." Es sei "sehr ärgerlich, weil dafür schauen sie sich ja die Sachen an". Ein Elfmeter in der 35. Minute hätte das Spiel vielleicht in eine andere Richtung gedreht. Aber den gab es nicht, auch weil es regeltechnisch keinen Anlass dafür gab, das Handspiel war nicht strafbar. Die Bayern blieben derweil fahrig und ohne große Gefahr.
Es war eine Leistung, die die Alarmglocken schrillen lässt. Bei Joshua Kimmich etwa. Der Rechtsverteidiger war angesichts der Art und Weise, wie die Mannschaft des Rekordmeisters das Spiel bestritten hatte, fassungslos. Mit einem Blick, der zwischen Leere und Wut changiert, sagte er bei Sky: "Völlig frustrierend, völlig unerklärlich", sei das Gezeigte gewesen. "Gegen den BVB brauchst du eigentlich keinen, der dich motiviert, da musst von selbst rennen schon einen Tag vorher. Das haben wir überhaupt nicht gezeigt." In der zweiten Hälfte habe man "quasi das Gefühl gehabt, es geht um nichts, es ist ein Freundschaftsspiel. Unabhängig von der Tabellensituation darf uns das nie und nimmer passieren - und erst recht nicht in einem Heimspiel gegen Dortmund".
"Schwer zu erklären und natürlich absolut zu wenig"
Auch Tuchel rang wenig später nach Worten. Gerne, so sagte er, würde er Kimmich widersprechen. Aber er fand keine Argumente. Wieder einmal war ihm seine Mannschaft ein Rätsel wie schon häufiger in dieser Saison. Was aber überraschend kam: Eigentlich waren die Bayern vor der Länderspielpause in einem guten Flow gewesen. Sie hatten sich nach dem Tuchel-Knall - der Trainer geht am Ende der Spielzeit - zusammengerauft und wichtige Siege eingefahren, dabei gute Leistungen gezeigt. Auch zahlreiche Spieler waren wieder in einer besseren Verfassung. Doch davon war nun nichts (mehr) zu sehen. Leroy Sané etwa konnte gar keine Akzente setzen. Nach seiner Auswechslung trat er wütend gegen eine Flasche. Auch das hochbegabte Mittelfeldtalent Jamal Musiala, der in den beiden Länderspielen zuletzt viele magische Momente hatte, blieb blass, agierte fahrig.
"Es ist schwer zu erklären und natürlich absolut zu wenig", sagte Tuchel. "Es ist offensichtlich extrem schwer für uns, mit dem richtigen Biss, mit der richtigen Leidenschaft Spiele anzugehen." Tuchel hatte alles versucht, um seine müde Mannschaft zu wecken. Er wechselte er nach einer Stunde mit Ausnahme von Kane seine komplette Offensive. Das brachte vor allem dank Rückkehrer Kingsley Coman viel Schwung. Dem zuletzt angeschlagenen Kane fehlte aber weiter die gewohnte Kaltschnäuzigkeit, wie bei seinem Kopfball (67.). Gegen Rückkehrer Coman rettete Alexander Meyer bravourös (75.). Nach dem 0:2 gab es einen kurzen Moment Hoffnung, aber Kanes Tor wurde wegen Abseits einkassiert, es war extrem knapp.
Anders als in der Meisterschaft. Schon vor dem Anpfiff hatten die Münchner einen "kleinen Stimmungsdämpfer" kassiert, wie Tuchel es nannte. Er musste mit ansehen, wie Leverkusen abermals den Last-Minute-Wahnsinn kultivierte - den 0:1-Rückstand gegen die TSG Hoffenheim drehte Bayer in der 88. und 91. Minute. "Das kriegt man natürlich mit", sagte Thomas Müller, "das war ein kleiner Dämpfer, ist aber keine Entschuldigung." Beim FC Bayern gebe es andere Themen, größere. Gerade auch mit Blick auf das Viertelfinale in der Champions League, wo es gegen den FC Arsenal geht. Müller machte die Mentalität der Münchner zum Thema. Es ist wieder einmal ein unerklärlicher Abend. Die Frage nach der Meisterschaft war da noch die unbedeutendste.
Quelle: ntv.de