"Jupiter"-Spitzenplatz relativ Ist Deutschlands Superrechner jetzt schon abgehängt?
05.09.2025, 18:10 Uhr Artikel anhören
Bundeskanzler Merz bei der Einweihung von "Jupiter" in Jülich.
(Foto: picture alliance / Flashpic)
Auge in Auge mit Deutschlands Supercomputer gerät Kanzler Merz im nordrhein-westfälischen Jülich ins Schwärmen. Doch Zweifel an den Superlativen sind angebracht: Ist "Jupiter" vielleicht nur deshalb so potent, weil die USA und China ihre Rechner gar nicht erst fürs Ranking melden?
Als im Juni die neue Rangliste der 500 schnellsten Computer der Welt veröffentlicht wurde, war der Jubel in Deutschland groß. Der Supercomputer "Jupiter" im Forschungszentrum Jülich lag danach in der Weltrangliste auf Platz 4, hinter drei Rechnern in den USA. Zur offiziellen Inbetriebnahme kam deshalb Kanzler Friedrich Merz persönlich in die nordrhein-westfälische Provinz. Der Supercomputer läuft bereits und wird schrittweise mit immer neuen Recheneinheiten, sogenannten GPUs, ausgerüstet, was die Geschwindigkeit stetig erhöht.
Aber so eindrucksvoll die Rechenleistung von einer Trillion Aktionen pro Sekunde auch ist: Zweifel sind angebracht, ob "Jupiter" den Erfolg bringt bei der Aufholjagd zu China und den USA. Wenn Merz darauf verweist, dass sich mit "Jupiter" die Rechenleistung für Künstliche Intelligenz in Deutschland verzwanzigfacht hat, ist das vor allem eine Aussage über die gigantische Unterversorgung mit modernsten Rechenzentren. In den Atommächten China und den USA wird ein Vielfaches an Geld in Künstliche Intelligenz (KI) und Computerkapazitäten gesteckt.
Wirklich der viertschnellste Rechner der Welt?
Der Hinweis auf die Rangliste, nach der "Jupiter" der viertschnellste Rechner der Welt ist, ist trügerisch. In den USA melden große Firmen ihre KI-Rechner gar nicht mehr an für den internationalen Vergleich, um sich nicht in die Karten schauen zu lassen. In China geschieht dies ebenfalls nicht mehr, weil man vor der Welt verbergen will, wie weit man technologisch schon ist.
Laut dem unabhängigen Forschungsinstitut Epoch AI stehen heute Dreiviertel der sogenannten GPU-Einheiten in den USA, dann folgt China mit 15 Prozent. Die EU, aber auch Japan spielen eigentlich keine Rolle - ein Supercomputer alleine kann daran wenig ändern. Zumal man die Leistungsfähigkeit unterschiedlich messen kann. Laut Epoch-AI-Liste liegt "Jupiter" nur auf Platz 14. Nimmt man in diesem sich extrem schnell verändernden Bereich die bereits geplanten Investitionen für neue, noch stärkere Supercomputer hinzu, dann findet man "Jupiter" gerade einmal auf dem 66. Platz. Immerhin: Er wächst kontinuierlich weiter. Und EU-Kommissionsmitglied Ekaterina Sachariewa verweist darauf, dass "Jupiter" der energieeffizienteste Computer weltweit ist. Der gigantische Energiebedarf dieser Rechenzentren könnte künftig die eigentliche Bremse beim Ausbau weltweit werden.
Woher kommen die Chips?
Für die technologische Souveränität ist der Bau von extrem leistungsstarken Rechenzentren ein wichtiger Faktor. Es muss genug Rechenleistung geben, damit Firmen und wissenschaftliche Einrichtungen KI-Modelle überhaupt bauen können - der Zugang zu chinesischen Rechnern ist nicht wünschenswert und der zu US-Computern mit einem US-Präsidenten Trump auch nicht mehr sicher. Dabei sind solche Supercomputer künftig für die Produkt- und Waffenentwicklung ebenso wichtig wie für Wetteranalysen oder die Weltraumerforschung.
Das Problem: Alle brauchen besondere KI-Chips - und die stellt derzeit vor allem der US-Konzern Nvidia her. Angesichts der Eingriffe Trumps in den Handel mit Hochtechnologie ist die Frage, ob europäische Rechenzentren überhaupt ausreichend mit diesen Chips beliefert werden - und wenn "America first" gilt, auch wann. Mithalten könnte Europa also erst, wenn es wie die USA und China ebenfalls selbst über sehr leistungsfähige Chipproduzenten verfügen würde.
Wüst und Söder rangeln um die KI-Gigafactory
Besonders in Bayern dürfte man den Auftritt des aus NRW stammenden Merz in Jülich aufmerksam verfolgt haben. Denn längst ist hinter den Kulissen ein Kampf entbrannt, wo die nächste Generation von Rechenzentren, die von der EU mit Milliarden geförderte KI-Gigafactory, stehen soll - in NRW oder in Bayern. Merz betont, dass man "mindestens eines" dieser noch viel schnelleren Rechenzentren nach Deutschland holen wolle. Er hoffe, dass sich die verschiedenen Bewerber dafür vielleicht noch zusammenschließen, um bei der EU-Bewerbung den Zuschlag zu bekommen.
Sowohl NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst von der CDU als auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder von der CSU haben mit Wucht klargemacht, dass sie die Gigafactory unbedingt in ihrem eigenen Bundesland sehen wollen. Dem bayerischen Slogan "Lederhose und Laptop" hat Wüst nun "Von der Kohle zur KI" entgegengestellt. Weil "Jupiter" im nordrhein-westfälischen Jülich steht und dort die entsprechende Rechner-Infrastruktur vorhanden ist, macht er sich große Hoffnung, dass auch die KI-Factory ins bevölkerungsreichste Bundesland kommt.
Quelle: ntv.de, mau/rts