Fußball

Jetzt wird's eng für Edin Terzić "Wahnsinniger" BVB irrlichtert immer tiefer ins Unglück

Gesichter der Krise: Terzic und Can.

Gesichter der Krise: Terzic und Can.

(Foto: picture alliance / Eibner-Pressefoto)

Borussia Dortmund hat am Sonntag mal wieder ein Fußballspiel hergeschenkt. Der BVB verliert gegen die TSG Hoffenheim und begrüßt direkt im Anschluss eine alte Bekannte: die Krise. Der Klub bangt um die Champions League, die allein schon aus finanzieller Sicht nicht verpasst werden darf.

Nach einem Spiel, das Mittelfeldspieler Julian Brandt später als "der Wahnsinn" beschrieb, hat die alte Seele Krise mal wieder das Westfalenstadion in Beschlag genommen. Das 2:3 gegen Hoffenheim katapultiert Borussia Dortmund erneut in eine tiefe Sinnkrise und bringt jetzt sogar den treuen Trainer Edin Terzić in Gefahr. Die dritte Heimniederlage der laufenden Spielzeit wirft den BVB im Kampf um einen Platz in der Champions League dramatisch zurück.

Alles, was Sie über den BVB im Jahr 2024 wissen müssten, vereinte sich am gestrigen Sonntag in einer Szene, die dazu geeignet war, auch den letzten Anhänger der Dortmunder Borussia gegen die eigene Mannschaft aufzubringen. Dabei hatten die Dortmunder nach einem frühen Rückstand gerade das Spiel gegen Hoffenheim scheinbar gedreht. Nach einem herrlichen Freistoß von Marco Reus hatte sich Nico Schlotterbeck in den Ball gestemmt und diesen zum 2:1 in das Tor der Kraichgauer gewuchtet.

Damit war das Spiel des BVB nach 25. Minuten aber auch schon vorbei. Das Ende begann mit dem Torjubel. Torschütze Schlotterbeck und DFB-Star Niclas Füllkrug flexten ihre Bizepsmuskeln und bescheinigten einander ein gutes Work-out. Derart angefixt von der eigenen Mächtigkeit kamen sie in der Folge kaum noch dazu, Fußball zu spielen. Füllkrug trat insgesamt noch dreimal in Erscheinung. Zweimal leitete er die beiden Treffer von Hoffenheims Maxi Beier ein und einmal, kurz vor seiner Auswechslung, versiebte er eine Torchance. Schlotterbeck war ebenfalls an den Gegentoren zum 2:2 und 2:3 entscheidend beteiligt. Rückblickend erschien der Torjubel noch wahnwitziger.

Pfiffe von den Rängen, Wut bei Brandt

Als Schiedsrichter Marco Fritz nach 96 Minuten genug hatte und das Spiel beendete, erklangen kaum gut gemeinte Pfiffe von den Tribünen. Der BVB hatte mal wieder versagt. Zahlreiche individuelle Fehler, eklatante Schwächen im Spielaufbau und maximale Antriebslosigkeit in der Offensive zogen sich durch das Spiel des BVB, wie bereits in den Wochen zuvor. Diesmal wurden sie bestraft. Und zittern jetzt um die Champions League.

"Am Ende war es Chaos", schimpfte DFB-Spieler Brandt nach der Partie: "Wir haben mit schlampigen Bällen einen Gegner wieder ins Leben geholt. Das ist Wahnsinn." Einmal in Fahrt, holte der sonst besonnene 27-Jährige zum Rundumschlag aus. "Wir haben eine schwere Entscheidungsfindung, wann wir spielen wollen und wann es Sinn macht, den langen Ball zu nehmen. Das ärgert mich am meisten, das nervt mich einfach und ist schwer zu akzeptieren", sagte er: "In der zweiten Halbzeit verdoppeln oder verdreifachen wir unsere individuellen Fehler."

Unter den vielen bemerkenswert schlechten Leistungen stach Kapitän Emre Can hervor. Er leitete mit seinem Fehlpass das frühe 0:1 durch Ihlas Bebou ein, fiel auch sonst in der Abwehrzentrale als Unsicherheitsfaktor auf. Es war eine Leistung, die anderen Spielern im negativen Sinne den Weg aufzeigte.

Trainer Terzić steht somit weiterhin in der Kritik. Die ihm nach der enttäuschenden ersten Halbserie an die Seite gestellten Assistenten Nuri Şahin und Sven Bender konnten bislang nicht zum Umschwung beitragen. Der Sauerländer hat sich in den vergangenen Monaten mit seinen pathosgeladenen Interviews nicht überall beliebt machen, sein Heldenfußball funktioniert ohne Helden ebenfalls eher mäßig. Neuerdings lässt sich bei ihm auch ein Stück weit Realitätsverweigerung attestieren.

"BVB eigentlich so gut wie Leverkusen"

So kramte Terzić am vergangenen Freitag auf der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Hoffenheim verbal eine Statistik raus, die zeigen sollte, dass Borussia Dortmund in den Gesamtjahrestabellen der Jahre 2023 und 2024 nur ganz knapp hinter Leverkusen steht. Vor der Pleite am Sonntag und dem Sieg der Leverkusener gegen Mainz am Freitag betrug der Rückstand in diesem sich über zwei Spielzeiten erstreckenden Vergleich in der Tat nur drei Punkte, nun sind es sechs. In der aktuellen Bundesliga-Tabelle ist der Abstand mittlerweile jedoch auf 20 Punkte angewachsen. Seit der ersten Saison-Niederlage, einem 0:4 gegen den FC Bayern am 10. Spieltag, holte der BVB nur noch fünf Siege und fünf Unentschieden, kassierte inklusive der Demütigung gegen die Bayern jedoch auch vier Niederlagen.

Bayer Leverkusen und Bayern München sind längst enteilt. Auch das Überraschungsteam VfB Stuttgart hat den Vorsprung auf die Dortmunder mit einem schnöden 1:1 gegen Kellerkind 1. FC Köln auf sechs Punkte ausbauen können. Momentan sieht alles nach einem Zweikampf mit RB Leipzig aus. Die vom Terzić-Vorgänger Marco Rose trainierten Leipziger liegen nur ein Punkt hinter den Dortmundern, haben jedoch bereits gegen Leverkusen, Bayern und Stuttgart gespielt. Gegen all diese Klubs muss der BVB noch antreten. Im direkten Duell zwischen RBL und dem BVB genießt der amtierende Pokalsieger aus Sachsen Ende April zudem Heimrecht. Die Aussichten sind nicht gerade rosig für den BVB.

Sommertransfers schlagen allesamt nicht ein

Borussia Dortmund hatte im vergangenen Sommer unter dem immer noch recht neuen Sportdirektor Sebastian Kehl vermehrt auf erfahrene Kräfte aus der Fußball-Bundesliga gesetzt. Von Erfolg gekrönt ist diese Strategie bislang nicht. Linksverteidiger Ramy Bensebaini muss sich nach einem halben Jahr bereits hinter dem ohne ernsthafte Kaufoption von Chelsea geliehenen Ian Maatsen einreihen. Füllkrug hat zwar den formschwachen und momentan verletzten Sébastien Haller aus dem Sturmzentrum verdrängen können, ist aber aufgrund seiner spielerischen Limitationen nur in Ausnahmefällen mehr als gehobenes Liga-Mittelmaß. Er neigt zur Selbstüberschätzung, ist manchmal unsichtbar, muss manchmal das Spiel ankurbeln, was er nicht kann. Gegen Hoffenheim war er dazu noch ein Sicherheitsrisiko in der Defensive.

Der ehemalige Bayern-Spieler Marcel Sabitzer zeigt gute Ansätze, kann die mit sich selbst beschäftigte Mannschaft jedoch nicht führen. Der im Winter für ein paar Monate heimgekehrte Jadon Sancho trägt die Last zweier verpasster Jahre mit sich rum. Er blockiert zudem den Platz des zuletzt starken Jamie Bynoe-Gittens. Der höchste umstrittene Transfer von Felix Nmecha kann überhaupt noch nicht bewertet werden. Er fehlt seit Monaten verletzt, soll demnächst zurückkehren.

Hohe Personalkosten

Noch hat Terzić, der auch bei der Verpflichtung von Sancho mit einem seltsamen Interview auffiel, die Rückendeckung der Vereinsführung um den im Jahr 2025 scheidenden Geschäftsführer Watzke. Doch sollten die nächsten Wochen den BVB weiter vom Kurs Champions League abbringen, dürfte sich der Wind schnell drehen. Ohnehin wird Watzke bereits im Sommer Teile seiner Verantwortung an einen noch zu benennenden Geschäftsführer Sport abtreten. Aktuell soll der momentane Sportdirektor Sebastian Kehl gute Chancen auf den Posten haben. Das aber ist ohnehin Zukunftsmusik. Denn das Erreichen der Königsklasse muss in der aktuellen Konstellation sichergestellt werden.

Darum geht es jetzt in den letzten elf Bundesliga-Spielen der Saison. Der BVB muss irgendwie den vierten Rang und damit die Champions League erreichen. Die Einnahmen aus der reformierten Königsklasse sind im Grunde überlebenswichtig für eines der Bundesliga-Schwergewichte. In dem an diesem Mittwoch erscheinenden Halbjahresfinanzbericht weist der Klub um 14,4 Millionen Euro auf 126,7 Millionen Euro erhöhte Personalaufwendungen im Konzern aus. Bemerkenswerte Zahlen für die Dortmunder, die im Sommer mit den Altstars Mats Hummels und Marco Reus zu deutlich verringerten Bezügen verlängert hatten und mit Raphaël Guerreiro und Jude Bellingham zwei Großverdiener abgaben oder abgeben mussten.

... und jetzt auch noch zu Union Berlin

Um gute Nachrichten aus Dortmund zu vermelden, muss der Verein schon arg weit in die Zukunft schauen. Denn dort deutet sich ein Wettbewerb an, der ja zeigt, dass der BVB über Jahre hinweg zumindest international nicht schlechter war als die nationale Konkurrenz. Es müsste nämlich schon mit dem Teufel zugehen, wenn die Qualifikation für die Klub-WM im Sommer 2025 nicht gelänge. Das liegt in erster Linie an einer Vierjahreswertung in der Champions League, die die FIFA zur Rate zieht. Dieses wird, sollte RB Leipzig nicht mindestens das Halbfinale der diesjährigen Königsklasse erreicht, die Dortmunder als zweitbeste deutsche Mannschaft ausweisen. Immerhin dort ist der BVB noch Vizemeister.

Doch mit welcher Mannschaft sie dort antreten würden, steht bislang noch in den Sternen. Die letzten verbliebenen Stars um den häufig verletzten Torhüter Gregor Kobel werden sich genau überlegen, ob sie mit den Dortmundern in die Europa League gehen würden. "Ich habe keinen Bock auf Niederlagen und Unentschieden. Wir müssen schleunigst gewinnen", schimpfte Brandt am Sonntag und gab somit den Weg vor.

Der Glaube daran ist dem BVB jedoch abhandengekommen. Ganz anders dem Gegner am kommenden Wochenende. Union Berlin hat unter Trainer Nenad Bjelica zur alten Dreckigkeit zurückgefunden. Die Reise nach Köpenick dürfte für den BVB und Trainer Terzić eine richtungsweisende werden. Mit einer weiteren Niederlage würde sich die Krise in Dortmund einnisten und so leicht nicht mehr zu verscheuchen sein. Die Fans von Union reiben sich vor Freude schon die Hände. Die Dortmunder, sagen sie, kommen uns gerade recht.

Quelle: ntv.de

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