"Ally" folgt Ruf der Millionen Liverpool-Kapitän verrät mit Saudi-Wechsel seine Ideale
27.07.2023, 17:10 Uhr
Unter Klopps Führung gewann Henderson in Liverpool die Champions League und die englische Meisterschaft.
(Foto: IMAGO/Colorsport)
Jordan Henderson verlässt nach zwölf Jahren den FC Liverpool und geht ausgerechnet nach Saudi-Arabien. Der Wechsel in den Wüstenstaat ist überraschender als bei Cristiano Ronaldo und Co., denn Henderson stand lange für die Rechte von Schwulen, Lesben und Transmenschen ein.
Der Abgang des langjährigen Liverpool-Kapitäns Jordan Henderson zum saudischen Klub Al Ettifaq FC wurde lange spekuliert, jetzt ist er auch offiziell bestätigt. Bereits in den vergangenen Tagen hatte sich abgezeichnet, dass Henderson dem Ruf des Geldes folgen und im Alter von 33 Jahren seine Zelte im Golfstaat aufschlagen würde.
Bei Al Ettifaq trifft er auf eine andere Liverpool-Legende - nämlich Steven Gerrard, mit dem Henderson vier Jahre zusammen in der ersten Mannschaft von Liverpool kickte. Gerrard ist nach erfolglosen Versuchen in Europa nun Cheftrainier von Al Ettifaq, einem Klub aus der Millionenstadt Dammam. Für den zweimaligen Meister kickt unter anderem der Ex-Mainzer Robin Quaison. Liverpool soll rund 18 Millionen Euro als Ablöse erhalten, Henderson darüber hinaus ein Wochengehalt von über 800.000 Euro - etwa das Dreifache im Vergleich zum Verdienst in Liverpool.
Anhänger der "Reds" hätten sich gewiss eine andere Entscheidung von Henderson gewünscht, aber im Gegensatz zu vielen Profifußballern, die in diesem Sommer in den monarchisch-autokratischen Golfstaat wechseln, hat der Transfer in diesem Fall ein besonderes Geschmäckle. In den vergangenen Jahren positionierte sich Henderson öffentlich als Verbündeter der LGBT+-Community. So trug er beispielsweise Regenbogen-farbene Schnürsenkel während der Europameisterschaft 2021 und erzielte mit diesen Schnürsenkeln sogar seinen ersten Treffer für die englische Nationalmannschaft im Viertelfinalspiel gegen die Ukraine.
Schon zwei Jahre zuvor lobte Henderson die Schnürsenkel-Kampagne der Premier League in Kooperation mit der LGBT+-Organisation Stonewall. "Diese Kampagne ist sehr wichtig, wenn es immer noch Fans dort draußen gibt, die sich nicht trauen, sie selbst zu sein, oder sich schlimmstenfalls aus Angst vor Beschimpfung und Diskriminierung verstecken müssen", sagte Henderson dem Sportportal "The Athletic". Im April 2021 stand er auf der Shortlist für die Auszeichnung "Football Ally" der British LGBT Awards.
Gleichgeschlechtlicher Sex kann mit dem Tod bestraft werden
Künftig spielt Henderson jedoch für einen Klub, der durch etablierte saudische Geldgeber finanziert wird. Beispielhaft dafür ist der Präsident Khaled Al-Dabal, der zugleich im Board of Directors der SGB Al-Dabal Company Ltd. sitzt. Dieses Unternehmen existiert seit 1973 und gehört zu den größten Produzenten von Gerüsten in Saudi-Arabien. Ohne Regierungstreue ist eine derart wirtschaftlich wichtige Stellung im Land nicht zu erreichen.
Regierungstreue bedeutet jedoch auch, dass offizielle Positionen der Machthaber unterstützt werden. In Saudi-Arabien wird gleichgeschlechtliche Liebe immer noch unter Strafe gestellt und nichts gegen die Diskriminierung von LGBT+-Menschen am Arbeitsplatz oder im Gesundheitssystem unternommen. Gleichgeschlechtlicher Sex kann weiterhin mit der Todesstrafe geahndet werden.
"Kop Outs", eine LGBT+-Fangruppierung Liverpools, hatte sich bereits vor der offiziellen Bekanntgabe sehr kritisch zu einem anbahnenden Wechsel von Henderson und anderen Spielern geäußert. "Wir sind entsetzt und besorgt darüber, dass irgendjemand in Betracht ziehen würde, für die Sportswashing-Unternehmung eines Regimes, das Frauen- und LGBT+-Menschen unterdrückt und regelmäßig die meisten Todesstrafen vollzieht", schrieb die Gruppierung.
Klopp hätte Henderson wohl auf die Bank gesetzt
Noch am vergangenen Mittwoch hatte die Organisation gehofft, dass Henderson seine Entscheidung überdenken würde. Aber dem ist nicht der Fall. Berichten zufolge wird er künftig ein Salär von umgerechnet 20,8 Millionen Euro pro Jahr erhalten. Eine Summe, die Henderson nicht ablehnen wollte oder konnte. Sportlich wird der Schritt in die saudische Pro League trotz aller prominenter Neuzugänge keine große Herausforderung für den Champions-League-Gewinner von 2019 darstellen. Die Mehrheit der Kicker kommt weiterhin aus dem Fußball-Entwicklungsland Saudi-Arabien.
Liverpool wiederum hatte den Abgang von Henderson sowie anderer etablierter Mittelfeldakteure wie Thiago Alcántara und Fabinho zuletzt forciert, denn Cheftrainer Jürgen Klopp möchte die Schaltzentrale nach einer enttäuschenden Saison erneuern. Dafür wurden bereits Alexis Mac Allister und Dominik Szoboszlai für Ablösesummen von insgesamt 112 Millionen Euro verpflichtet. Die beiden sowie Top-Talente Harvey Elliott und Curtis Jones sollen künftig auf den offensiven Halbpositionen in Klopps 4-1-2-3 spielen. Für Henderson hätte es wohl in Anbetracht dieser jungen Konkurrenz nur zu einem Bankplatz gereicht.
Henderson, der 2020 zu Englands Fußballer des Jahres gewählt wurde, gehörte in der vergangenen Saison noch zum erweiterten Kreis der Stammspieler, konnte aber das sportliche Abrutschen der "Reds" ebenso wie Fabinho nicht verhindern. Der Brasilianer steht nun ebenfalls vor einem Wechsel zu einem Pro-League-Klub, allerdings zu Al Ittihad. Dass sich Henderson jedoch für Saudi-Arabien als seine nächste Destination entscheidet, hätten viele Fans und Verantwortliche an der Anfield Road gerne vermieden.
Quelle: ntv.de