
Toni Kroos auf dem Weg in die Zukunft.
(Foto: dpa)
Kehrt Toni Kroos fast drei Jahre nach seinem 106. Länderspiel, dem EM-Aus gegen England, zurück zum DFB? Wird einer der besten deutschen Spieler aller Zeiten im Sommer die Karriere beenden? Vor dem Champions-League-Spiel wird er mit Fragen gelöchert. Eine richtige Antwort gibt es nur auf eine Frage.
Zum Ende einer unglaublichen Karriere kontrolliert Toni Kroos nicht nur die Bälle. Das konnte er ohnehin immer. Jetzt kontrolliert er auch seine Zukunft wie sonst nur das Mittelfeld. Der erfolgreichste deutsche Spieler der Königsklassen-Geschichte ist mal wieder in Deutschland. Diesmal geht es für sein Real Madrid gegen RB Leipzig. Die Königlichen sind die großen Helden dieser gesamteuropäischen Liga. Es ist ihr Wettbewerb. In dieser Saison wollen sie ihn zum 15. Mal gewinnen - und der 34-jährige Kroos soll sie dorthin führen.
Doch darum geht es an diesem Vorabend des Spiels in Leipzig nicht. Was alle interessiert, ist das, was danach kommen wird. Kroos spielt mittlerweile seine zehnte Saison bei Real Madrid, die Erinnerungen an seine Zeit in der Bundesliga sind längst verschwommen und auch die an seine Zeit in der Nationalmannschaft werden flüchtiger. In diesem Sommer könnten nun ein paar Dinge mit Kroos passieren und ein paar Dinge nicht. Niemand weiß, wie es weitergeht. Nicht einmal Kroos selbst, sagt er. Sein Vertrag bei Real läuft aus. Beendet er seine Karriere, macht er weiter und kehrt gar für die Europameisterschaft 2024 in die DFB-Elf zurück?
Das ist seit Monaten Thema in Deutschland. Bundestrainer Julian Nagelsmann hat sich interessiert gezeigt, steht bereits mit dem ihm in Kontakt. Sportdirektor Rudi Völler hatte sich dieser Tage mal wieder positiv über den einzigen in der ehemaligen DDR geborenen Weltmeister geäußert, sein Real-Kollege Antonio Rüdiger sowieso.
Entscheidung muss bis zum 14. März fallen
"Es gibt diese Möglichkeit. Wir werden sehen, ob ich mich dafür entscheiden werde", sagt Kroos in Leipzig und hält sich alles offen. Wenig später kommt auch Real-Trainer Carlo Ancelotti zu Wort. "Toni Kroos", sagt er, habe das Recht, über eine mögliche Rückkehr zu entscheiden. "Die Europameisterschaft und dann mit Deutschland zu Hause aufzulaufen, das könnte gut funktionieren", ergänzt der Italiener.
Es sind erstaunlich klare Worte der beiden Protagonisten dieses Abends. Das Comeback-Angebot scheint sehr konkret zu sein. Die Entscheidung aber womöglich noch nicht getroffen. Nur noch gut einen Monat hat Kroos bis am 14. März der Kader für die letzten Testspiele vor der Heim-Europameisterschaft benannt wird. Oder halten sich beide Seiten bis zum Sommer bedeckt, kehrt er vielleicht erst zur EM zurück? Die Diskussionen werden nicht abreißen, zu stark spielt der Greifswalder auf der Sechs bei Real Madrid. Es ist eine Position, die auch in der Nationalelf noch immer nicht richtig besetzt ist. Trotz eigentlich großer Klasse, trotz Joshua Kimmich und İlkay Gündoğan.
Da müsse man "natürlich defensiver denken als auf der 8", sagt Kroos über seinen Rückzug in die Defensive: "Ich habe über die Jahre versucht, das defensive Verhalten zu verbessern. Wir stellen mit Real Madrid offensive Mannschaften, denken immer offensiv. Ich denke immer auch daran, was passiert, wenn jemand den Ball verliert. Und dann kann man schon einmal in einen Zweikampf gehen und sogar in ein Kopfballduell."
Kroos genießt die Wertschätzung
Immer wieder wird an diesem Abend gefragt, was ihn so gut macht und ob es jemals einen besseren Kroos gegeben habe. In Madrid, das ist zu merken, wird er verehrt. In Madrid möchten sie von dieser prägenden Figur des letzten Jahrzehnts nicht loslassen. "Ich denke noch darüber nach, was ich tun werde", sagt Kroos über die Frage nach der Zukunft als Fußballer: "Ich habe noch keine Entscheidung getroffen. Viele möchten, dass ich ein Jahr weiterspiele. Das ist ein positives Signal, dass sie nicht wollen, dass ich aufhöre."
Aufhören aber, das habe er immer gesagt, wolle er auf dem höchsten Niveau. Sein Trainer weiß das. Ancelotti ergänzt: "Das kann dieses Jahr sein oder auch nächstes Jahr." So ist das im Fußball. Wann jemand nicht mehr mithalten kann, kann niemand sagen. Nur, dass es irgendwann passiert, außer es passiert nicht, weil die Karriere dann schon beendet ist.
Die richtige Saison beginnt jetzt
Es sind Monate der Entscheidung für den in Deutschland früher oft verspotteten Weltstar, der auf fünf Champions-League-Titel, je drei deutsche und drei spanische Meisterschaften, zahlreiche andere Pokale und natürlich den Weltmeister-Titel von 2014 zurückblicken kann. In Leipzig nun beginnt der nächste Anlauf auf einen historischen Bestwert. Nur Francisco "Paco" Gento, der Außenstürmer der legendären Real-Mannschaft der 1950er- und 1960er-Jahre konnte bislang sechsmal die Königsklasse, die damals noch der Pokal der Landesmeister war, gewinnen. Kroos könnte ihm im Sommer folgen.
"Für Real Madrid", sagt Kroos, "beginnt die echte Saison erst im Februar." Dann, wenn die K.o.-Phase der Königsklasse startet und jedes Spiel zählt. Wenn ein schlechter Tag, wie bei der 0:4-Pleite gegen Manchester City im letztjährigen Halbfinale, alles beenden kann. "Mal schauen, was jetzt noch in mir steckt", sagt er und freut sich besonders darüber, dass ihm der Fußball so viel Freude bereitet.
"Mein Kopf überrascht mich ehrlich gesagt mehr als mein Körper. Ich habe sehr jung angefangen auf höchstem Niveau. Ich war mit 17 Jahren Profi beim FC Bayern" sagt Kroos: "Das ist ein großer Druck über all die Jahre. Ich habe gedacht, dass ich es 15 Jahre schaffe und dann die Karriere beende. Aber ich habe aber immer noch eine Menge Motivation. Es ist also mehr der Kopf, der mich überrascht."
Die Sache mit dem FC Bayern
Ähnlich klingt das auch bei Carlo Ancelotti, dem ruhigen Maestro mit dem Kaugummi. Kroos habe nie Höhen und Tiefen gehabt, immer mit unglaublicher Passgenauigkeit und Passschärfe gespielt. "Das hatte er auch schon beim FC Bayern. Seine Qualitäten haben sich nicht geändert, es sind immer noch die gleichen", erklärt der Italiener: "Er spielt in einer Mannschaft mit enormer Energie. Da kommen seine Qualitäten besser zum Vorschein."
Die Zukunft ist also weit offen für Toni Kroos. Er denkt von Spiel zu Spiel zu Spiel und muss dabei Entscheidungen treffen. Auf dem Platz und daneben. Eine aber hat er dann wirklich schon getroffen. Nein, zum FC Bayern werde er nicht zurückkehren. "Das wird nicht passieren", sagt er darauf angesprochen. Dabei schaut er ein wenig erstaunt. Denn damit war an diesem Abend wohl wirklich nicht zu rechnen. Dann springt er auch schon vom Podest. Abschlusstraining für die vielleicht letzte Runde seiner Karriere. Vielleicht auch nicht.
Quelle: ntv.de