Wirtschaft

Handelskrieg von Xi und Trump "China kann US-Firmen die Steuerfahndung auf den Hals hetzen"

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Donald Trump hatte den chinesischen Präsidenten Xi Jinping einmal "brillant" und "gefährlich" genannt.

Donald Trump hatte den chinesischen Präsidenten Xi Jinping einmal "brillant" und "gefährlich" genannt.

(Foto: picture alliance/AP Photo)

Die Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus wird die US-Außenpolitik grundlegend verändern. Das dürfte sich auch auf die Beziehungen zwischen den USA und China auswirken. Das Verhältnis zwischen beiden Ländern ist schon länger extrem angespannt. Jürgen Matthes vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) geht im Gespräch mit ntv.de davon aus, dass sich der Handelskrieg mit China deutlich verschärfen wird. Trump werde seine Drohung, die Zölle massiv zu erhöhen, wahr machen. Es sei aber fraglich, ob Trumps Politik Erfolg haben werde, so der Leiter des Teams für Internationale Wirtschaftspolitik: "Bei bürokratischer Willkür kann den Chinesen eine Menge einfallen."

ntv.de: Donald Trump wird wieder US-Präsident. Auch Chinas Präsident Xi Jinping hat ihm zum Wahlsieg gratuliert, etwas später als andere Regierungschefs. In seinem Telefonat mit Trump hat er vor Streit mit China gewarnt und beide Länder dazu aufgefordert, zusammenzuarbeiten. War das eine Warnung oder hat Xi Angst vor Trumps zweiter Amtszeit?

Jürgen Matthes: Wahrscheinlich irgendwas dazwischen. Xi ist klar, dass sich die USA und China in einem Hegemonialkonflikt befinden: Wer ist die wichtigste Macht im 21. Jahrhundert? China sagt: Wir sind die aufstrebende Kraft und werden irgendwann die USA ablösen. Aber die USA wollen Platz eins natürlich nicht abgeben. Es geht dabei nicht nur um wirtschaftlichen Erfolg, sondern auch um militärische Stärke bis hin zur Sorge, dass das in einem neuen Kalten Krieg münden könnte oder gar im schlimmsten Fall in einen dritten Weltkrieg.

In seiner ersten Amtszeit war Trump auf einem strammen Anti-China-Kurs. Wie stehen die Chancen auf eine bessere Zusammenarbeit zwischen China und den USA?

Nicht gut. Trump hat angekündigt, dass er Strafzölle auf alle chinesischen Importe anheben wird, nicht nur auf einen Teil der Produktpalette, wie er es in der ersten Amtszeit gemacht hat. Der durchschnittliche Zollsatz, den die USA derzeit auf chinesische Importe erheben, liegt bei etwa 20 Prozent. Der Durchschnittszoll soll am Ende wahrscheinlich auf 60 oder sogar auf 100 Prozent steigen.

Trump hatte im Wahlkampf mit weiteren Zöllen auf chinesische Produkte gedroht, glauben Sie, er wird diese Drohung auch wahr machen?

Es spricht viel dafür, dass Trump seine Zolldrohung wahr macht. Und das nicht nur gegenüber China, sondern auch gegenüber anderen Ländern und damit auch der EU. Er hat sich selbst immer als "Tariff Man" bezeichnet. Er will das hohe Handelsbilanzdefizit der USA mit den Zöllen senken. Die USA importieren deutlich mehr Waren, als sie exportieren. Dahinter steht die überzogene Sorge, dass ein Handelsbilanzdefizit am Ende amerikanische Arbeitsplätze kostet. Dieses Denken ist bei ihm und seinen Beratern tief verwurzelt.

Jürgen Matthes ist Leiter des Clusters Internationale Wirtschaftspolitik, Finanz- und Immobilienmärkte beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW).

Jürgen Matthes ist Leiter des Clusters Internationale Wirtschaftspolitik, Finanz- und Immobilienmärkte beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW).

Hätte Trump mit den hohen Zöllen also die Macht, die ganze Weltwirtschaft durcheinanderzubringen oder sogar zu zerstören?

Natürlich hätte so ein Handelskrieg negative globale Auswirkungen. Wenn die Wirtschaft in den USA, bei uns und in China schlechter läuft, dann heißt das natürlich auch, dass der Welthandel unter die Räder kommt und sich die Weltwirtschaftsleistung schwächer entwickelt. Jetzt, wo sich das globale Wirtschaftswachstum langsam etwas erholt, käme ein solches Szenario zur Unzeit. Trump würde der Weltwirtschaft mit großer Sicherheit schaden.

Wird sich der Handelskrieg mit China im Vergleich zu Trumps erster Amtszeit noch deutlich verschärfen?

Ja, er wird sich auf eine breitere Produktpalette erstrecken. Denn das US-Handelsbilanzdefizit gegenüber China ist besonders groß. Zum Krieg gehören aber immer beide Seiten. China hat während Trumps erster Amtszeit Vergeltung betrieben, auch Zölle auf US-Produkte erhöht oder erstmals erhoben. Das dürfte auch diesmal passieren. Wenn China aber Vergeltung übt, könnte Trump noch eins drauflegen bei den Strafzöllen.

Ob Trumps Politik Erfolg haben wird, ist aus verschiedenen Gründen fraglich. Der US-Dollar dürfte aufwerten. Und solange die USA mehr ausgeben, als sparen, wird das Handelsbilanzdefizit nicht verschwinden. Zudem gibt es Umgehungsversuche. Chinesische Produkte kommen über Umwege doch in die USA: etwa über Vietnam und über andere asiatische Länder, teilweise auch über Mexiko. Das wird der Trump-Administration ein Dorn im Auge sein. Deshalb besteht die Gefahr, dass der Handelskrieg gegen China sich ausweitet und auch andere Länder wie Mexiko betroffen sein werden.

Die USA sind aber auf Produkte und Importe aus China angewiesen, zum Beispiel auf die chinesischen Solarzellen oder seltene Erden. Kann diese Abhängigkeit einfach so gekappt werden?

Das geht nicht von heute auf morgen, auch wenn schon die Biden-Administration mit Subventionen für US-Produktion darauf hingearbeitet hat. Die Zölle verteuern Importe und gehen zulasten der US-Verbraucher. Wenn die USA auf eine Ware angewiesen sind und die teurer wird, dann muss man im Zweifelsfall einfach mehr zahlen. Das ist die große Sorge derjenigen, die kritisch auf die Pläne von Donald Trump schauen. Sie fürchten einen Anstieg der Inflation in den USA. Das Inflationsthema hat die Demokraten wahrscheinlich die Wahl gekostet. Und obwohl Trump die Demokraten als Versager beschimpft hat, weil sie die hohe Inflation zugelassen hätten, wird seine Politik am Ende die Inflation wieder neu anheizen.

Wie viel Macht und Möglichkeiten hat China, die USA unter Druck zu setzen? Viele US-Firmen wie Tesla haben dort Fabriken und verkaufen auch viele Produkte nach China.

Bei bürokratischer Willkür kann den Chinesen eine Menge einfallen: Die Steuerfahndung auf den Hals hetzen oder Genehmigungen verzögern sind zwei beliebte Beispiele, um Firmen Steine in den Weg zu legen. H&M und andere haben noch Schlimmeres zu spüren bekommen, weil sie keine Geschäfte mehr in Xinjiang machen wollten, wo Uiguren Zwangsarbeit verrichten müssen. In sozialen Medien wurde eine Kampagne gegen H&M geführt. Dadurch ist der Umsatz in China eingebrochen. Die Palette der möglichen Steine, die China Unternehmen in den Weg legen kann, ist ziemlich groß.

Wobei die Situation heute eine andere ist als vor ein paar Jahren, weil die chinesische Wirtschaft schwächelt. Inwieweit kann sich China solche Restriktionen leisten?

Der Handlungsspielraum der Chinesen ist sicherlich nicht größer geworden. Auf der anderen Seite ist es auch schwer vorstellbar, dass sie eine solche Zollverschärfung ganz ohne Vergeltungsmaßnahmen hinnehmen würden. Strafzölle auf US-Waren werden die Chinesen vermutlich am ehesten da erheben, wo die chinesische Wirtschaft inzwischen nicht mehr auf amerikanische Unternehmen in China angewiesen ist. Da besteht die Möglichkeit, mehr von den chinesischen Unternehmen einzukaufen - oder von anderen ausländischen Firmen.

Langfristig würde mehr Eigenproduktion zu den Zielen der Chinesen passen, um sich unabhängiger vom Weltmarkt zu machen. Nicht nur von Importen, sondern auch von ausländischen Unternehmen. Wir sehen das auch zunehmend bei europäischen Unternehmen. Wenn sie nicht mehr die neuesten Technologien haben, sondern etwas produzieren, was China inzwischen selbst kann, wird das Geschäftsumfeld zuweilen plötzlich schwieriger.

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Kann Trump 2.0 auch gut für China sein? Sehen Sie auch positive Effekte?

Wenn Trump seine Drohung wahr macht und die Zölle auf alle Importe erhöht, also auch auf europäische Importe, 10 oder 20 Prozent sind in der Diskussion, dann zettelt er auch einen Handelskrieg mit der EU an. Europa hat momentan das Problem, dass es sich zwischen den beiden Großmächten orientiert. Wertemäßig gehören wir klar zu den Amerikanern, auch wirtschaftlich sind wir wesentlich enger mit den USA verflochten, aber auch China ist inzwischen wirtschaftlich stark. Weil wir deutlich stärker von China abhängig sind als die USA, wollen Europa und Deutschland den harten China-Kurs der USA nicht mitgehen. Man will mit beiden Wirtschaftsmächten gut klarkommen. Je mehr Trump den Europäern mit seinen Zöllen auf die Füße tritt, desto mehr treibt er sie ins chinesische Lager. Das kommt China zugute. China hat gerade mit Blick auf seine wirtschaftliche Schwäche wieder angefangen, den ausländischen Firmen, deren Produkte man weiterhin braucht, den roten Teppich auszurollen.

Es gibt noch einen wichtigen Aspekt: Das ist die Frage, wie die USA mit Taiwan umgehen. Anders als Biden würde Trump Taiwan möglicherweise nicht militärisch zur Seite springen. Dann wäre Taiwan für China eine leichtere Beute. Das könnte weltpolitisch eine große Rolle spielen.

Trump hatte angekündigt, dass er noch viel höhere Zölle erheben will, falls China Taiwan angreift. Ist das vielleicht ein Hinweis darauf, dass Trump Taiwan auch verteidigen würde?

Möglicherweise, die Positionierung Trumps zu Taiwan ist momentan noch unklar. Aber es ist fraglich, ob sich China durch noch höhere US-Zölle abschrecken lassen würde. Die Taiwan-Frage ist für China so wichtig, dass politische Aspekte stärker ins Gewicht fallen dürften als die überschaubaren wirtschaftlichen Schäden durch noch höhere Zölle. Denn wenn die Zölle, wie von Trump angekündigt, schon immens gestiegen sind, dürften die Auswirkungen einer weiteren Erhöhung nicht mehr so groß sein.

Mit Jürgen Matthes sprach Caroline Amme. Das Gespräch wurde zur besseren Verständlichkeit gekürzt und geglättet. Vollständig können Sie es im ntv-Podcast "Wieder was gelernt" anhören.

"Wieder was gelernt"-Podcast

Dieser Text ist eigentlich ein Podcast: Welche Region schickt nur Verlierer in den Bundestag? Warum stirbt Ostdeutschland aus? Wieso geht dem Iran das Wasser aus? Welche Ansprüche haben Donald Trump und die USA auf Grönland?

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Quelle: ntv.de

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