DBB arbeitet Fehler nicht auf Das öffentliche Versagen im "Fall Saibou"

Rein sportlich hat sich die Rückkehr von Saibou für den DBB gelohnt.

Rein sportlich hat sich die Rückkehr von Saibou für den DBB gelohnt.

(Foto: imago images/camera4+)

Die deutsche Basketball-Nationalmannschaft fährt zu Olympia. Doch weil Joshiko Saibou zum Kader gehört, sind nicht nur Fans verärgert. Weil der Verband zu viele Fragen unbeantwortet lässt zu seinem Spieler, der vor wenigen Monaten noch an der Demokratie zu zweifeln schien.

Es mag nur ein Halbsatz sein. "Wir haben festgestellt, dass unsere Antworten zu nichts führen", leitet der Deutsche Basketball-Bund am Rande der Olympia-Qualifikation seiner Nationalmannschaft seine Erwiderung auf eine Anfrage von ntv.de ein. Es ist ein Halbsatz, der viele Menschen aufregt, die es eigentlich gut mit dem Basketball in Deutschland meinen. Weil der DBB aus dieser Feststellung folgert, nunmehr "keine Fragen mehr zu diesem Thema zu beantworten". Statt Transparenz zu schaffen, zieht sich der Verband zurück, betont etwa wie Bundestrainer Henrik Rödl, es sei "genug gesagt worden". Obwohl der DBB doch selbst gemerkt zu haben scheint, dass dieses Gesagte nicht ausreicht.

Das Thema, um das es schon seit Wochen geht, hat Rödl selbst auf die Tagesordnung gesetzt. Indem er Joshiko Saibou in seinen Kader berufen hat. Der zwar entscheidend dazu beigetragen hat, dass die deutschen Herren erstmals seit 2008 und überhaupt zum sechsten Mal insgesamt zum olympischen Turnier reisen dürfen. Die Teilnahme ist ein großer Erfolg, die Euphorie in der Mannschaft groß, abseits davon aber merklich reduziert.

Weil Saibou im vergangenen Jahr auf der Bühne stand bei einer Demonstration gegen die Anti-Corona-Maßnahmen, an der auch Verschwörungsgläubige und Rechtsextreme teilnahmen. Das tat er gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Alexandra Wester, die Leichtathletin teilte auf Instagram antisemitische Verschwörungsmythen, die sie inzwischen von ihrem Profil entfernt hat. Saibou erklärte zwar, er distanziere sich davon. Für viele allerdings deutlich zu vage, wie der Ex-Profi und 141-fache Nationalspieler Jan Jagla bei "Spox" stellvertretend für eine Vielzahl an kritischen Reaktionen feststellte: "'Entschuldigung' reicht nicht, sondern ich möchte auch wissen: Was ist der Fehler?" Da das "leider nicht passiert" sei, hätte Saibou dem Olympia-Teilnehmer von 2008 nach "eigentlich nicht dabei sein dürfen".

Argumentiert wie die Feinde der Demokratie

Die deutsche Mannschaft für Olympia.

Die deutsche Mannschaft für Olympia.

(Foto: imago images/camera4+)

In einem Video, das der DBB Mitte Juni auf Twitter verbreitete, erklärte Saibou vor seiner Anreise zur Nationalmannschaft an die Öffentlichkeit gerichtet, er stehe für "Respekt, Toleranz, Freiheit, Offenheit" und gegen "Diskriminierung, Hass und Gewalt" ein. Er bedauerte auch, dass es Menschen gab, "die sich von meinen Handlungen und Aussagen verletzt gefühlt haben". Welche Handlungen und Aussagen er damit meinte, benannte der 31-Jährige nicht, und musste es anschließend auch nicht nachholen, weil der Verband nicht darauf bestand, dass Saibou seine Fehler konkret ausführt.

Dabei hatte der infolge seiner Demo-Teilnahme von den Telekom Baskets Bonn fristlos entlassene Saibou unter anderem ein als Video aufgenommen, in dem er Argumentationen von Rechtspopulisten und Rechtsextremen reproduziert hatte. Dass in Deutschland angeblich verordnet werde, nur "das wiederzugeben, was Fernsehen, Zeitung und die Politik dir sagen" und das auch nicht zu hinterfragen, "selbst wenn du deine Menschenrechte verlierst". Ob er diese Argumentation bereut, die auch Demokratiefeinde benutzen, ob er das immer noch so sieht - das ist eine der Fragen, deren Antwort viele Basketball-Sympathisanten gerne erfahren würden.

Doch es sind auch diese Fragen, die der DBB abblockt, wenn er nach der Rückkehr vom Quali-Turnier in Kroatien und vor dem Aufbruch nach Tokio auf erneute ntv.de-Anfrage betont: "Es bleibt dabei, dass wir uns zu diesem Thema nicht mehr äußern werden." Statt aus der Erkenntnis, dass bisherige Antworten offenbar nicht ausreichten, den Entschluss zu mehr Transparenz zu fassen, folgte ein erneuter Rückzug. Dabei hatte sogar Bundestrainer Henrik Rödl im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" erklärt, die "Heftigkeit der Reaktionen" auf die Saibou-Nominierung "war über dem, was wir erwartet hatten". Und: "Viele Fehler wurden eingestanden, das muss im Moment reichen." Allerdings, und das passt in die immer länger werdende Reihe der vagen Aussagen, benennt auch der 52-Jährige diese "Fehler" in keinster Weise konkret.

Die "reinste Katastrophe"

Stattdessen, schlägt Rödl vor, solle nach Olympia wieder darüber gesprochen werden. Und sportlich wurde die Strategie ja sogar belohnt, schließlich kam die gelungene Qualifikation kam durchaus überraschend. Immerhin fehlten mit Dennis Schröder, Maxi Kleber und Daniel Theis die drei NBA-Profis mit den größten Spielanteilen in der besten Liga der Welt. Doch nach der Vorrunde gegen Australien und Nigeria, die beide in der Vorbereitung die einstmals unschlagbar wirkenden USA bezwingen konnten, und Italien droht wie 2008 das Vorrundenaus, obwohl sogar der zwei von drei Gruppendritten weiterkommen.

Das olympische Basketball-Turnier

Gruppe A: Iran, Frankreich, USA, Tschechien

Gruppe B: Australien, Deutschland, Italien, Nigeria

Deutschland - Italien (Sonntag, 25. Juli, 6.40 Uhr)

Nigeria - Deutschland (Mittwoch, 28. Juli, 3 Uhr)

Australien - Deutschland (Samstag, 31. Juli, 10.20 Uhr)

Gruppe C: Argentinien, Japan, Spanien, Slowenien

Der Erst- und Zweitplatzierte ziehen direkt ins Viertelfinale ein. Die beiden besten Gruppendritten kommen ebenfalls weiter.

In die kommunikative Lücke, die der Verband lässt, stoßen derweil die Spieler selbst hinein. Weil die Fragen, die längst nicht mehr nur Fans, sondern auch Medien stellen, nun eben an sie herangetragen werden. Johannes Voigtmann bezeichnet die Probleme in der Vorbereitung als "reinste Katastrophe" und verriet im Gespräch mit "Münchner Merkur" und "tz" auch indirekt, dass er sich eine andere Strategie gewünscht hätte: "Was der DBB gemacht hat, will ich eigentlich nicht kommentieren, [...] aber hätte es eine klare Aussage gegeben, dann wäre mein Statement vielleicht gar nicht notwendig gewesen."

Mitte Juni hatte der Centerspieler in einer Presserunde seine Meinung deutlich kommuniziert. Saibou habe sich "in Sachen verrannt, die er selbst zu klären hat. Die Aufarbeitung kann noch nicht vorbei sein." Dessen vom DBB im Video verbreitete Erklärung sei "okay, nicht mehr und nicht weniger". Die Gefahr der Rödl'schen Vorschlags - nach Olympia darüber zu sprechen - ist jedoch, dass die Problematik dann eine so große Öffentlichkeit erfahren hat, wie sie die deren Auflösung abseits der Aufmerksamkeit der Spiele niemals erlangen kann.

Ärger nur in der Außenwelt?

Auch Moritz Wagner äußerte sich vor wenigen Tagen in der Berliner "Morgenpost" eindeutig: "Politisch und gesellschaftlich distanziere ich mich ähnlich wie Jo [Johannes Voigtmann, Anm. d. Red.] ganz klar von Joshikos Meinung." Eine solche Klarheit wünschten sich viele auch vom DBB, der sich vorwerfen lassen muss, Saibou mit diesem einen Video voreilig aus der Verantwortung entlassen zu haben, statt weitere Erklärungen einzufordern, vor allem öffentliche. Der 31-jährige Point Guard selbst orientiert sich eher an der Kommunikationslinie des Verbands, als er der dpa dazu im Olympia-Trainingslager in Trier sagte: "Ich habe dazu schon Statements abgegeben und möchte nicht viel dazu sagen."

Mehr zum Thema

Stattdessen wolle Saibou sich nun gemeinsam mit der Mannschaft "auf den Basketball fokussieren", denn "alles andere ist in der Außenwelt". Ähnlich hatte sich schon der DBB gegenüber ntv.de während des Qualifikations-Turniers geäußert: "Es gilt sich jetzt hundertprozentig auf den Sport zu konzentrieren." Allein, die mangelhafte Aufarbeitung des selbstverschuldeten Problems hindert viele der oben bereits genannten Menschen - die es gut mit dem deutschen Basketball meinen - daran, sich auf Olympia zu freuen. Weil sie nicht genug darüber wissen, was von den Spielern halten sollen, die Deutschland auf der größten Bühne vertreten, die der Sport bieten kann.

Zumal auch Moritz Wagner der "Morgenpost" ja sagte, er könne "nicht für das gesamte Team sprechen und sagen, das sei jetzt abschließend geklärt". Stattdessen habe in der Sache "jeder seinen eigenen Umgang". Vor allem aber stellt er richtigerweise fest, dass Fehler gerade in solch komplizierten Gemengelagen ja dazugehören würden. Allerdings dürfte es nicht nur seinem Verständnis entsprechen, dass es nach diesen Fehlern - wie sie verschiedene Protagonisten sogar eingestehen - wichtig sei, daraus zu lernen und transparent mit ihnen umzugehen.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen