Fußball

Drei Absagen, kommt Zidane? Nagelsmann setzt den FC Bayern massiv unter Stress

Max Eberl steht nun unter einem gewaltigen Handlungsdruck.

Max Eberl steht nun unter einem gewaltigen Handlungsdruck.

(Foto: dpa)

Der FC Bayern steuert mit Trainer Thomas Tuchel in der Champions League doch noch auf ein versöhnliches Ende des gemeinsamen Wegs zu. Im Sommer ist bekanntermaßen Schluss, ein neuer Coach muss her. Zwei Top-Kandidaten fallen weg, wer kann es nun also richten?

Für einen Moment konnte man vergessen, dass die Beziehung zwischen Trainer Thomas Tuchel und dem FC Bayern in diesem Sommer zu Ende geht. Nachdem der FC Arsenal am Mittwochabend aus dem Viertelfinale der Champions League gekegelt worden war, postete die Social-Media-Abteilung des Klubs ein Foto aus der Kabine. Im Vordergrund der vor Kraft und Glück strotzende Tuchel, dahinter die jubelnde Mannschaft des FC Bayern. Ein Kollektiv voller Selbstvertrauen. Eine Einheit, die bereit ist, das ganz große Ding zu drehen.

Das Finale im Wembley-Stadion, der Triumph in der Königsklasse, ist das letzte Ziel dieser Beziehung, die im Sommer ihr Ende findet. Beschlossen worden war das bereits am 21. Februar, die Münchner hatten sich drei Tage zuvor beim VfL Bochum blamiert, eine Führung aus der Hand gegeben und 3:2 verloren. Tuchel wirkte abermals ratlos. So ratlos, dass die Führung keinen weiteren Weg zum Erfolg sah. Nicht alles wurde danach besser. Vor allem nicht in der Fußball-Bundesliga. Doch wie die Mannschaft durch Europa rauscht, wie der plötzlich rücksichtslose Coach meisterhafte Taktiken findet und die Spieler das auf beeindruckende Weise mit Leben füllen, das wirft dann doch die Frage auf: Wirklich alles richtig gemacht?

Nun, der Konjunktiv bleibt der größte Feind der Realität. All dieses medial gerne genommene "Was-wäre-wenn"-Diskutiere hilft dem Rekordmeister nicht weiter. Ein neuer Trainer muss her. Doch so einfach ist das nicht. Der FC Bayern, so scheint es Mitte April 2024, ist nicht mehr der große Sehnsuchtsort für die Top-Übungsleiter. An diesem Tag haben der DFB und Julian Nagelsmann verkündet, dass sie ihre Zusammenarbeit über die Heim-EM im Sommer hinaus verlängern und sich noch mindestens zwei weitere Jahre aneinanderbinden. Das kommt durchaus überraschend. So viel hatte doch dafür gesprochen, dass der 36-Jährige noch einmal nach München zurückkehren würde.

"Ich kann nur sagen, es ist nicht nur Bayern München"

Wie oft hatte er betont, dass ihm tägliche Arbeit auf dem Trainingsplatz fehle. Dass er seine Stärken als Trainer in der Entwicklung von Spielern und Mannschaften sieht. Und am späten Mittwochabend hatte Volker Struth, der Berater des Coaches, noch mitgeteilt, dass man mit mehreren Interessenten sprechen würde. Das Originalzitat aus einem Podcast mit Sky-Moderator Sebastian Hellmann lautet: "Es wäre ja totaler Quatsch zu sagen, dass wir uns nicht mit Interessenten unterhalten. Ohne dass ich jetzt sagen möchte, wer die Interessenten sind. Ich kann nur sagen, es ist nicht nur Bayern München." Andere Medien war sogar schon ins Detail gegangen, hatten davon berichtet, dass es sogar schon um die Laufzeit des Vertrags gehen würde. Nun ist es eben nicht Bayern München geworden. Nagelsmann sagt, dass es "eine Entscheidung des Herzens" sei. Eine für das neue Wohlfühlklima beim DFB, dass er mit den vergangenen Länderspielen auch wieder in die Herzen der Fans getragen hatte. Ob es auch eine gegen den FC Bayern ist, wo so vieles gegen ihn gelaufen und kaputtgegangen war? Das sagte er nicht.

Nagelsmann ist der dritte große Name, der sich gegen den Klub entscheidet. Zunächst hatte Supercoach Xabi Alonso erklärt, dass er bei Bayer Leverkusen bleiben werde. An dem Spanier, der einst beim Rekordmeister das Mittelfeld so elegant orchestriert hatte, waren die Münchner sehr interessiert. Das hatte Uli Hoeneß durchblicken lassen. Auch der Name Ralf Rangnick war öffentlich gefallen. Wie realistisch dieses Szenario mit dem meinungsstarken Rangnick war, ist unklar. Aber über die RB-Verbindung mit dem neuen Sportvorstand Max Eberl und dem ehemaligen Salzburger Sportdirektor Christoph Freund gab es eine stimmige Logik. Rangnick winkte indes ebenfalls öffentlich ab, bleibt Nationaltrainer in Österreich.

Und so ist in München offenbar das eingetreten, was Hoeneß immer vermeiden wollte. Dass sich der Verein ein wenig den Ruf des heißen Trainerschleudersitzes erworben hat. Der letzte Coach, den es länger als zwei Jahre an der Säbener Straße hielt, war Josep Guardiola. Mit seinem freiwilligen Rückzug zum Sommer 2016 wurde es unruhiger in Sachen Trainerbeständigkeit. Es folgte Carlo Ancelotti, der sehr früh in seiner zweiten Saison gehen musste, und hernach bei Real Madrid eine große Auferstehung mit seinem Heldenfußball feiert. Dann kam Retter Jupp Heynckes, der ganz früh klarmachte, dass er nur die Saison 2017/18 als Freundschaftsdienst zu Ende bringen, danach aber wieder in die Fußballrente verschwinden würde. Hoeneß wollte das lange nicht wahrhaben. Heynckes aber hielt Wort.

De Zerbi, Zidane, Flick?

Auf die Ikone folgte Niko Kovač, auch er schaffte es nicht mal anderthalb Jahre. Weil er die Kabine verloren und Thomas Müller zu früh in die "Notnagel"-Rolle geschickt hatte, musste er gehen. Hansi Flick übernahm, holte Meisterschaft, Pokal und Henkelpott, überwarf sich danach aber mit Sportvorstand Hasan Salihamidžić. Der sehr unschöne Machtkampf über die Transferpolitik endete mit dem Abgang des Trainers im Sommer 2021. Danach kam Nagelsmann, sollte fünf Jahre bleiben, und schaffte nicht mal zwei. Auch er soll die Kabine verloren haben, hieß es damals aus der Führungsebene. Spieler wie Joshua Kimmich und Leon Goretzka widersprachen. In der Zeit von Nagelsmann war es nie wirklich ruhig an der Säbener Straße gewesen. Die Liste der Brandherde war überraschend groß: Manuel Neuers Verletzung, Trennung von Toni Tapalovic, neue Liebe, Larifari-Profis.

Dann kam Tuchel. Dessen Weg von schockverliebt (in seine neue Mannschaft) über klagend (wegen ausbleibender Wunschtransfers, Holding Six ist das Stichwort) bis ratlos war rasant kurz. Endet nun aber womöglich tatsächlich mit der großen Auferstehung in Wembley. Aber erstmal steht noch Real Madrid im Halbfinale im Weg. Für den FC Bayern stellt sich immer dringender die Frage: Was nun? Noch in diesem Monat wollte Eberl die Dinge auf der Trainerbank geklärt wissen. Auch mit Blick auf die Kaderplanung. Denn im Sommer soll es einen größeren Umbruch geben. Die Optionen werden immer weniger.

Roberto De Zerbi war lange ebenfalls im Verteiler. Der Coach von Brigthon Hove & Albion beeindruckt die Premier League und Guardiola. Der Italiener gilt als großer Taktiker und Mann, der Mannschaften um- und aufbauen kann. Was ihm fehlt: Erfahrung bei einem großen Klub und Erfahrung im Umgang mit großen Stars. Medienberichten zufolge soll er ohnehin dazu tendieren, dazu zu bleiben.

Dieses Charisma hat Zinédine Zidane. Mit Real Madrid holte er dreimal nacheinander die Champions League, hat die ganz Großen gecoacht: Cristiano Ronaldo, Karim Benzema, Luka Modrić und Toni Kroos. Glaubt man der "Mundo Deportivo", steht seine Verpflichtung kurz bevor. Es gehe nur noch um Kleinigkeiten, heißt es von der Sportzeitung, die indes aus dem Real-feindlichen Barcelona kommt. So habe Zidane die sportliche Leitung um Verstärkungen für die Defensive gebeten. Glaubt man vorangegangenen anderen Medienberichten, soll er nicht mehr auf der Castingliste von Eberl stehen. Er spricht kein Deutsch, was immer der Wunsch der Bayern ist.

Tuchel spricht Klartext

Wer bleibt sonst noch? Vielleicht noch einmal Flick, der auf Suche ist und eigentlich beim FC Barcelona auf der Liste stehen soll. Weil die alten Macher Oliver Kahn und Salihamidžić nicht mehr da sind und die ganz alten Macher um die immer noch wichtigen Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge ihn schätzen, wäre das denkbar. Oder Antonio Conte? Der italienische Topcoach, der ebenfalls ohne Job derzeit ist. Aber wie sehr sie in München mit der Gelassenheit des Dolce Vita fremdeln, hat die Ancelotti-Zeit gezeigt. Den sie als Menschen verehren, mit dessen Methoden der etwas weniger stark ausgeprägten Trainingsintensität sie aber haderten.

Und was wäre eigentlich, wenn der FC Bayern seinen plötzlich wieder vor Kraft strotzenden Trainer behält? Völlig ausgeschlossen, laut Tuchel: "Ich habe eine Vereinbarung mit dem Verein, die ist kommuniziert und die steht", sagte er an diesem Freitag, als Nagelsmann seine Verlängerung mit dem DFB verkündet hatte.

Quelle: ntv.de

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