FC Bayern, BVB und Real Madrid Die Königsklasse erlebt drei Paukenschläge
18.04.2024, 20:45 Uhr
Thomas Tuchel verpasste dem FC Bayern die perfekte Taktik gegen den FC Arsenal.
(Foto: IMAGO/ActionPictures)
Borussia Dortmund und der FC Bayern sind dabei, eine schwache Saison doch noch zu einem guten Ende zu bringen. Die in Liga und Pokal enttäuschenden Giganten reüssieren in der Champions League. Und auch Real Madrid tanzt noch um Henkelpott.
Kevin De Bruyne hatte alles versucht. Der belgische Spielmacher schoss und schoss und schoss. Aber er traf nur einmal. Im Nachgang weiß man, der Stratege verlängerte damit nur das Leiden seiner "Skyblues". In klassischer Pep-Guardiola-Tradition spielte Titelverteidiger Manchester City den Gigantenklub Real Madrid im Viertelfinal-Rückspiel in der Champions League puderweich. Die Gäste tanzten permanent am Abgrund. Aber endgültig zu Staub zerfielen die Königlichen nicht. Im letzten Moment wichen sie dem zerstörerischen Hammerschlag aus, wankten ins Elfmeterschießen und stachen dort eiskalt zu. Madrid gehört zu den besten vier Mannschaften in Europa, Manchester nicht.
Ja, Real Madrid ist Real Madrid. Ein Riese, immer bereit, noch ein bisschen mehr über sich hinauszuwachsen. Und dennoch war kaum ein Pfifferling auf das Ensemble von Carlo Ancelotti gewertet worden. Trotz der großen Schlacht im Hinspiel, das 3:3 ausgegangen war und Europa verzückt zurückließ. Aber die Erinnerung an das Jahr zuvor war zu präsent. Mit einem Remis war Real angereist und wurde dann in Manchester von City auf böseste Weise vermöbelt. Toni Kroos hatte daher vorab von einem "Deja-vu" gewarnt. Und seine Königlichen hatten gelernt. Als leidenschaftlich verteidigende Blaumann-Group hielten sie all ihre Verteidigungskraft dem Furor der Gastgeber entgegen. Erfolgreich. DFB-Abwehrchef Antonio Rüdiger versenkte den finalen Elfmeter.
Doch kaum ist der dicke Fußball-Ömmes aus England von der Road to Wembley geschoben, steht das nächste Hindernis im Weg: der rätselhafte FC Bayern, der in Europa so bemerkenswert robust und stark auftritt, der aber im Brot-und-Butter-Wettbewerb bisweilen erschreckend schwache Leistungen anbietet. Weil die Champions League nun tatsächlich die letzte Möglichkeit bietet, die turbulente Beziehung zwischen Verein und Thomas Tuchel doch noch zu einem guten Ende (in diesem Sommer) zu führen und mit einem Titel zu garnieren, muss sich Madrid auf den denkbar wehrhaftesten FC Bayern einstellen.
Tuchel pfeift auf Karachofußball
Der hatte schließlich den FC Arsenal mit einem perfekten Plan zermürbt. Kein Karachofußball, sondern ein Spiel gegen die Stärken des englischen Spitzenklubs. Spielmacher Martin Ödegaard wurde von Konrad Laimer an die Kette gelegt, Raphaël Guerreiro bearbeitete das System von Flügelstürmer Bukayo Saka so empfindlich, dass der keine Frequenz zum Senden fand. Tuchel, der seine Mannschaft so oft nicht verstanden hatte, lieferte sein Meisterstück ab. Und könnte womöglich zum dritten Mal ins Champions-League-Finale einziehen. Bislang ist seine Bilanz ausgeglichen: Mit PSG unterlag er (dem FC Bayern), mit dem FC Chelsea gewann er (gegen Man City).
Wann immer es die Münchner in den vergangenen Jahren mit den "Gunners" aus London zu tun bekamen, waren sie nicht nur der Favorit, sondern wurden ihrer Rolle stets beeindruckend gerecht. Doch dieses Mal waren die Gewichte vorab anders verteilt worden. Arsenal galt vor den Duellen als derzeit stärkste Mannschaft in Europa. Ödegaard, Saka und Kai Havertz produzierten ein Offensivfeuerwerk nach dem nächsten. Und hinten standen William Saliba und seine Abwehrkollegen stabil wie die Tower Bridge im Wasser der Themse. Aus Münchner Sicht schien das gar nicht matchen zu wollen. Einige Offensivkräfte waren gar nicht dienstbereit, andere eher mit sich selbst beschäftigt. Und in der Abwehr, vor allem in der Innenverteidigung, musste Tuchel immer wieder dicke individuelle Böcke mitansehen.
"Die Spieler sind die Fahrer"
Doch dann das: Die Münchner pressten alles aus sich heraus, was an Spitzenteam noch in ihnen steckt. Extrem leidenschaftlich und diszipliniert arbeitete der FC Bayern als perfekt aufeinander abgestimmtes Kollektiv gegen die Londoner, nahm ihnen Tempo und Spielfreude. Und hatte manchmal auch einen Manuel Neuer, der Neuer-Dinge tat. Das eigene Anliegen Tore zu schießen wurde in schnörkellosen Konterfußball gepresst. Der lädierte Leroy Sané und Jamal Musiala sorgten für die großen Wow-Momente.
Der einst schockverliebte Tuchel, der in dieser Spielzeit so gegen die eigene Mannschaft ausgeteilt hatte und so viel Kritik (vor allem von Didi Hamann) einstecken musste, wurde hernach für seine taktische Meisterleistung mit großen Hymnen besungen. Und anderem via X von Ex-Boss Oliver Kahn, der den Coach als Nachfolger von Julian Nagelsmann vor über einem Jahr nach München geholt hatte. Der Klub postete zudem ein Bild aus der Kabine, mit einem schreiend jubelnden Tuchel vor der gesamten Bayern-Mannschaft. Vereint in Glück und Erfolg. Von wegen große Distanz zwischen Team und Trainer. Auf der Zielgeraden entsteht etwas. Ganz demütig bekannte Tuchel hernach: "Das ist alles immer nur ein Gefährt. Die Spieler sind die Fahrer, die fahren das Auto und füllen das mit Leben." Nun rast der Bolide weiter Richtung Wembley.
Der BVB will nach Wembley
Dorthin, wo er, der FC Bayern, 2013 die Champions League gewann. Gegen Borussia Dortmund. Und auch dieser totgesagte Emotions-Riese aus dem Pott weigert sich beharrlich, das europäische Tanzparkett zu verlassen. In einem feurigen Tango am Dienstagabend wurde Atlético Madrid ins Aus befördert. Dabei erlebten Fußballer wie Julian Brandt, Marcel Sabitzer und Niclas Füllkrug große Auferstehungen. Brandt und Sabitzer zogen das Spiel an sich, wie lange nicht gesehen. Füllkrug erlöste sich, das Team und die Fans mit einem Tor nach längerer Zeit. Und die bisweilen fahrigen Emre Can und Nico Schlotterbeck rissen sich hart am Riemen und hielten robust dagegen, hatten dabei sogar auch kreative Momente in der Spieleröffnung.
Der ganz große Gewinner bei den Dortmundern war aber Coach Edin Terzić. Wie Tuchel musste auch der BVB-Mann reichlich Hiebe erdulden. Weil die Leistungen oft nicht passten, wurde er mehrfach an den Rande des Jobverlusts geschrieben. Aber wie einst Houdini befreite er sich auf bisweilen surreale Weise. Eine Bühne: die Champions League. In der "Todesgruppe" mit Paris St. Germain, Newcastle United und dem AC Mailand überlebten die Schwarzgelben auf Platz eins und warfen danach noch die formstarke PSV Eindhoven aus dem Wettbewerb. In allen Duellen waren die Borussen nur einmal chancenlos: im ersten Duell mit PSG. Nun kommt es zur Neuauflage: Kylian Mbappé und seine Männer fraßen den FC Barcelona im Rückspiel auf.
Zurückhaltung beim BVB, die gibt es nicht mehr. "Das Stadion hat heute gebrannt. Es war ein Hin und Her. Man hat gesehen, dass heute jeder eine unfassbare Bereitschaft auf den Platz gelegt hat, keinen Meter gespart hat. Das war der Schlüssel", schwärmte Füllkrug. Und rief Wembley als Ziel aus. Alles andere sei ja "Quatsch". Kollege Brandt, der sich mit solchen Leistungen wie gegen Atletico nachhaltig bei Bundestrainer Julian Nagelsmann für doch noch ein EM-Ticket in Erinnerung bringt, sagt mit Blick auf PSG und die Gruppenduelle (0:2 und 1:1): "Wir sind auch langsam mal am Zug zu gewinnen." Das Parkett wird am 30. April wieder freigegeben, die Totgesagten, sie tanzen noch. Und mindestens einer ins Finale.
Quelle: ntv.de