Nächster Handelskrieg möglich China wappnet sich nach Trump-Sieg für neue Spannungen
08.11.2024, 07:42 Uhr Artikel anhören
Donald Trump sprach im Wahlkampf über seine persönliche Verbindung zu Xi Jinping.
(Foto: AP)
Chinas Staatschef Xi kennt Trump schon lange. Einst waren beide Freunde, heute sieht es anders aus. Die Volksrepublik macht sich deshalb für Differenzen mit dem neuen US-Präsidenten bereit. Es geht um eine Ausweitung des Handelskonflikts, mehrere Kriege sowie Technologisches.
In der ersten Amtszeit von Donald Trump im Weißen Haus erlebte China einen Handelskrieg mit den USA, den Bruch eines diplomatischen Tabus und ein zunächst inniges Verhältnis der beiden Staatschefs, das sich aber später abkühlte. Nach Trumps Wiederwahl wappnet sich Peking jetzt für erneute Unwägbarkeiten im Verhältnis zu Washington und für neue Spannungen mit Blick auf Handel, Technologie und Taiwan.
Die vermutlich drastischste Konsequenz für China - sofern Trump seine Wahlkampfversprechen einhält - ist seine Drohung, für sämtliche chinesischen Exporte in die USA Sonderzölle von 60 Prozent einzuführen. Das wäre ein schwerer Schlag für die ohnehin bereits instabile chinesische Wirtschaft, die unter hoher Jugendarbeitslosigkeit, einer anhaltenden Immobilienkrise und Staatsverschuldung leidet. Zölle von 60 Prozent könnten Berechnungen zufolge das erwartete Wirtschaftswachstum um 2,5 Prozentpunkte und damit um die Hälfte schrumpfen lassen.
Während Trumps erster Amtszeit hatte Washington Zölle in Höhe von mehr als 360 Milliarden Dollar auf chinesische Produkte erhoben. Die Maßnahmen zwangen Peking an den Verhandlungstisch. Im Jahr 2020 unterzeichneten beide Seiten ein Handelsabkommen, in dem sich China verpflichtete, den Schutz geistigen Eigentums zu verbessern und zusätzliche Waren im Wert von 200 Milliarden Dollar aus den Vereinigten Staaten zu importieren.
Laut einer späteren Untersuchung einer Forschungsgruppe kam Peking dieser Zusage nicht nach. US-Präsident Joe Biden behielt einen Großteil dieser Zölle bei und führte in diesem Jahr weitere ein, unter anderem auf Stahl, Solarzellen und Elektrofahrzeuge.
"Größere Bereitschaft zu Gesprächen"
Auch diesmal könnten die Zölle als Druckmittel für die Aufnahme von Verhandlungen dienen, erklärt der Juraprofessor Henry Gao von der Singapore Management University, der zu internationalem Handel forscht. "Angesichts der schwachen wirtschaftlichen Position Chinas zurzeit rechne ich mit einer größeren Bereitschaft zu Gesprächen", sagt er.
Womöglich will sich Trump über die Handelsgespräche auch die Unterstützung des chinesischen Präsidenten Xi Jinping bei der Aushandlung einer Resolution zum Krieg in der Ukraine sichern - den Trump versprochen hat, rasch zu beenden. Wie er das erreichen will, sagte er nicht. Er hat schon in der Vergangenheit Xis Hilfe gesucht, damals im Umgang mit dem nordkoreanischen Staatschef Kim Jong Un.
Diese Dynamik könne sich nun wiederholen, erklärt Wang Huiyao, Gründer der Denkfabrik Center for China and Globalization mit Sitz in Peking. "China ist der größte Handelspartner sowohl Russlands als auch der Ukraine", schrieb er kürzlich in einem Kommentar. "Diese engen Wirtschaftsbeziehungen geben China eine einzigartige Gelegenheit, eine größere Rolle in Friedensbemühungen zu spielen."
Trump erlebte Novum seit Taiwan-Konflikt
Es gibt ein Szenario, in dem Trump noch höhere Zölle - 100 bis 200 Prozent - auf chinesische Produkte angedroht hat: für den Fall einer Invasion Chinas in Taiwan, das die Volksrepublik für sich beansprucht. Die USA erkennen Taiwan zwar nicht als Land an, sind aber sein stärkster Unterstützer und größter Waffenlieferant.
Trump verärgerte Peking im Dezember 2016, als er einen Glückwunschanruf der damaligen taiwanischen Präsidentin Tsai Ing-wen annahm - ein Bruch des diplomatischen Protokolls. Seit Washington und Peking 1979 diplomatische Beziehungen aufnahmen, hat kein US-Präsident direkt mit der taiwanischen Führung gesprochen.
Trumps Vorgehen löste zwar Verunsicherung aus, doch schließlich hielt er an der Unterstützung des Status quo im Verhältnis zwischen Taipeh und Peking fest. China rechne damit, dass er dies weiter tun werde, sagt Zhu Feng, Experte für internationale Beziehungen an der Nanjing-Universität. Dass Trump plötzlich für die Unabhängigkeit Taiwans eintreten werde, sei unwahrscheinlich.
Xi will Differenzen überwinden
Im Wahlkampf thematisierte der Republikaner gelegentlich seine persönliche Verbindung zu Xi. In seiner ersten Amtszeit hatten beide zunächst große Nähe zueinander demonstriert, gerieten aber später in Handelsthemen sowie in der Frage aneinander, wo die Corona-Pandemie ihren Ursprung nahm.
In seiner Gratulationsbotschaft an Trump nach dessen Sieg rief Xi laut chinesischen Staatsmedien nun zur Überwindung der Differenzen zwischen den USA und China und dem Beginn einer neuen Ära auf. Die Geschichte habe gezeigt, dass beide Seiten von einer Zusammenarbeit profitierten.
In seiner ersten Amtszeit war Trump mit Verweis auf Sicherheitsrisiken gegen chinesische Technologiefirmen wie den Telekommunikations-Giganten Huawei vorgegangen. Biden setzte diese Politik fort, indem er den Zugang Chinas zu modernen Halbleiter-Chips begrenzte, die zur Entwicklung strategischer Industrien wie Künstliche Intelligenz benötigt werden. Taiwan hat hier derzeit eine Marktmacht von fast 90 Prozent der weltweiten Produktion. Trump warf dem Inselstaat vor, die Chip-Industrie vor Jahrzehnten von den USA "gestohlen" zu haben.
Quelle: ntv.de, Simina Mistreanu, AP