Redelings Nachspielzeit

"Mein Temperament ist scheiße!" Als Ailton aus Frust auf Schalke Ohrfeigen verteilte

Ailton hatte nicht nur fröhliche Tage.

Ailton hatte nicht nur fröhliche Tage.

(Foto: imago/Team 2)

Vor zwanzig Jahren verzweifelt der sonst so lockere Brasilianer Ailton nach seinem Wechsel vom SV Werder Bremen ins Ruhrgebiet an seinem neuen Klub, dem FC Schalke 04. Und als ihm auch im dritten Spiel noch immer kein Treffer gelingt, rastet der amtierende Torschützenkönig verhängnisvoll aus

"Mein Temperament ist scheiße. Scheiße für mich, scheiße für die Mannschaft. Das darf nicht passieren. Das war mein Fehler!" Anfang September vor zwanzig Jahren wirkte der sonst so lebensfrohe und fröhliche Brasilianer Ailton geknickt. Nach nur drei Bundesligaspielen für den FC Schalke 04 schien das neue Abenteuer kurz nach dem Start in die Saison 2004/05 nach sechs weitgehend glücklichen Bremer Jahren bereits gescheitert. Schuld daran ist auch sein schwieriger Einstand bei den Königsblauen gewesen, nachdem er nach seinem Wechsel komplett unbedacht geäußert hatte: "Alles, was ich bisher über Gelsenkirchen gehört habe, ist ein Desaster." Als er dann auch noch mit einem Leihwagen mit Dortmunder Kennzeichen vorfuhr, musste er ganz schnell versprechen, sich ein Auto mit Gelsenkirchener Nummer anzuschaffen.

Und dann passierte Ailton im Heimspiel gegen Hansa Rostock auch noch ein folgenschwerer Doppelfehler. 0:1 lagen die Hausherren hinten, als der Brasilianer nach einer Rangelei vor dem Strafraum zwei Rostockern Ohrfeigen verteilte. Erst traf es Joakim Persson und dann auch noch Uwe Möhrle. Schiedsrichter Florian Meyer aus Burgdorf hatte gar keine andere Wahl, als Ailton mit Rot vom Platz zu schicken. Anschließend beging der Brasilianer den zweiten Fehler an diesem Tag. Er stürmte direkt nach seinem Feldverweis aus der Arena. Das Problem: Ailton wurde zur Dopingkontrolle ausgelost. Erst ein Anruf von Manager Andreas Müller konnte Schlimmeres verhindern. Er beorderte den amtierenden Torschützenkönig sofort zurück ins Stadion - und bewahrte ihn damit vor einer Sperre als vermeintlicher Dopingsünder.

Rangnick kommt, Ailton trifft endlich

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Gesperrt wurde Ailton dennoch. Seine zwei Ohrfeigen verschafften ihm eine Pause von vier Spielen. Als er am 16. Oktober 2004 schließlich zur Partie beim FC Bayern München wieder zurück in die Mannschaft kehrte, saß sein damaliger Trainer Jupp Heynckes bereits länger nicht mehr auf der Bank. Dabei hatte er Ailton zuvor noch mit auf den Weg gegeben, sich "nicht verrückt" machen zu lassen. Doch nach drei Niederlagen in vier Spielen wurde der spätere Triple-Sieger als Coach des FC Bayern München auf Schalke entlassen. Besonders bitter: Der Brasilianer hatte Heynckes in seiner schwierigen Lage nicht mehr helfen können.

Nach der Übergangslösung mit Eddy Achterberg übernahm Ralf Rangnick am 7. Spieltag schließlich bei den Königsblauen - und sah kurz darauf endlich wieder einen echten Torjäger auf dem Platz der Schalker. Denn am 9. Spieltag schoss Ailton beim 2:1-Sieg gegen den 1. FSV Mainz 05 seinen ersten Treffer für den S04. Und von nun an sollte es für den Brasilianer tatsächlich laufen. Am Ende einer turbulenten Spielzeit hatte Ailton in 29 Bundesligaspielen insgesamt sogar respektable 14 Tore für den FC Schalke 04 - der die Saison als Vizemeister und DFB-Pokal-Finalist beendete - erzielt.

Nie richtig in Gelsenkirchen angekommen

Eigentlich hätte zu diesem Zeitpunkt also alles gut sein können, doch der lebensfrohe Brasilianer war nie richtig in Gelsenkirchen angekommen. Auch die Fans hatten lange mit ihrem neuen Torjäger gefremdelt. So hatten sie ihm vorgeworfen, dass er sich zu wenig über die Treffer der eigenen Mannschaft freue. Doch Ailton konnte diese Kritik so überhaupt nicht verstehen: "Soll ich Asamoah auf den Mund küssen, wenn er ein Tor gemacht hat? Ailton war immer so und wird immer so bleiben. Am liebsten schieße ich die Tore selber. Aber ich freue mich auch, wenn sie andere machen. Dann gibt es einen kleinen Klaps und fertig."

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Doch da es noch weitaus größere Probleme mit der Vereinsführung gab, wechselte der Brasilianer nach der Saison in die Türkei zu Besiktas Istanbul. Ein Transfer mit schwerwiegenden Folgen. Es sollte der Anfang vom Ende der erfolgreichen Zeit von Ailtons Karriere als gefürchteter Torjäger werden. Kein Wunder, dass er später einmal in einem Interview rückblickend sagte: "Dass ich Schalke nach nur einem Jahr wieder verlassen habe, war natürlich ein Fehler. Ich hatte ja noch ein bis zwei Jahre Vertrag und hätte einfach bleiben sollen, auch wenn mein Temperament mir damals sagte: Geh!"

Ja, da war es wieder das berühmte "Temperament" des Brasilianers. Und tatsächlich: Wer weiß am Ende schon, wie Ailtons Laufbahn weitergegangen wäre, wenn es die zwei Ohrfeigen des hitzköpfigen Torjägers im September vor zwanzig Jahren im Spiel gegen Hansa Rostock nicht gegeben hätte?

Quelle: ntv.de

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