"Tatort" aus Köln Wie man eine Familie am besten zerstört
17.03.2018, 13:55 Uhr
Kommissar Ballauf (Klaus J. Behrendt, r.) nimmt Matthes (Moritz Grove) hart ran.
(Foto: WDR/Thomas Kost)
Auch wenn manche von ihnen ein bisschen knorrig sind: Die Polizisten sind die Guten. Immer. Zwar sind die Ermittler auch in "Mitgehangen" nicht direkt böse, dafür aber unachtsam und ignorant - und das ist ja manchmal noch schlimmer.
Das Beruhigende am "Tatort" ist ja eigentlich, dass man meistens schon vorher ziemlich genau weiß, was man serviert bekommt: Die Dortmunder Ermittler liefern grandios gestrickte Horizontal-Thriller in bester US-Manier, aus Ludwigshafen kommen dafür trutschige Krimis, die vielleicht nicht so stark aus der Zeit gefallen wirken würden, schrieben wir noch die 90er. Bei den Kölner Langzeit-Kommissaren Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Schenk (Dietmar Bär) ist die Fallhöhe dagegen größer: Von absoluten Vollkatastrophen wie noch im Januar bis hin zu starken Milieu-Studien ist im Prinzip alles drin. Das ist zwar absolut gar nicht beruhigend, aber umso schöner, wenn wie bei "Mitgehangen" Letzteres der Fall ist.
Die Kommissare angeln aus dem Kofferraum eines in einem Kölner Baggersee versenkten Autos eine Leiche - stilecht mit einer Plastiktüte über dem Kopf, in der sich ein Aal verfangen hat und am Gesicht des Toten herumknabbert. So weit, so bäh, trotzdem ist die Identität des Ermordeten schnell geklärt: Der Mann war ein rumänischer Autoschrauber mit besten Kontakten in die Raser-Szene und außerdem Teilhaber einer Reifenfirma. Leiden konnte den Toten dort niemand, am allerwenigsten sein Partner Matthes (Moritz Grove), der von dem Mann am laufenden Band ausgenutzt wurde.
Voll auf die unangenehmen Details halten
Für Kommissar Ballauf, der sich lieber mit seiner wiederentdeckten Liebe für den Schwimmsport beschäftigen würde als ernsthaft an der Aufklärung des Falls mitzuwirken, steht schnell fest: Matthes ist der Mörder. Mit seiner vorschnellen Einschätzung reißt er die bis dato intakte Familie des Reifenhändlers an den Sollbruchstellen von wirtschaftlichen Problemen, gegenseitigem Misstrauen und öffentlicher Schmähung auseinander - mit dramatischen Konsequenzen.
Regisseur Sebastian Ko fängt die Sorgen und Nöte einer typischen Mittelstandsfamilie gekonnt ein, zeigt, wie labil unsere Beziehungsgeflechte sein können - und dass es dann manchmal nur einen Anschubser von außen braucht, um sie zu zerreißen. Dass es im Fall von "Mitgehangen" ausgerechnet die Polizei, dein Freund und Helfer, ist, die das Kartenhaus durch Unachtsamkeit, Lustlosigkeit und Verbohrtheit zum Einsturz bringt, ist ein mutiger Dreh, der die Verhältnisse in der echten Welt widerspiegelt - Polizisten sind eben auch nur Menschen.
Dazu passt, dass "Mitgehangen" die unangenehmen Details der Polizeiarbeit nicht elegant ausspart, sondern voll draufhält: Eine Hausdurchsuchung ist hier nicht einfach nur ein Wort, sie ist ein demütigender Prozess, in dem fremde Menschen in intimste Ecken vordringen und dort herumwühlen. Und wie entwürdigend ein Knastaufenthalt sein kann, wird bei Matthes' Inhaftierung deutlich. Der starke Gesamteindruck bekommt lediglich am Ende eine Delle, weil Drehbuchautor Johannes Rotter den Ermittlern ein Finale in den Plot geschrieben hat, das es vor allem Ballauf ermöglicht, doch noch seine weiße Weste zu behalten. Das wird dem brutal ehrlichen Rest dieses "Tatorts" nicht gerecht - mit ein bisschen mehr Mut hätte sich "Mitgehangen" noch tiefer ins Gedächtnis eingebrannt.
Quelle: ntv.de