Corona fordert DFL-Boss heraus Wie Seifert in der Krise kühlen Kopf bewahrt
17.03.2020, 20:09 Uhr
Christian Seifert bekommt in der Krise wegen des Coronavirus viel Lob.
(Foto: imago images/Revierfoto)
Christian Seifert leitet seit fast 15 Jahren die Geschicke der Deutschen Fußball Liga. Unter seiner Führung hat sich die Bundesliga so positiv entwickelt wie nie zuvor. Jetzt soll Seifert die Liga vor dem Corona-Kollaps bewahren. Er schafft es, Ruhe zu bewahren, und findet doch deutliche Worte.
"Die Gesundheit der Menschen hat absolut oberste Priorität", das betonte Christian Seifert, Chef der Deutschen Fußball Liga (DFL) am Montag immer und immer wieder. Nach einem Treffen der 36 Profi-Klubs der 1. und 2. Bundesliga steht fest: Der Spielbetrieb wird aufgrund der Coronavirus-Pandemie weiter ausgesetzt - mindestens bis zum 2. April. Für viele Vereine ist das eine wirtschaftliche Katastrophe, Tausende Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel, Fans sind erschüttert. Die Auswirkungen des Coronavirus haben eine bisher nie da gewesene Krise im deutschen (und internationalen) Fußball erzeugt und da braucht es jetzt vor allem eins: einen Krisenmanager, der kühlen Kopf bewahrt.
Angefangen hat Seiferts Fußball-Wahnsinn in der Familie. Der Großvater spielte in Freiburg, der Onkel väterlicherseits war Profi in Belgien. Für Seifert stand also früh fest: wenn Sport, dann Fußball. Er selbst spielte in der "goldenen Generation" von Ottersdorf, einem Dorf in Baden-Württemberg, wurde Bezirksmeister und nahm an der Südbadischen Meisterschaft teil. Und er war schnell: Mit 11,3 Sekunden auf 100 Metern lief er vielen Jungs seiner Altersklasse davon. "Aber irgendwann hat man dann schon erkannt, dass der liebe Gott einem da Grenzen gesetzt hat, dass es für die ganz große Karriere nicht reicht", erinnert sich Seifert. Zumindest nicht auf dem Platz.
Nach seinem Abitur zog es den gebürtigen Rastätter nach Essen. Dort studierte Seifert Kommunikationswissenschaft, Marketing und Soziologie. Nach Stationen in der MGM MediaGruppe, bei MTV Networks und bei Karstadt, landete der Familienvater am 1. Juli 2005 in der Geschäftsführung der DFL und gleichzeitig im Präsidium des Deutschen Fußball-Bundes. Seifert selbst ist Anhänger von Borussia Mönchengladbach. In den ersten Jahren als Chef der DFL hatte er seine Klub-Vorliebe noch zurückgehalten, bemühte sich um Neutralität. Mittlerweile macht er daraus keinen Hehl mehr: "Man wechselt Freunde, vielleicht auch mal die Frau, aber niemals den Klub."
Seifert als Regisseur eines Science-Fiction-Films
Seit fast 15 Jahren steht Christian Seifert an der Spitze der DFL. Doch die Bundesliga vor einem Kollaps zu bewahren, ist eine Aufgabe, die selbst für den gestandenen Fußball-Manager eine echte Hürde ist: "Die Informationen, die auf einen im Minutentakt einprasseln, bekommen so eine Frequenz, und die Auswirkungen, die man zu entscheiden hat, solch eine Wucht - da muss man auch mal kurz innehalten. Es fühlt sich an wie in einem Science-Fiction-Film." Auf Christian Seifert ruhen die Hoffnungen des gesamten deutschen Fußballs - er soll die Liga vor dem Absturz retten.
So wie schon einmal: Als Seifert am 1. Juli 2005 den Posten des Geschäftsführers bei der DFL übernahm, erlösten die Vereine aus dem damaligen TV-Vertrag pro Saison insgesamt 300 Millionen Euro. Seifert hat die Vermarktung des Premiumprodukts in eine nie da gewesene Dimension gehoben. Mittlerweile fließen in jeder Spielzeit knapp 1,5 Milliarden Euro in die Kassen der 36 Erst- und Zweitligisten.
Auf der Pressekonferenz am Montag zeigte sich der 50-Jährige so offen und emotional wie nie zuvor und fand deutliche Worte. In der Debatte um die weitere Aussetzung des Spielbetriebs schlug Seifert Alarm, denn es gehe für einige Klubs jetzt finanziell "ums Überleben". Dabei erhoffte er sich vor allem Verständnis für die Austragung von Geisterspielen: "Niemand liebt Fußballspiele, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Sie sind aber in nächster Zeit die einzige Überlebenschance für viele Klubs der Bundesliga und 2. Bundesliga und deshalb bitte ich schon heute Millionen von Fans um Verständnis und um Unterstützung, dass wir über diese Maßnahmen nachdenken müssen. Das wird in nächster Zeit die einzige Überlebenschance sein. Wer jetzt meint, wir sollten uns damit erst gar nicht beschäftigen, der muss sich keine Gedanken mehr machen, ob wir demnächst mit 18 oder 20 Profi-Klubs spielen, denn dann wird es keine 18 oder 20 Profi-Klubs mehr geben."
Seifert wurde nicht müde zu betonen, dass ein geregelter Spielbetrieb in absehbarer Zeit nicht möglich sein wird. Die Bundesliga ist damit wie nie zuvor in ihren Grundfesten erschüttert. Und trotzdem scheut sich der erfahrene Manager nicht vor einem: Entscheidungen zu treffen. In Zeiten der Unsicherheit ist für Seifert deshalb vor allem wichtig, sich mit allen Betroffenen einig zu sein. So war es dem DFL-Boss ein besonderes Anliegen, die Vereinsvertreter auf eine gemeinsame Linie einzuschwören, denn es gehe in den nächsten Tagen nicht nur um finanzielle, sondern auch um moralische und emotionale Solidarität: "Es mag vor dem Treffen unterschiedliche Sichtweisen gegeben haben", sagte Seifert. "Ich gehe davon aus, dass es jetzt nur noch eine gibt."
Offenheit wird mit Lob belohnt
Sein ehrlicher und erbarmungsloser Umgang mit der Corona-Krise hat bei der Öffentlichkeit Eindruck hinterlassen. Wie der DFL-Chef eindrückliche und klare Worte fand, um das weitere Vorgehen zu schildern, hat auch diejenigen überzeugt und zu Lob hinreißen lassen, die Seifert bisher als ungeliebtes Symbol für die Kommerzialisierung des Fußballs gesehen haben. Und auch trotz des starken Auftritts ist sich Seifert bewusst, dass er für seine Entscheidungen auch in Zukunft Kritik ernten wird. Auf der Suche nach den besten Lösungsmöglichkeiten für die Bewältigung der Krise werde er getroffene Entscheidung revidieren müssen, räumte der DFL-Geschäftsführer offen ein.
Dass dies in der Öffentlichkeit auf Kritik stößt, erlebte er am vergangenen Freitag, als die DFL erst am geplanten Geister-Spieltag festhielt und diesen wenig später aufgrund einer veränderten Sachlage doch noch absagte. "Ich verstehe, dass es für Außenstehende so ausgesehen hat, als wären wir alle von Sinnen. Der Kritik stelle ich mich aber gerne, weil dies bedeutet, Verantwortung zu übernehmen", sagte Seifert und sagte gleich: "Es wird nicht die letzte Entscheidung sein, die wir in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten zu revidieren haben. Das Gefühl der Unsicherheit wird uns jetzt erst einmal begleiten." Und so versucht Seifert auch weiterhin, mit deutlichen Worten und mutigen Entscheidungen einen kühlen Kopf zu bewahren.
Quelle: ntv.de