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Symbiose mit Einzeller Herzmuscheln haben eine Art Glasfaser-Anschluss

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Schalen von Corculum-Muscheln, die von innen beleuchtet werden, um die transparenten Schalenfenster zu zeigen, die von kleinen Dreiecken (links) bis zu Streifen (rechts) reichen.

Schalen von Corculum-Muscheln, die von innen beleuchtet werden, um die transparenten Schalenfenster zu zeigen, die von kleinen Dreiecken (links) bis zu Streifen (rechts) reichen.

(Foto: Dakota McCoy)

Muscheln filtern Wasser nach Fressbarem durch. Für magere Zeiten haben manche Arten noch ein Ass im Ärmel: Licht nutzende Untermieter. Ihre Versorgung garantieren optische Wunderwerke der Natur.

Die in den Schalen bestimmter Herzmuscheln lebenden Einzeller werden Analysen zufolge über eine Art Glasfaserbündel mit Sonnenlicht versorgt. Es handle sich um die wohl ersten entdeckten Strukturen in einem Organismus überhaupt, die sich mit Glasfaserkabeln vergleichen lassen, berichtet ein US-Forschungsteam im Fachmagazin "Nature Communications".

Auf diesem Bild sind die transparenten Muschelfenster gut zu erkennen, die von kleinen Dreiecken über Streifen bis hin zu Mosaiken reichen.

Auf diesem Bild sind die transparenten Muschelfenster gut zu erkennen, die von kleinen Dreiecken über Streifen bis hin zu Mosaiken reichen.

(Foto: Dakota McCoy)

Die meisten Muscheln ernähren sich dadurch, dass sie Plankton und organische Reste aus dem Wasser filtern. Herzmuscheln aus der Gruppe Fraginae sowie Riesenmuscheln (Tridacninae) haben zusätzlich eine für beide Seiten vorteilhafte Partnerschaft mit Sonnenlicht nutzenden Einzellern entwickelt. Diese leben in den Muscheln gut geschützt - im Gegenzug liefern sie ihnen zusätzliche Nährstoffe. Symbiose wird eine solche Beziehung zu gegenseitigem Vorteil genannt.

Die algenähnlichen Einzeller, sogenannte Dinoflagellaten, sitzen in den harten, undurchsichtigen Schalen, brauchen aber Sonnenlicht, um Photosynthese zu betreiben und so sich und die Muscheln mit Nährstoffen zu versorgen. Riesenmuscheln öffnen ihre Schalen, um Licht hereinzulassen - dabei ist ihr weiches Inneres aber Raubtieren und der schädlichen ultravioletten Strahlung der Sonne (UV) ausgesetzt. Bestimmte Fraginae-Herzmuscheln hingegen halten ihre Schalen geschlossen - doch wie werden ihre Algen dann mit Licht versorgt?

Oberlicht mit Linse und Kabelbündel

Um das zu klären, analysierten die Forschenden um Dakota McCoy von der Duke University in Durham Fragmente von Schalen der zur Fraginae-Gruppe zählenden Art Corculum cardissa. Mit einem speziellen Gerät maßen sie, wie viel Licht verschiedener Wellenlängen durch die der Sonne zugewandte Seite der Schalen dringt.

Demnach gibt es in den Muschelschalen Fenster aus dem transparenten Mineral Aragonit, einer Form von Kalziumkarbonat. Sie projizieren das Licht auf Mikrolinsen im Inneren der Schale, die das Licht bündeln und filtern, wie die Forschungsgruppe erläutert. Dadurch werde die Menge an nützlichem Licht für die Einzeller optimiert und die an schädlichem UV-Licht verringert. Im Mittel werden den Analysen zufolge etwa 31 Prozent der photosynthetisch aktiven Strahlung und nur 14 Prozent der schädlichen UV-Strahlung an die nützlichen Untermieter übertragen.

Das Aragonit bildet innerhalb des jeweiligen Fensters schmale faserige Prismen senkrecht zur Oberfläche - also eine Art gebündeltes Glasfaserkabel, wie das Team um McCoy erläutert. Die langen Aragonit-Fasern mit etwa einem Mikrometer Durchmesser übertragen demnach mehr Licht als viele andere mögliche Konstruktionen. Solche faseroptischen Kabelbündel seien - soweit bekannt - noch nie zuvor in einem Organismus gefunden worden.

Inspiration für neue Materialien?

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Die Vermieter kümmern sich der Studie zufolge auch geradezu rührend darum, ihre nützlichen kleinen Gäste zu versorgen: Befinde sich eine solche Muschel im Schatten, bewege sie sich aktiv an eine sonnenbestrahlte Stelle. Und werde ihre der Sonne zugewandte Hälfte mit Sand oder Schlamm bedeckt, fege sie sie mit dem ausstülpbaren Fuß wieder sauber.

Womöglich gebe es auch bei anderen Muscheln sowie Korallen und Schwämmen mit symbiontischen Einzellern oder Algen besondere optische Anpassungen, mutmaßt das Team um McCoy. Solche Strukturen könnten die Entwicklung neuer Biomaterialien inspirieren, die die natürlichen Anpassungen für eine effiziente Lichtübertragung nachahmen, hoffen die Forschenden.

Quelle: ntv.de, Annett Stein, dpa

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