
Adam Mara'ana wurde 2003 als Sohn einer Jüdin und eines Muslim in Haifa geboren.
(Foto: REUTERS/Clodagh Kilcoyne)
Das hat es seit 1976 nicht mehr gegeben: Ein arabischer Athlet vertritt Israel bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris. Der Rückenschwimmer Adam Mara'ana möchte in der französischen Hauptstadt nicht nur im Becken ein Zeichen setzen.
Die 91 Athletinnen und Athleten aus Israel sind nach Paris gereist, um bei den Olympischen Sommerspielen ihre sportliche Leistung mit den Besten der Welt zu messen. Doch angesichts der angespannten Lage vor dem Hintergrund des Gaza-Krieges stehen die Athletinnen und Athleten aus Israel unter besonderem Schutz. Einer von ihnen schreibt allein durch seine Teilnahme an den Spielen Geschichte: Adam Mara'ana. Denn der 21-Jährige ist der erste arabisch-israelische Athlet seit 1976, der Israel bei den Olympischen Spielen vertritt.
"Auch wenn in den vergangenen 50 Jahren nicht viele von uns bei den Spielen waren, bin ich nicht nur ein Symbol für die Araber, sondern ganz allgemein für die Einheit des Landes", sagte Mara'ana im Juli zu "France Info".
Jude, Araber, Russe und Israeli in einer Person
"Araber sind Mitglieder der israelischen Gesellschaft", sagte Mara'ana zu "France Info". Auch wenn arabische Israeli nicht die gleichen Chancen hätten wie andere, könnten sie doch das Land Israel nach außen repräsentieren. Mara'ana will seine Bekanntheit nutzen, um diese Botschaft möglichst weit zu verbreiten.
Mara'ana wurde 2003 in Haifa geboren. Die Küstenstadt im Norden Israels ist die drittgrößte Stadt des Landes, hier leben viele arabische Israelis. Am Strand von Haifa haben sich seine Eltern kennengelernt. Mara'anas jüdische Mutter stammt aus Russland. Sein Vater ist Araber und muslimischen Glaubens: Beide besitzen die israelische Staatsbürgerschaft. Mara'ana vereint zwei Seiten der konfliktbelasteten Geschichte Israels.
"Ich bin halb Russe und halb Araber. Und ich bin Israeli", sagte er 2022 der israelischen Zeitung "Israel HaYom". Er komme aus einer "gemischten Stadt", in der Juden und Muslime - wie seine Eltern - miteinander zusammenleben können. "Das ist das Schöne an dieser Stadt", so Mara'ana. Er ist jüdisch und hatte eine Bar-Mizwa, bezeichnete sich selbst aber zuletzt gegenüber "France Info" als nicht besonders gläubig.
Arabische Israelis sind eine bedeutende Minderheit. 2024 sind mehr als 20 Prozent der rund 9,39 Millionen israelischen Staatsbürger Araber. 2021 genehmigte die israelische Regierung einen milliardenschweren Wirtschaftsplan, um sozialen Benachteiligungen der arabischen Minderheit im Land entgegenzuwirken.
"Ohne laufen zu können, lernte ich schwimmen"
Schon in seiner Kindheit arbeitete Mara'anas Vater am Strand von Bat Galim in Haifa als Manager. In den Wellen des Mittelmeers vor Bat Galim lernte Mara'ana im Alter von nur drei Jahren schwimmen. Sein Vater soll ihn dort einfach ins Wasser geworfen haben. "Ohne laufen zu können, lernte ich schwimmen", sagte er 2022 der israelischen Zeitung "Israel HaYom".
Früh probierte sich Mara'ana sportlich aus: im Segeln, Surfen und Judo - eine sehr beliebte Sportart in Israel. Laut israelischen Medienberichten war Mara'ana sogar zweimal Jugendlandesmeister im Judo. Doch bereits in jungen Jahren setzte er sich das Ziel, der erste arabisch-israelische Schwimmer zu werden, der für Israel an den Olympischen Spielen teilnimmt.
Auf dem Rücken zu Olympia nach Paris
International schwamm Mara'ana erstmals beim Europäischen Olympischen Jugendfestival 2019 in Baku, Aserbaidschan. Mit einer Zeit von 56,63 Sekunden holte der damals 16-Jährige über 100 Meter Rücken Bronze. Zuletzt belegte Mara'ana bei den israelischen Meisterschaften 2023 mit einer Zeit von 54,92 Sekunden über 100 Meter Rücken den dritten Platz. Bei den U23-Europameisterschaften 2023 in Dublin gewann Mara'ana über 50 Meter Rücken in einer Zeit von 25,30 Sekunden Bronze. Dort wurde er außerdem über 100 Meter Rücken in 54,31 Sekunden Fünfter.
Auch seine kleine Schwester Ella ist Athletin. Die 16-Jährige macht rhythmische Sportgymnastik. Wie ihr Bruder träumt auch sie von einer Teilnahme bei den Olympischen Spielen. Ihr Ziel sind die Spiele in Los Angeles 2028.
Im Juni hatte Mara'ana schließlich die Chance, sich seinen Traum von Olympia zu erfüllen: Bei den israelischen Vorwettkämpfen für die Olympischen Spiele am Wingate Institute in Netanja unterbot er über 100 Meter Rücken seine bisherige Bestzeit. Er schwamm 53,60 Sekunden und war damit 14 Hundertstelsekunden schneller als von der olympischen Normzeit gefordert. Damit qualifizierte Mara'ana sich für die Spiele in Paris über 100 Meter Rücken - und sein Traum von der Olympia-Teilnahme wird Wirklichkeit.
Ein Gewichtheber, ein Fußballer und ein Rückenschwimmer
Vor Mara'ana haben es nur zwei arabische Staatsbürger Israels als Athleten geschafft. Seit ganzen 48 Jahren ist kein arabischer Israeli zu den Olympischen Spielen gefahren.
1960 war es Edward Maron, der als erster arabischer Israeli das Nationalteam des zwölf Jahre zuvor gegründeten Staates repräsentierte: Bei den Olympischen Spielen in Rom trat der damals 23-Jährige im Gewichtheben der Herren im Bantamgewicht (bis 56 Kilogramm) an. Maron belegte den 18. Platz.

Der israelische Fußballstar Rifaat Turk trainiert 1981 im Stadion seines Vereins Hapoel Tel Aviv.
(Foto: picture alliance / AP Images)
1970 wurde der 16-jährige Rifaat Turk beim Kicken am Strand von Tel Aviv durch einen Talentsucher entdeckt. Daraufhin spielte Turk zwei Jahre in der Jugendmannschaft von Hapoel Tel Aviv und gab schließlich im Juli 1972 sein Debüt in der A-Mannschaft des Vereins. Ab 1976 war der muslimische Mittelfeldspieler, der erste arabische Israeli, der es in die Fußballnationalmannschaft Israels schaffte. Im selben Jahr holte Turk mit dem israelischen Fußballteam bei den Olympischen Spielen in Montreal den fünften Platz. Bis 1986 bestritt er insgesamt 33 Spiele für die israelische Nationalmannschaft und schoss dabei drei Tore. Er setzt sich bis heute für ein friedliches Zusammenleben von Juden und Arabern in Israel ein.
Schon einen Schritt weiter ist dabei der paralympische Sport: Bei den Spielen in Tokio schwamm Iyad Shalabi im September 2021 mit einer Zeit von 2:28,04 Minuten über 100 Meter Rücken zu Gold. Damit ist er der erste arabisch-israelische Staatsbürger, der eine Medaille bei den Paralympics oder den Olympischen Spielen gewann.
Ende Juli könnte nun Mara'ana eine weitere Medaille für Israel erschwimmen. Dafür muss er am Sonntag den Vorlauf und das Halbfinale über 100 Meter Rücken überstehen und es in das Finale am Montagabend schaffen. Damit könnte er bei seiner ganz besonderen Olympia-Premiere gleich für eine Sensation sorgen - denn mit Blick auf die Meldeliste gehört der 21-Jährige eigentlich nicht zu den besten Acht der Welt. Aber für Mara'ana geht es in der Paris La Défense Arena wohl um weit mehr als den bloßen Wettkampf.
Quelle: ntv.de