Neuer steht im WM-Kader Was hat Löw sich bloß gedacht?
15.05.2018, 17:28 Uhr
Zwei Chancen bleiben Neuer, um Löw in einem Praxistest zu überzeugen.
(Foto: imago/Revierfoto)
Eine Mitleidsentscheidung? Nein, Bundestrainer Joachim Löw spielt auf Zeit und fährt zweigleisig. Deshalb nominiert er den maladen Torhüter Manuel Neuer für seinen weltmeisterlichen Kader. Aber eben nur vorläufig.
Die Wahrscheinlichkeit, dass Bundestrainer Joachim Löw sich etwas dabei gedacht hat, als er Manuel Neuer für sein vorläufiges WM-Aufgebot nominierte, ist hoch. Ob der nach seinem Fußbruch noch malade Torhüter allerdings in den 30 Tagen bis zur Fußball-Weltmeisterschaft in Russland rechtzeitig fit wird, ist schwer einzuschätzen. Aber selbst wenn, und selbst wenn er die Testspiele am 2. Juni in Klagenfurt gegen Österreich und am 8. Juni in Leverkusen gegen Saudi Arabien absolvieren sollte: Ist es eine gute Idee, einem Profi zu vertrauen, der acht Monate nicht im Wettkampf war und in dieser Saison dreimal gespielt hat? Zumal mit Marc-André ter Stegen vom FC Barcelona einer bereitsteht, der die Lücke längst gefüllt hat.
Was also hat sich Löw beim Umgang mit dem etatmäßigen Stammtorhüter des FC Bayern gedacht, der mittlerweile zum prominentesten Sorgenkind im deutschen Aufgebot geworden ist? Eine Überraschungsnominierung? Eine Mitleidsentscheidung? Sicher nicht. Der Trainer setzt lediglich auf den Faktor Zeit. Mit der Nominierung haben beide Seiten wenig bis nichts zu verlieren. Sie ist eine Entscheidung für Neuer, der vorerst niemanden verdrängt. Entweder, es klappt bis zur WM, oder eben nicht. Für beide Fälle hat der Bundestrainer vorgebaut und nimmt neben Neuer und ter Stegen auch den Leverkusener Bernd Leno und Kevin Trapp von Paris Saint-Germain mit nach Eppan zum gemeinsamen Üben.
Kein Freifahrtschein für die WM
"Ohne Spielpraxis ins Turnier zu gehen", sagt Löw, "ist schier unmöglich." Gleichzeitig weiß er, dass während der Zeit im Trainingslager in Südtirol noch die besagten Testspiele auf dem Programm stehen. Sollte Neuer, was zu erwarten ist, für das DFB-Pokalfinale am kommenden Samstag gegen Eintracht Frankfurt (ab 20.00 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) nicht ins Tor des FC Bayern zurückkehren, bleiben 180 Minuten, in denen er Spielpraxis sammeln könnte. Gleichzeitig, und darauf scheint Löw bedacht, ist die vorläufige Nominierung kein Freifahrtschein für die WM, sondern vielmehr ein Sonderstatus mit Abstrichen. Warum auch nicht?
Ter Stegen hat seine Eignung als Stellvertreter in den vergangenen 19 Monaten - und nicht zuletzt beim Gewinn des Confed Cups im vergangenen Sommer - mehr als nachgewiesen. Da braucht es vorab keine Nummer-eins-Garantie des Bundestrainers. Weder für Neuer, was zum jetzigen Zeitpunkt ja auch völlig absurd wäre, noch für ter Stegen, der - unabhängig wie die Entscheidung über die Personalie Neuer ausfallen wird - mutmaßlich im deutschen WM-Auftaktspiel am 14. Juni gegen Mexiko zwischen den Pfosten stehen wird. Bis zum 4. Juni muss Löw nun entscheiden, ob Neuer theoretisch in der Lage wäre, bei der WM zu spielen. Für den Weltmeister wäre selbst der garantierte Stammplatz auf der Bank eine gute Nachricht. Und es gibt schlechtere Optionen, als einen Neuer in der Hinterhand zu haben.
Ganz anders ist der Fall Mario Götze gelagert. Der Dortmunder hat in dieser Spielzeit einfach zu wenige Argumente gesammelt, als dass er zwingend hätte dabei sein müssen. Und der Status als WM-Siegtorschütze reicht schlichtweg nicht aus. Der Bundestrainer traut Götze nicht zu, dass er die Mannschaft besser machen kann, jedenfalls aktuell nicht. Also bleibt er zu Hause. Das klingt hart, und für den Spieler ist es das bestimmt auch. Am Ende aber geht es immer noch um Leistungssport - auch wenn Löw die Maxime fast schon traditionell nicht immer und nicht bei jedem konsequent anwendet. Er wird sich etwas dabei gedacht haben.
Quelle: ntv.de