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SerotoninmangelKindstod bei Mäusen

05.07.2008, 13:34 Uhr

Der plötzliche Kindstod ist den Forschern in vielen Facetten noch immer rätselhaft. Den Verdacht, dass dabei der Gehirnbotenstoff Serotonin eine Schlüsselrolle spielt, erhärten nun neue Untersuchungen an Mäusen.

Beim plötzlichen Kindstod spielt wie bereits vermutet der Gehirnbotenstoff Serotonin eine Schlüsselrolle, wie Forscher jetzt zufällig bei Versuchen mit Mäusen entdeckt haben. Ist der Stoffwechsel dieses Moleküls in den Tieren gestört, sterben junge, augenscheinlich quicklebendige Mäuse mit einer ähnlichen Symptomatik wie die vom Kindstod betroffenen Kleinkinder: plötzlich und unerwartet im Schlaf, mit charakteristischen Schwankungen von Herzfrequenz und Körpertemperatur.

Die Forscher glauben zwar nicht, dass im Menschen die exakt gleichen physiologischen Vorgänge stattfinden. Das Mausmodell könne aber dazu dienen, die möglichen Ursachen für den plötzlichen Kindstod besser einzugrenzen, schreiben die Forscher um Enrica Audero vom European Molecular Biology Laboratory in Monterotondo im Fachmagazin "Science" (Bd. 321, S. 130).

Serotoninrezeptor manipuliert

Die Forscher manipulierten einen Serotoninrezeptor im Gehirn der Mäuse, so dass die Empfindlichkeit für den Botenstoff um rund 20 Prozent reduziert war. Mit Hilfe eines Antibiotikums konnten sie diesen Effekt zudem ein- und ausschalten. Eigentlich wollten die Forscher auf diese Weise Angstgefühle und depressives Verhalten bei den Mäusen studieren, da Serotonin auch für diese Emotionen verantwortlich ist. Überrascht waren sie, als viele körperlich fitte Mäuse gewissermaßen im Kleinkindalter plötzlich starben. Da der Botenstoff schon aufgrund früherer Untersuchungen im Verdacht steht, den plötzlichen Kindstod zumindest mitzuverursachen, untersuchten die Forscher die Mäuse gezielt weiter.

Im Vergleich zur menschlichen Entwicklung würde einem neugeborenen Baby ein 20 Tage altes Mäusejunges entsprechen. Ein einjähriges Kind käme einer 80 Tage alten Maus gleich. Als die Forscher den Serotoninmangel gezielt bei einem Mäusealter von 40 Tagen einschalteten, starben neun von zehn Mäusejungen daraufhin. Bei 60 Tage alten Mäusen starben nur noch drei von zehn.

Sehr kleines Zeitfenster

Der plötzliche Mäusetod tritt den Forschern zufolge also nur in einem schmalen Zeitfenster ein, genauso wie beim plötzlichen Kindstod von Babys. "Zunächst sahen die Mäuse ganz normal aus", sagt Cornelius Gross, einer der Mitautoren der Studie. "Dann erlitten sie aber vereinzelte und unvorhersehbare Einbrüche in Herzfrequenz und Körpertemperatur." Diese Körperreaktionen seien mitverantwortlich für den frühen Tod der Mäuse gewesen, vermuten die Mediziner.

Die Forscher sind noch unsicher, ob bei den Mäusen dieselben Mechanismen ablaufen wie beim Kleinkind. Sie hoffen jedoch, über das Mäusemodell mehr über den tödlichen Verlauf und Einflussfaktoren beim plötzlichen Kindstod herauszufinden. In Deutschland sterben jährlich rund 300 Säuglinge im Alter von bis zu einem Jahr am plötzlichen Kindstod. Die Ursachen sind nach wie vor weitgehend unbekannt.