DEB-Team und das Olympia-Märchen Ein Déjà-vu, das ganz böse enden kann

Die deutschen Cracks fühlen sich bereit für den olympischen Showdown.

Die deutschen Cracks fühlen sich bereit für den olympischen Showdown.

(Foto: imago images/Xinhua)

Vor vier Jahren, bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang, gewinnt Deutschland sensationell Silber im Eishockey. Der Erfolg macht ambitioniert. Auch in Peking soll wieder eine Heldenstory geschrieben werden. Trotz eines kuriosen Déjà-vus sind nicht alle Zweifel ausgeräumt.

Ob Deutschland wirklich verstanden hat? Eine Antwort darauf gibt es am Dienstagmorgen, wenn um 5.10 Uhr (im ZDF und im Liveticker bei ntv.de) der Puck übers olympische Eis raucht. Auf dem wollen die Spieler der Eishockey-Nationalmannschaft ein zweites Märchen schreiben. Wie vor vier Jahren. In Südkorea. Damals gab es sensationell Silber. Zur noch größeren Sensation fehlten nur 56 Sekunden. Russland wusste das zu verhindern. Mit Glück, in Überzahl und einem furiosen Treffer.

Was viele Menschen im Rausch der wundervollen Erzählung über diese deutsche Heldengeschichte vergessen haben: Das Wunder von Pyeongchang startete zäh bis frustrierend. Eine derbe Niederlage gegen Finnland (2:5), ein wackeliger Sieg gegen Norwegen (2:1 nach Penaltyschießen) und eine ganz knappe Pleite gegen Schweden (0:1). Erst nach der Vorrunde und im ersten Spiel der K.o.-Runde (der Viertelfinal-Quali) mit den Schweizern begann der Rausch. Mit einem Déjà-vu der Ereignisse könnten die Deutschen in diesen Tagen von Peking sehr gut leben.

Eine lösbare Aufgabe

Bislang liegt die 2018er-Schablone auf diesem Turnier. Gegen Kanada schlug Deutschland hart bei den Spielen auf (1:5), gegen die chinesische Klubmannschaft Kunlun Red Star wurde eine Blamage hauchzart verhindert (3:2), ehe es gegen die USA nach einer guten Leistung knapp nicht zum Sieg reichte (2:3). Wieder geht es in die Extraschleife auf dem Weg ins Viertelfinale. Und wieder soll es dort zum Knall ins Glück kommen. Gegner ist die Slowakei. Eine Nation, die einst legendär gut war, diese Zeiten aber längst hinter sich hat. Man kann es auch so ausdrücken: eine lösbare Aufgabe.

Aber es ist eben auch so: Bislang hat Deutschland noch nicht nachweisen können, dass die Träume, die bisweilen so golden sind, in greifbaren Dimension sind. Zu viel passte nicht zusammen. Dieser Zustand soll der Vergangenheit angehören. Denn die DEB-Cracks finden, dass sie nun verstanden haben. Nicht, worum es geht, das wussten sie bereits. Sondern, wie man auf der neuen olympischen Eisfläche zu spielen hat. Die ist den Maßen der NHL angepasst worden, ist also vier Meter schmaler. Außer 2010, als in Vancouver in einer NHL-Arena gespielt wurde, war die Eisfläche bei Olympia stets breiter. Olympische Ironie: Aus der besten Liga der Welt ist kein (aktueller) Spieler am Start. Wegen der Pandemie macht die NHL keine Pause - bedeutet: keine Abstellungen für die Nationalteams möglich.

"Es ist ein anderes Hockey"

Man kann das komisch finden, oder auch nicht. Aber anders als im Fußball, wo die Felder tatsächlich fast überall andere Größen haben (in einem vorgegebenen Rahmen), verändert die kleinere Fläche das Spiel beim Eishockey maßgeblich. Und mit der Einteilung der Räume, mit den Abständen zwischen den Positionen tat sich Deutschland sehr schwer. So lassen sich dann die Ergebnisse der Vorrunde auch ein wenig besser erklären. Die Kanadier und die US-Boys (die meisten spielen noch am College) werden auf dem kleineren Oval ausgebildet, die Chinesen profitieren von ihren 16 Nordamerikanern im Kader (was dahinter steckt, lesen Sie hier).

Klar, auch im DEB-Team gibt es Cracks, die Erfahrung mit den nordamerikanischen Maßen haben. Tobias Rieder, der zweifache Stanley-Cup-Champion Tom Kühnhackl, Dominik Kahun oder aber Korbinian Holzer haben gar mehrjährige Erfahrung im Übersee-Eishockey. Für andere Spieler im Kader blieb es bei eher kürzeren Abenteuern. "Wir haben jetzt wirklich verstanden, wie wir darauf spielen müssen", sagte Kapitän Moritz Müller, "gradlinig nach vorne". Wie man das erfolgreich angeht, dafür gab es in der Vorrunde gleich zweimal Anschauungsunterricht. "Die Kanadier sind am Anfang über uns drüber gefahren", gab Müller zu. Auch das junge US-Team spielte schnörkellos, schnell und hart. "Es ist ein anderes Hockey", urteilte Patrick Hager.

"... so schießt man heutzutage Tore"

"Du musst auf kleinem Eis zu 99,9 Prozent die richtigen Entscheidungen treffen, sonst wird es schnell bestraft", analysiert Holzer, der selbst zehn Jahre als Profi in der NHL unterwegs war. "Natürlich kann man immer auch darüber diskutieren, ob man mehr aufs Tor schießen muss. Auf dem kleinen Eis ist eigentlich jeder Schuss ein guter Schuss." Vor allem, wenn es gegen Gegner geht, die sonst auf der anderen Fläche aktiv sind. Für die Keeper ist die Umstellung wegen der veränderten Winkel bei den Schüssen und bei Abprallern besonders problematisch. Die beiden deutschen Goalies Danny aus den Birken und Mathias Niederberger können davon berichten. Also bitte mehr Puck-Gewitter. "Auf der kleinen Eisfläche macht das einen großen Unterschied", findet Kühnhackl. "Direkt vors Tor, Traffic vor dem Tor - so schießt man heutzutage Tore. Wir müssen sehen, dass wir das nun noch besser in unser Spiel einbauen." Eine andere Sache hat die Mannschaft gerade noch rechtzeitig implementiert.

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Die Emotionen und damit auch die Leidenschaft und Härte sind zurück im deutschen Spiel. Niemand hat das gegen die USA besser vorgelebt als Korbi Holzer. "Verdammtes Arschloch", wütete der 33-Jährige, "ich reiß dir den Kopf ab." Jeder im nur spärlich gefüllten Wukesong-Sportzentrum konnte diese Tirade (auf Englisch) klar und deutlich verstehen. Adressiert war sie eigentlich an einen US-Boy, der Holzers Kollegen Marcel Brandt mit einem Schuss in den Unterleib ausgeknockt hatte. Aber der Ausbruch war auch ein Signal an die eigenen Jungs: "Emotionen - das ist genau das, was unser Spiel ausmacht." Vor vier Jahren war sie der Schlüssel zum Erfolg.

Von dieser Leidenschaft braucht es nun stets das Maximum. Denn vorbei sind die Spiele, in denen es nicht um den Knockout ging. "Alle kämpfen und kratzen", sagte Stürmer Patrick Hager, einer von zehn verbliebenen Silberhelden im Team, "wir müssen auf den Punkt da sein. Es geht nicht darum, eine Play-off-Serie zu gewinnen, es ist ein Spiel." Möglichst viele (alle) davon will Bundestrainer Toni Söderholm noch sehen. "Hoffentlich spielen wir am 15., 16. (dann würden übrigens wieder die USA warten), 18. und 20.", sagte er. Am 20. steht in Peking das Finale an.

Quelle: ntv.de

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