Nach Olympia-Schock droht GAU Ein brutaler Check fürs deutsche Eishockey

Olympisches Nachsehen.

Olympisches Nachsehen.

(Foto: AP)

Das war gar nix: Deutschlands extrem ambitionierte Eishockey-Cracks erleben bei den Olympischen Spielen in Peking ein Debakel. Statt wie angekündigt, um Gold mitspielen zu wollen, ist nach der Mindestanzahl an Partien Schluss. Womöglich hat das gravierende Konsequenzen.

Diese Szene voller Dummheit hätte es nicht gebraucht, aber sie war aus deutscher Sicht (leider) die passende Schlusspointe nach einem desaströsen olympischen Eishockey-Turnier. David Wolf, der Aggressiv-Leader des Teams, streckte am Dienstagmorgen seinen slowakischen Gegenspieler mit einem üblen und harten Schlag gegen den Kopf kurz vor Ende der Viertelfinal-Qualifikationspartie nieder. Ein Ausdruck maximaler Verzweiflung, Wut und Enttäuschung. Noch bevor der Kampf um die Medaillen richtig entfacht, ist Deutschland schon raus.

Die großen Ambitionen, bis hin zum offensiv kommunizierten Traum von der Goldmedaille, gefressen in nur vier Spielen. Gefressen von einem Team mit erfahrenen Cracks und aufregenden Talenten. "Der Frust darüber, wie wir uns präsentiert haben, den muss man erstmal sacken lassen", bekannte Patrick Hager, der vielleicht beste deutsche Spieler im Turnier. Den Frust über den brutalen Check für das deutsche Eishockey bekamen die Profis auch in den sozialen Medien zu spüren. Dort hagelte es offenbar persönliche Beleidigungen. "Wir sind alle enttäuscht aufgrund der bitteren Niederlage. Wir bitten Euch, in den Kommentaren auf die allgemeinen Regeln in Sachen Respekt & Ton zu achten", twitterte der DEB nach der Niederlage gegen die Slowakei.

Die Slowakei hatte die Formel für Erfolg gefunden, die das DEB-Team in den Tagen von Peking so verzweifelt gesucht hatte. Und nach dem krachenden und chancenlosen 0:4 auf dem gescheiterten Weg ins Viertelfinale wird auch klar: Die enttäuschenden Leistungen und Ergebnisse der Vorrunde haben nicht getäuscht, sondern haben das klägliche Scheitern nur unmissverständlich angekündigt. Spätestens nach dem überraschenden Zittersieg gegen Chinas bizarre Auswahl hätte der Alarm laut schrillen müssen. Tat er aber nicht. Auch wenn der Bundestrainer Konsequenzen zog und seine Reihen auf dem Eis neu aufstellte. Offenbar hatte man sich zu sehr darauf verlassen, dass der Schalter schon irgendwann umspringen würde.

Wo waren die Schlüsselspieler?

Es mangelte dem Team, das im vergangenen Jahr nach einer mitreißenden WM erst im Halbfinale gescheitert war, in fast allen gespielten Dritteln der vier Partien an physischer Geschwindigkeit, an Handlungsschnelligkeit, an körperlicher Leidenschaft. Harte Checks, wie sie die Deutschen gegen Kanada oder die USA kassierten, wurden nicht gefahren. Wo waren Gier und Galligkeit an der Grenze des Erlaubten? Aber es fehlte auch an offensiven Möglichkeiten. Es mangelte im Prinzip überall und an allem. Gerade Spieler mit besonderen Qualitäten wie Dominik Kahun (technisch) oder Tobias Rieder (läuferisch) waren weit weg von ihrer besten Verfassung. Die Schlüsselspieler waren keine Schlüsselspieler. Kahun war emsig, aber ineffektiv. Rieder bis auf das Tor gegen Kanada unauffällig. Tom Kühnhackl, der zweimal den Stanley-Cup in der NHL gewann, agierte viel zu verhalten, Korbinian Holzer war nicht der Abwehrturm, der er sein sollte. DEL-Topspieler wie Marcel Noebels, Leo Pföderl, Yasin Ehliz oder Frederik Tiffels waren gar nicht zu sehen.

Aber wie konnte es zu diesem Knock-out kommen? An der Klasse des Kaders, da sind sich im Prinzip alle einig, hat es nicht gelegen. Noch beim Deutschland-Cup im November des vergangenen Jahres machte diese Mannschaft unglaublich viel Spaß, bewies viel Spielfreude und eine sehr beeindruckende defensive Stabilität. So wurden die Slowaken etwa mit 4:1 hergespielt. Ein Booster für die Träume. Womöglich liegt hier der Grund für den Knock-out. Im Rausch der Euphorie, der mit der Silber-Sensation vor vier Jahren in Pyeongchang begann, fühlte sich dieses Team womöglich zu Höherem berufen, anstatt sich auf das zu konzentrieren, was die Basis für Erfolg ist: harte Arbeit und Leidenschaft auf dem Eis. Wie das aussehen kann (und muss), das haben die Slowaken nun von der ersten Sekunde an gezeigt.

Kaum Emotionen beim DEB-Team

Bei Deutschland gab es davon zu wenig. Erst im letzten Vorrundenspiel gegen die USA kamen beim DEB-Team die Emotionen hoch. Dass sie dabei zwischendurch etwas (zu) grob daherkamen, wie etwa bei Holzer, der einem Gegenspieler den Kopf abreißen wollte, egal. So ist eben Eishockey. Nix für zarte Seelen. Deutschland fühlte sich nach der besten (es war indes keineswegs eine bärenstarke) Leistung im Turnier bereit für die K.o.-Phase. Doch dann das: wieder ergab sich die Auswahl von Bundestrainer Toni Söderholm, ohne das Gefühl zu vermitteln, sich gegen dieses Debakel zu stemmen. Oder stemmen zu können.

Klar, die besten deutschen Spieler waren nicht dabei. Superstar Leon Draisaitl und Top-Talente wie Moritz Seider oder Tim Stützle sind in der NHL gefangen, die Liga machte wegen der Pandemie (und der vielen ausgefallenen Spiele) keine Pause. Als Ausrede taugt das freilich nicht und wurde zum Glück auch nicht bemüht. Denn auch alle anderen Nationen teilen dieses Schicksal. Als Ansatz für die Erklärung der Probleme wurde dagegen häufiger die kleinere Eisfläche ausgerufen. Sie wurde den Maßen der NHL angepasst. Vorteil für die Nordamerikaner (die auf ihr ausgebildet wurden), keine Frage. Aber wirklich auch der Grund für das Aus? Eher fraglich. Zumal sie selbst gesagt hatten, dass sie nach der Vorrunde verstanden hätten, wie sie auf der kleineren Fläche spielen müssten. Verstanden vielleicht, aber umgesetzt nicht. Es war nicht zu übersehen, dass Deutschland weiter keine gute Idee hatte, sein Offensivspiel anzupassen, Rhythmus aufzunehmen, Druck auf den Gegner aufzubauen. Fast nie wurde agiert, eigentlich immer nur reagiert.

War das deutsche Aufgebot zu alt?

In den kommenden Wochen werden im deutschen Eishockey viele Fragen, aber nicht alles infrage gestellt. Nach den sportlichen Gründen wird gefahndet, vielleicht auch über die Zusammenstellung des Kaders nachgedacht. Diskussionen werden bereits geführt, ob das Aufgebot bei aller Klasse eventuell zu alt war. Aufregende Talente wie bei den vergangenen Großturnieren fehlten dieses Mal. Wie viel Power und Begeisterung das einem Team geben kann, beweisen die College-Boys der USA gerade.

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Wie die Antworten ausfallen - unklar. Ebenso wie die Zukunft des Bundestrainers. Dessen Vertrag läuft im Mai, nach der WM in seiner alten Heimat, aus. Der Finne, einst ein Weltklasse-Verteidiger, wollte nach den Spielen über seine Zukunft entscheiden. Er liebäugelt mit der NHL. Seine Bilanz beim DEB war bis zu diesen Spielen hervorragend: Bei seiner ersten WM 2019 führte er das Team nach dem besten Start seit 1930 ins Viertelfinale, im vergangenen Frühjahr sogar in die Runde der letzten Vier. Deutschland stieg erstmals auf Platz fünf in der Weltrangliste. Was für eine Entwicklung. Deutschland ist im Elitekreis angekommen.

Was dieses Turnier bei Söderholm nun bewirkt? Für das deutsche Eishockey wäre sein Abgang im Frühsommer eine bittere Zäsur. Womöglich gar eine zweite Katastrophe.

Quelle: ntv.de

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