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Ticken Menschen ähnlich? Pinkeln ist unter Schimpansen ansteckend

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Wenn einer muss, dann gehen andere auch - bei Schimpansen spielt dabei auch die soziale Rangfolge noch eine Rolle.

Wenn einer muss, dann gehen andere auch - bei Schimpansen spielt dabei auch die soziale Rangfolge noch eine Rolle.

(Foto: IMAGO/ingimage)

Wer pinkelt, pinkelt allein? Von wegen, zeigt eine Studie. Wenn Schimpansen in der Nähe einer Gruppe pinkeln, machen es ihnen Artgenossen nach. Das Verhalten scheint sozialen Regeln zu folgen. Die genauen Ursachen sind unklar - doch Forscher haben bereits eine Theorie.

Ein italienisches Sprichwort besagt: "Wer nicht in Gesellschaft pinkelt, ist entweder ein Dieb oder ein Spion." Auf diese Redensart verweist Ena Onishi, Forscherin an der Universität Kyoto, wenn es um ihre neuesten Erkenntnisse zum Urinieren bei Schimpansen geht. Damit will sie auf mögliche Parallelen zwischen dem Verhalten von Menschen und Menschenaffen aufmerksam machen. Bei Letzteren machten sie und ihr Team eine neue Beobachtung, die sie als "ansteckendes Urinieren" bezeichnen.

Die Forschenden beschreiben dieses Phänomen in einer Studie, die in der Fachzeitschrift "Current Biology" veröffentlicht wurde. Dafür hatten sie 20 Schimpansen beobachtet, die im Kumamoto Sanctuary in Japan leben. Es zeigt sich: Wenn ein Schimpanse pinkelt, folgen andere.

Evolutionäre Wurzeln?

"Beim Menschen kann das gemeinsame Urinieren als soziales Phänomen angesehen werden", sagt Onishi laut einer Mitteilung. "Dieses Verhalten wird in der Kunst über Jahrhunderte und Kulturen hinweg dargestellt und taucht auch in modernen sozialen Kontexten immer wieder auf." Ihre Forschung mit Schimpansen deute nun darauf hin, dass dieses Phänomen tiefgreifende evolutionäre Wurzeln haben könnte.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hatten festgestellt, dass Schimpansen, unsere nächsten Verwandten, dazu neigen, als Reaktion auf das Urinieren von einzelnen Tieren der Gruppe in der Nähe ebenfalls zu urinieren. Da es ihrer Ansicht nach an menschliches Verhalten erinnere, fragten die Forschenden sich, ob es mit ansteckendem Gähnen vergleichbar sein könnte.

Pinkelzeiten auffällig synchron

Um dies herauszufinden, dokumentierten sie das Pinkelverhalten der Schimpansen in Kumamoto. Dabei kamen mehr als 600 Stunden Beobachtungszeit zusammen, in denen mehr als 1300 Mal uriniert wurde. Das Team stellte fest, dass die Menschenaffen deutlich synchroner pinkeln gingen, als man erwarten würde, wenn sie einfach zu zufälligen Zeiten pinkeln würden. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Urinieren ansteckend ist, stieg auch mit der physischen Nähe zum ersten Tier, das sich erleichterte.

Auffällig war zudem, dass Individuen mit niedrigerem Dominanzrang eher dann pinkelten, wenn andere pinkelten. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Uriniermuster von der sozialen Hierarchie beeinflusst werden, wobei das Verhalten tendenziell "die Dominanzstruktur hinunterfließt", so die Forscher. Soziale Nähe hingegen war nicht der ausschlaggebende Faktor dafür, welcher Schimpanse einem anderen beim Pinkeln folgte.

"Unerwartetes Ergebnis"

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"Dies war ein unerwartetes und faszinierendes Ergebnis, da es mehrere Interpretationsmöglichkeiten eröffnet", fügt Shinya Yamamoto, ebenfalls von der Universität Kyoto, hinzu. "Zum Beispiel könnte es eine versteckte Führungsrolle bei der Synchronisierung von Gruppenaktivitäten, die Stärkung sozialer Bindungen oder eine Aufmerksamkeitsverzerrung bei rangniedrigeren Personen widerspiegeln."

Laut dem Forscherteam könnte das scheinbar banale Verhalten des gemeinsamen Urinierens große soziale Bedeutung haben - was den Zusammenhalt der Gruppe, die Koordination zwischen den Schimpansen und die Stärkung ihrer sozialen Bindungen betrifft. Allerdings seien weitere Studien notwendig, um die Mechanismen besser zu verstehen, die dem gemeinsamen Pinkeln zugrunde liegen.

Quelle: ntv.de, kst

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