Studie untersucht Beschwerden Long-Covid-Symptome auch ohne Infektion?
11.11.2021, 18:50 Uhr
Mehr als 4,4 Millionen gelten in Deutschland als genesen von Covid-19. Viele haben allerdings lange mit den Folgen zu kämpfen.
(Foto: picture alliance / empics)
Viele Menschen leiden noch Wochen nach einer durchgemachten Corona-Infektion an Symptomen wie Schlappheit oder Kurzatmigkeit. Long Covid nennt sich dieses Phänomen. Eine französische Studie zeigt nun, dass nicht nur Infizierte diese Beschwerden aufweisen können. Vorausgesetzt: Sie gehen davon aus, Covid-19 gehabt zu haben.
Von Müdigkeit über Geruchsstörungen bis hin zu Kurzatmigkeit und Depression: Die Langzeitfolgen einer Corona-Erkrankung sind vielfältig und halten oft über mehrere Wochen an. Etwa zehn Prozent der Patienten haben mit Long Covid zu kämpfen. Noch ist die Krankheit nicht vollumfänglich erforscht. Für die Betroffenen bedeutet es aber meist einen langen Leidensweg. Eine aktuelle Studie aus Frankreich findet nun allerdings heraus: Auch Menschen, die nachweislich gar keine Corona-Infektion durchgemacht haben, können unter Long-Covid-Symptomen leiden.
Für die Studie, die in der Fachzeitschrift "Jama Internal Medicine" erschienen ist, befragten die französischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler rund 28.800 Erwachsene, ob sie glauben, eine Corona-Infektion durchgemacht zu haben und ob sie körperliche Symptome hatten, die mindestens acht Wochen lang anhielten. Anschließend wurden alle Teilnehmer einem Antikörpertest unterzogen.
Das Ergebnis überrascht: 914 der Befragten gaben an, dass sie bereits an Covid-19 erkrankt waren und an Long-Covid-Syptomen litten. Ein Bluttest auf Antikörper bestätigte eine Infektion jedoch nur bei 453 Personen. So litten beispielsweise 13,8 Prozent der Personen, deren Annahme einer früheren Erkrankung durch ein positives Ergebnis im Antikörpertest bestätigt wurde, unter Abgeschlagenheit (Fatigue). Über dasselbe Symptom klagten jedoch auch 12,6 Prozent der Personen, bei denen der Antikörpertest die eigene Annahme einer früheren Erkrankung nicht bestätigte.
Ähnlich sah es bei weiteren typischen Symptomen wie Schlafprobleme, Muskelschmerzen, Muskelkater, Kopfschmerzen, Atembeschwerden oder Husten aus. Auch hier litt jeweils ein etwa gleichgroßer Teil der beiden Gruppen unter den gleichen körperlichen Symptomen. In der Kontrollgruppe der Menschen, die weder infiziert waren, noch dies annahmen, gaben nur zwischen ein bis drei Prozent an, solche Symptome gehabt zu haben.
Psychosomatische Ursache?
"Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass anhaltende körperliche Symptome nach einer Covid-19-Infektion nicht automatisch auf Sars-CoV-2 zurückgeführt werden sollten", resümieren die Studienautoren. Sie erklären dieses Phänomen damit, dass anhaltende körperliche Symptome eher mit der Überzeugung, mit Corona infiziert worden zu sein, als mit einer im Labor bestätigten Covid-19-Infektion zusammenhängen. Das deutet darauf hin, dass nicht das Virus im Körper für die langanhaltenden Symptome sorgt, sondern ein psychologischer Aspekt.
Dennoch: Die Symptome seien vorhanden, ob durch das Virus ausgelöst oder nicht, würde an dem Leidensdruck der Patienten nichts ändern, sagte Christoph Kleinschnitz, Direktor der Neurologie an der Uniklinik Essen, der "Bild"-Zeitung. Auch er und sein Team kamen in einer neurologischen Studie zu einem ähnlichen Ergebnis wie die französischen Kollegen. Trotz anhaltender Symptome und umfassender Diagnostik hätte sie bei den untersuchten Patienten keine neurologischen Befunde finden können.
"Nach aktuellem Kenntnisstand lassen sich die langfristigen Symptome eher auf eine psychosomatische Ursache zurückführen", so Kleinschnitz. "Unsere Aufgabe ist es deshalb, statt Panik zu schüren, den Patienten, deren Leidensdruck durchaus groß ist, die richtigen Angebote wie Psychotherapie zu machen, damit es ihnen langfristig wieder gut geht."
Unabhängig von einer psychosomatischen Ursache können auch andere Virusinfektionen der Auslöser für die "Long-Covid"-Symptome sein. Auch bei einer Grippe-Infektion oder einer Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus wurden bereits Erschöpfungszustände, die auch Monate nach der Infektion anhielten, dokumentiert.
Quelle: ntv.de, hny