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"Mosaik" feiert das 600. HeftDie Abrafaxe sind auch nach 50 Jahren nicht müde

22.11.2025, 16:48 Uhr MarkusMarkus Lippold
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Die Abrafaxe feiern ihren 50. Geburtstag und ihr 600. "Mosaik"-Heft: Califax, Abrax und Brabax (v.r.), mit ihrem neuen Begleiter Leo (l.). (Foto: Mosaik Steinchen für Steinchen Verlag)

Wohin geht's denn nun? Es ist eine Frage, die beim "Mosaik" streng gehütet wird, wenn ein neues Abenteuer ansteht. Wohin es ab Dezember geht, ist jetzt aber klar. Es ist ein Grund zum Feiern, denn es geht um Heft 600 - und das ist nicht das einzige Jubiläum.

Sie wurden aus der Not geboren, haben Wende und Wiedervereinigung knapp überlebt und sind doch zum Dauerbrenner geworden: die Abrafaxe. Im Januar 1976 erblickten die drei koboldartigen Wesen im Comic "Mosaik" das Licht der Welt. Doch sie feiern dieser Tage nicht nur ihren 50. Geburtstag, sondern auch das 600. Heft, das ab 26. November im Zeitschriftenhandel ausliegt.

600 Abenteuer haben die Abrafaxe in die verschiedensten Epochen und Länder geführt, sie hatten etliche Begleiter und genau so viele Schurken, deren Pläne sie bekämpften. Wegen dieser Vielfalt an Möglichkeiten wurde von Leserinnen und Lesern die Bekanntgabe eines neuen Reiseziels stets mit großer Spannung erwartet. Auch in dieser Woche war das so: Mit einer aufwändigen Präsentation feierten die "Mosaik"-Macher in der sächsischen Vertretung in Berlin nicht nur den Geburtstag von Abrax, Brabax und Califax, sondern auch die Enthüllung des Covers von Nummer 600, die den Start eines neuen großen Abenteuers markiert.

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Das Heft ist auch mit Anspielungen gespickt - rechts im Bild schauen die "Eltern" der Abrafaxe, Lothar Dräger und Lona Rietschel, aus dem Fenster. (Foto: Mosaik Steinchen für Steinchen Verlag)

Und wohin geht's nun? Die drei Helden reisen ins Prag des Jahres 1600, das unter Kaiser Rudolf II. zum Zentrum von Kunst und Wissenschaft wird. Im jüdischen Viertel der böhmischen Metropole begegnen sie dem Waisenjungen Leo, aber auch historischen Persönlichkeiten wie dem Astronomen Johannes Kepler und Rabbi Löw, der als Schöpfer des mythischen Golems Berühmtheit erlangte. Nicht zuletzt taucht auch der Erzfeind der Abrafaxe auf: Don Ferrando. Der finsteren Gestalt sind sie seit den 80er Jahren auf ihren Reisen immer wieder begegnet.

Alle Zutaten eines gelungenen Abenteuers

Die Abrafaxe, dazu ein junger Begleiter, ein Schurke mit bösen Absichten, eine beeindruckende Kulisse und historische Persönlichkeiten: Heft 600 hat alle Zutaten eines gelungenen Abenteuers. Mit diesem Erfolgsrezept ist das "Mosaik" eine Institution auf dem deutschen Comicmarkt geworden, es ist mit keiner anderen Serie vergleichbar. Nicht nur, weil die Abrafaxe als längster Fortsetzungscomic der Welt im Guinness-Buch der Rekorde stehen. Sondern auch, weil die Serie nach wie vor in Deutschland geschrieben, gezeichnet und produziert wird.

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Altbekannter Gegenspieler: Auch Don Ferrando taucht im neuen Abenteuer auf. (Foto: Mosaik Steinchen für Steinchen Verlag)

Die Berliner Lindenallee ist die Heimat von Redaktion und Verlag. Hier entsteht ein kleines Comicuniversum, das aus der Heftreihe besteht, dem Ableger "Anna, Bella & Caramella" mit drei weiblichen Hauptfiguren sowie etlichen Sonderalben und Sammelbänden. Selbst auf die Kinoleinwand haben es die Abrafaxe bereits geschafft.

Doch diese Erfolgsgeschichte ist älter als die Abrafaxe: Das "Mosaik" wurde bereits vor 70 Jahren, im Dezember 1955, von Hannes Hegen gegründet. Der vor 100 Jahren geborene Grafiker und Zeichner erfand auch die drei Hauptfiguren: die Digedags. Das Heft war ein Unikum im Pressesystem der DDR, weil es die einzige fortlaufende Comicserie war, und weil es in einem Privatunternehmen entstand. Hegen versuchte, so gut es ging, sich dem staatlichen Einfluss zu entziehen. Nicht immer gelang das, doch der Erfolg machte ihn nahezu unantastbar: Die Hefte waren äußerst begehrt und eigentlich nur als Bückware unter dem Ladentisch erhältlich. Nicht nur die Hauptfiguren, sondern auch Charaktere wie Ritter Runkel wurden zum Kult.

Das "Mosaik" war spannend und unterhaltsam erzählt - meist ohne sozialistisch-didaktischen Zeigefinger -, erfüllte aber auch den Traum von der weiten Welt: Die Digedags reisten ins antike Rom, ins Mittelalter, in den Wilden Westen und den Orient. Selbst in den Weltraum brachen sie auf: Der Planet Neos glich auf frappierende Weise der Welt des Kalten Krieges - in keiner anderen Reihe war der Einfluss der Propaganda so deutlich zu spüren. Bis Hegen 1975 genug hatte. Er schmiss hin und stellte den Verlag Junge Welt vor ein Problem: Der konnte zwar das "Mosaik" weiter herausbringen, aber ohne die beliebten Digedags, deren Rechte bei Hegen lagen.

Nicht mehr im Schatten der Digedags

Der langjährige Autor Lothar Dräger und Zeichnerin Lona Rietschel erfanden daraufhin die Abrafaxe - freilich nah dran an den Digedags. Und auch das Konzept blieb dasselbe: Die drei Helden erkundeten Länder und Epochen, bereisten noch zu DDR-Zeiten Europa, aber auch Nordafrika, den Nahen Osten, Indien, Japan und China. Dann kam die Wende und das "Mosaik", das inzwischen in einer Millionen-Auflage gedruckt wurde, stand kurz vor dem Aus. Es war der West-Berliner Werbefachmann Klaus Schleiter, der die Chance nutzte und Heft und Helden von der Treuhand übernahm. Seit 1991 erscheinen sie im Mosaik Steinchen für Steinchen Verlag.

Ein leichtes Erbe war das nicht. Die Abrafaxe standen zu DDR-Zeiten immer im Schatten der Digedags, deren Abenteuer exotischer, bunter, anarchischer wirkten. Nicht zuletzt nahm die Qualität der Abrafaxe-Abenteuer im Laufe der 80er Jahre ab. Doch das hat sich geändert. Im Steinchen für Steinchen Verlag werden heute schon mal die Augen gerollt, wenn die Sprache auf die Digedags kommt. Denn die Abrafaxe haben ihre Vorgänger längst überrundet, was Alter, Heftanzahl und Zeitreisen angeht: Auf 16 unterschiedliche Epochen bringen sie es laut Verlag. Die Abrafaxe sind nicht mehr die Lückenbüßer, sondern sie haben sich als feste Größe mit einer treuen Leserschaft etabliert.

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Das "Mosaik" hat seinen eigenen Stil gefunden, eine Mischung aus Abenteuer, Humor und Wissensvermittlung. Sie begegnen in ihren Abenteuern berühmten Wissenschaftlern wie Kepler, Gottfried Wilhelm Leibniz oder Isaac Newton. Und sie präsentieren im redaktionellen Mittelteil einfache Experimente zum Nachmachen und Hintergrundinformationen zu Geschichte und Kultur des bereisten Landes.

Und noch etwas hat das "Mosaik" für sich entdeckt: Regionalgeschichte. Zwar geht es weiterhin in entfernte Länder, ins alte China, in die USA der Prohibitionszeit oder nach Australien im Zeitalter der Entdeckungen. Doch vor allem in den vergangenen 15 Jahren sind die Abrafaxe regelmäßig nach Deutschland zurückgekehrt. Im Kaiserreich des Hochmittelalters, zur Zeit Martin Luthers oder während der Blüte der Hanse im 15. Jahrhundert bringen die Helden ihren jungen Leserinnen und Lesern verschiedene deutsche Regionen nahe. Dieser Ansatz ist einzigartig in Comic-Deutschland.

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Das "Mosaik"-Team arbeitet im Berliner Westend. (Foto: Mosaik Steinchen für Steinchen Verlag)

Besonders bemerkenswert war das im zu Ende gehenden Jubiläumsjahr: Statt die Abrafaxe auf eine längere Reise zu schicken, ließen die "Mosaik"-Macher sie in einem künstlerischen Kraftakt in jedem Monat ein neues Abenteuer in einer anderen Epoche erleben. Sie trafen Till Eulenspiegel und Bertha Benz, Otto Lilienthal und Wilhelm Conrad Röntgen. In einem besonders gelungenen Heft ging es um die Himmelsscheibe von Nebra.

Nicht selten durchreisen Abrax, Brabax und Califax in ihren Abenteuern ostdeutsche Städte und Regionen mit ihrer reichen Vergangenheit: Wittenberg und Stralsund, Magdeburg oder Halberstadt. Denn zwischen Rügen und Vogtland hat das "Mosaik" mit seiner DDR-Vergangenheit nach wie vor sein größtes Publikum. Oft werden Hefte und Abos hier in der Familie weitergereicht. Vielleicht ist das auch nach 50 Jahren die längste Reise, das größte Abenteuer, das die Abrafaxe bestehen: immer wieder neue junge Menschen zu begeistern.

Quelle: ntv.de

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