Fußball

"Geht darum, Respekt zu zeigen" Thomas Müller zeigt flüchtenden FCB-Stars, was wichtig ist

Thomas Müller bei den Fans.

Thomas Müller bei den Fans.

(Foto: IMAGO/Jan Huebner)

Gewinnen kann jeder, insbesondere, wenn er beim FC Bayern unter Vertrag steht. So zeigt sich die wahre Größe eines Spielers meist in den dunklen Minuten einer Karriere. Was wirklich wichtig ist, beweist FCB-Ikone Thomas Müller nach der DFB-Pokal-Pleite in Saarbrücken. Dann zählt er seine Mitspieler an.

In einer der bittersten Stunden der jüngeren Vereinsgeschichte bewies Thomas Müller erneut, was er für den FC Bayern München ist - das Herz und die Seele des Rekordmeisters. Als die Pokalpleite beim Drittligisten FC Saarbrücken im vollkommen euphorisierten Ludwigsparkstadion besiegelt war, Trainer Thomas Tuchel und ein Großteil der Spieler in Richtung Kabine schlichen, suchte der 34-jährige ewige Bayer den Dialog mit denen, die den Verein ebenso ausmachen. Müller begab sich zu den aufgebrachten und weit gereisten Fans des Rekordmeisters und beschwichtigte sie. Und dann stellte er die, die verschwunden waren, in den Senkel.

"Den Fans geht es logischerweise wie oft gar nicht so ums Ergebnis, ums Spiel. Denn im Fußball kann man auch mal ein Spiel verlieren", sagte er bei Sky: "Was aber überhaupt nicht geht, ist, dass nur drei, vier Spieler am Ende von sich aus verstehen, den Support auch zu respektieren. Die Jungs fahren hier unter der Woche ich weiß nicht wie viele Hunderte Kilometer zum Auswärtsspiel hoch, unterstützen uns - und da ist es das Mindeste, dass man versteht, etwas zurückzugeben."

Es waren bemerkenswerte Worte im Angesicht der ersten Pokal-Niederlage gegen einen unterklassigen Gegner, einen außerhalb der beiden Bundesligen also, seit einem 2:4 im Elfmeterschießen beim damaligen Viertligisten FC Magdeburg vor genau 23 Jahren, also am 1. November 2000. Damals hatten es die von Ottmar Hitzfeld trainierten Bayern mit großer Mühe dank eines späten Treffers von Hasan Salihamidžić erst in die Verlängerung und dann ins Elfmeterschießen geschafft, doch dort versagten Jens Jeremies und Giovane Élber die Nerven.

Stadion schmettert "Pokal im Ludwigspark"

Dazu war es im hemmungslos feiernden Stadion in Saarbrücken überhaupt nicht gekommen. Der späte Treffer des 34-jährigen Verteidigers Marcel Gaus hatte die bis dahin wirkungslos anrennenden Bayern zutiefst geschockt. Die letzten, wütenden Versuche, das Spiel noch irgendwie in die Verlängerung zu bringen, zerschellten an den Körpern der Drittligaspieler, die mit Schlusspfiff aufeinanderpurzelten.

Auf den Tribünen gerieten die Fans der Saarbrücker zu den Klängen von "Skandal im Sperrbezirk" der Münchener Spider Murphy Gang und "Ein Kompliment" der Sportfreunde Stiller außer Rand und Band. Bereits vorher hatte die lokale Formation Schaafa Sämpf die Lieder für eine eventuelle Pokalsensation unter dem Namen "Pokal im Ludwigspark" neu adaptiert und jetzt hielt die Fans nichts mehr. Sie gerieten in einer der größten Nächte der Vereinsgeschichte in Ekstase. Die Bayern geschlagen, zum ersten Mal seit den 1970er-Jahren. Unfassbar. Eine Demütigung. "Die ganze Stadt ist wie gelähmt, weil man sich für die Bayern schämt. Der FCS war gut trainiert und Thomas Müller angeschmiert", sangen sie in dem prophetischen Stadionhit.

Unfassbar. Auch für den Torschützen Marcel Gaus, der die ganze Welt umarmen will.

Unfassbar. Auch für den Torschützen Marcel Gaus, der die ganze Welt umarmen will.

(Foto: picture alliance / Eibner-Pressefoto)

Thomas Müller war in der Tat angeschmiert und vielleicht schämte er sich auch ein wenig. Er zeigte jedoch echte Größe. Der Weltmeister von 2014 stand bei den Fans und redete und redete. Mit ihm waren nur ein paar Mannschaftskollegen wie der Youngster Mathys Tel sowie die Nationalspieler Joshua Kimmich und Leroy Sané mit in die Kurve gekommen. Müller gestikulierte, erklärte und zeigte sich dann erbost vor der TV-Kamera. Es ging ihm, der so viel mit seinem Verein erlebt hat, um Respekt und um Zusammenhalt. Fußball ohne Fans und ohne Leidenschaft ist für ihn nicht vorstellbar. Er weiß, dass ein Klub mehr ist als die Summe der einzelnen Top-Stars, die Kommen und Gehen und deren emotionale Bindung zu ihren jeweiligen Arbeitgebern manchmal nur über das Gehalt definiert wird.

Was Thomas Müller vermisst

"Es geht einfach darum, den Respekt zu zeigen. Das haben wir in der Kabine auch einmal angesprochen - und da werden wir in Zukunft auch ein anderes Gesicht zeigen. Das geht natürlich nicht so", schimpfte Müller und kündigte eine interne Aufarbeitung an. Diese wird Teil der viel größeren Aufarbeitung des Debakels im Saarland sein. "Wenn Saarbrücken als Drittligist den FC Bayern rauswirft, dann haben wir natürlich viel falsch gemacht. Saarbrücken hat gekämpft, der Platz war nicht perfekt - aber das gehört dazu", sagte Müller. "Und dann kann es vielleicht auch mal in die Verlängerung gehen. Aber wenn du in der letzten Minute oder kurz vor Schluss das Gegentor kriegst, dann ist das schon ein brutaler Schlag für uns."

Der Tiefschlag kam trotz des frühen Treffers von Thomas Müller, der nach seinem Distanzschuss in der 16. Minute noch feixend mit Trainer Thomas Tuchel am Rande des Spielfelds zu sehen war. Zuletzt war er selten in der Startformation aufgetaucht, und so reichte er seinem Trainer nun symbolisch die ausgestreckte Hand. Der nahm sie an. Alles war gut.

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Und dann wurde alles schlimm. Die Verletzung von Abwehrchef Matthijs de Ligt, der Ausgleich durch Patrick Sontheimer in den letzten Minuten der ersten Halbzeit und dann der "brutale Schock" durch Gaus tief in der Nachspielzeit - all das führte zur Fortsetzung einer unglaublichen Serie: In den vergangenen vier Jahren hat der FC Bayern München nicht mehr das Finale in Berlin erreicht, ist sogar dreimal in der zweiten Runde ausgeschieden. Letztmals durften sie sich im historischen Pandemie-Triple-Jahr unter Hansi Flick im Sommer 2020 DFB-Pokalsieger nennen.

Viel zu wenig für den Rekordmeister, der das Olympiastadion im Berliner Westend in den 2010er-Jahren zu seiner zweiten Heimat gemacht hatte. Immer dabei natürlich: Thomas Müller, der an diesem Abend in Saarbrücken zeigte, dass es auch beim FC Bayern München nicht nur ums Gewinnen, sondern auch Größe in den dunklen Stunden geht.

Quelle: ntv.de

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