Wissen

Forschung mit Nierenzellen Dem Geschmack auf der Spur

Es könnte die Antwort auf das Cola-Light-Problem sein: Dass einige Menschen keinen Unterschied schmecken zwischen Diät- und gewöhnlicher Cola, "liegt wahrscheinlich an den Genen", sagt Wolfgang Meyerhof vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam.

Er leitet die Abteilung Molekulare Genetik, forscht unter anderem am menschlichen Geschmack. Künstliche Süßstoffe wie in Cola-Light, das haben die Potsdamer herausgefunden, werden von fast jedem Menschen anders wahrgenommen. Für die meisten schmecken die Süßmacher in hoher Dosis sogar bitter.

Eine Wissenschaftlerin in einem weißen Kittel bedient den "FLIPR". Diese Art "künstliche Zunge" hilft beim Test, welche Reaktionen bittere oder süße Stoffe im menschlichen Mund auslösen. In den 96 Löchern der Mikrotestplatte stecken menschliche Nierenzellen - denen die Forscher quasi das Schmecken lehren.

Sie sollen Andockstellen, sogenannte Rezeptoren, in ihre Zellmembran einbauen. Dockt einer der Bitterstoffe aus Kohl oder Artischocken an, reagiert die Zelle: ein kurzes Aufleuchten, mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen. "Aber je stärker der Lichtreflex, desto besser passen Stoff und Rezeptor zusammen", erklärt Wissenschaftlerin Gisela Olias.

Forschung mit großen Lücken

Auf die zentrale Frage, warum viele das Gesunde essen und das Ungesunde liegen lassen, haben die Ernährungsforscher noch keine endgültige Antwort gefunden. Immerhin haben sie aber als weltweit erste die 25 verschiedenen Rezeptoren für Bitterstoffe entdeckt. "Für Süßes dagegen gibt es nur einen einzigen", sagt Olias. Von den fünf Geschmacksrichtungen süß, sauer, bitter, salzig und umami (Glutamat- Geschmack) sind bislang erst drei genauer erforscht.

Warum der Mensch sauer oder salzig schmeckt, ist den Wissenschaftlern weiter ein Rätsel - das jetzt mit Froscheiern aufgeklärt werden soll. Als kleine, beige-braun gemusterte Kugeln liegt der Frosch-Kaviar in der Petrischale. Wenn ein saurer oder salziger Stoff mit den Eiern reagiert, messen die Wissenschaftler einen kleinen Stromfluss. Theoretisch könnte das auch auf der menschlichen Zunge passieren. In der Realität aber ist die Funktion dieser beiden Geschmacksqualitäten noch nicht bewiesen.

Verstärker für Salzgeschmack gesucht

Dabei könnte daraus nicht nur ein wissenschaftlicher Erfolg, sondern auch eine wichtige Erfindung resultieren. "Wir suchen nach einem Verstärker für den Salzgeschmack", erklärt Meyerhof. Dieser könnte Bluthochdruckpatienten helfen, denen salzarmes Diätessen nicht schmecke.

Speisen mit wenig Salz könnten wie gut gewürzt erscheinen, stellt Meyerhof sich vor. Ein anderes Projekt führte ihn und sein Team zurück bis in die Steinzeit. Denn schon damals hatten Menschen mit gutem Geschmackssinn einen entscheidenden Vorteil. "Pflanzliche Gifte schmecken oft bitter", erläutert Olias. Dieser Bittergeschmack könne einen Würgereflex auslösen, der Leben retten kann.

Was vor Jahrtausenden dafür sorgte, dass Steinzeitmenschen selten Giftpflanzen aßen, kann heute noch an Kleinkindern beobachtet werden. "Bittere Pillen oder Kaffee spucken die meisten sofort aus", sagt Olias. Im Laufe des Lebens aber werde die Empfindlichkeit abtrainiert - und Kaffee und Bier schmecken dann.

Quelle: ntv.de, Theresa Münch, dpa

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