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"In den Wäldern der Biber" Von der heilenden Kraft der Uckermark

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Was ist wirklich wichtig? Darüber kann man schon mal ins Grübeln kommen.

(Foto: IMAGO/Dieter Mendzigall)

In einer Lebenskrise zieht es eine junge Frau in das Dorf ihrer Großeltern. Im Gepäck hat sie nur wenig Kleidung, dafür ihre ganz großen Lebensfragen. In der Uckermark, wo das Dorf liegt, beginnt die Suche nach Antworten.

Alina hat ein wohlgeordnetes Leben in Frankfurt, mit einem gut dotierten, wenn auch unbefriedigenden Job, ihrem vermutlich zukünftigen Mann und zwei Wellensittichen. Doch dann kommt es zu einem Riesenkrach mit Fabian und das Leben in Frankfurt ist zu Ende. Aus einer Laune heraus setzt sie sich in den Zug. Das Ziel ist aus unerfindlichen Gründen das Dorf, in dem sie ihre Kindheitsferien verbracht hat und in dem ihr Großvater Siegfried hoffentlich noch immer lebt: Spechthausen in der Uckermark.

"Die Stille stammt aus einer anderen Zeit. Genervt schüttele ich den Kopf über meine wirren Gedanken, lasse den Blick schweifen und versuche Orientierung zu gewinnen. Ich war so oft hier. Wann das letzte Mal? Mit elf? Oder zwölf? Auf jeden Fall ist es fast zwanzig Jahre her, natürlich erkenne ich kaum etwas wieder." Aus: "In den Wäldern der Biber"

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In den Wäldern der Biber
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Selbst in den sandigen Weiten Brandenburgs ist die Zeit weitergegangen. Die Großmutter ist tot, der Großvater lebt in einem anderen Haus und ist deutlich älter geworden. Unaufgeregt nimmt er die Enkeltochter auf, die sich zuvor viele Jahre nicht gemeldet hatte. Schon bald wird klar, die Verhältnisse sind etwas kompliziert. Alinas Vater ist gestorben, als sie ein Kind war. Die Mutter hat erneut geheiratet. Aber die Eltern des toten Vaters waren eine ständige schmerzhafte Erinnerung an das Verlorene und irgendwie auch der neuen Familie im Weg, also brach der Kontakt ab. Geblieben sind verschwommene Erinnerungen an lange Sommertage, schwimmen und lesen und ein seltsames Unverständnis, wie all das so einfach verloren gehen konnte.

Fremdes Leben

Gebeutelt von ihrer Lebenskrise verkriecht sich Alina dort, wo inzwischen hippe Berliner jedes Fleckchen nach einem urigen Wochenendhäuschen abgegrast haben. Zunächst schläft sie viel, in den wachen Minuten schaut sie verwundert auf das Leben, das ihr vor kurzem noch so selbstverständlich vorkam und nun von Tag zu Tag absurder erscheint. Weder der Job noch der Mann machen rückblickend irgendeinen Sinn.

"Eine Weile habe ich darauf gewartet, Fabians Nähe zu vermissen, die Berührung seiner Hand unter der Bettdecke, seinen Kuss vor dem Einschlafen, doch nichts davon geschah und erst diese Erkenntnis, dass er mir einfach nicht fehlt, weckte eine Traurigkeit in mir, die viel älter ist als unsere Beziehung." Aus: "In den Wäldern der Biber"

Als sie langsam wieder auftaucht, stellt sie fest, dass in Siegfrieds früherem Haus die Geschwister Isabel und Elias zusammen mit Isabels Tochter leben. Die alten Ferienfreunde hatte Alina komplett vergessen, wie so vieles, das mit Spechthausen zu tun hat. Nun sind sie die Verbindung zu einem Teil ihres Lebens, der erst langsam wieder zugänglich wird. Je mehr ihr Tatendrang zurückkehrt, desto deutlicher wird, dass ihr Großvater nicht mehr lange allein zurechtkommen wird, dass die familiären Bindungen zu den Eltern des Vaters nicht zufällig abgerissen sind und dass Alina keine wirkliche Idee hat, wie sie jetzt weitermachen soll.

Kinder und Karriere

So leicht, wie sie Fabian und die Beziehung zu ihm loslassen kann, so deutlich wird ihr, dass sie bei der Frage nach ihrem Kinderwunsch längst hätte Klartext reden müssen. Sie hat keinen, sie will keine Kinder. Ihr Patenkind, die Tochter ihrer besten Freundin, findet sie großartig, ebenso wie Isabels Tochter Mia. Aber eigene Kinder, nein, danke. Ob sich das je ändern wird, sie weiß es nicht.

"Vielleicht fehlt mir einfach so ein Mutter-Gen. Die Vorstellung, meinen gesamten Tagesablauf nicht nur durch die Arbeit, sondern zusätzlich durch ein kleines Wesen, das von mir abhängig ist, bestimmen zu lassen, jagt mit Angst ein. Die Geburt jagt mir Angst ein, nicht mehr ich selbst sein zu können, jagt mir Angst ein, viele Dinge nicht mehr tun zu können, jagt mir Angst ein, ein Kind eventuell zu verlieren, jagt mir Angst ein, dass es unglücklich oder krank sein könnte, jagt mir Angst ein." Aus: "In den Wäldern der Biber"

Ähnlich geht es ihr mit dem Job. Alina ist studierte Ökologin, hat aber zuletzt in einer Eventagentur gearbeitet, Mitarbeiterevents, Firmenempfänge und Teambuildingveranstaltungen organisiert. Die Tage waren lang, immer hing sie am Handy. Nicht gerade das, was sie sich im Biologie-Studium vorgestellt hatte. Im üppigen Garten des Großvaters oder bei seinen Biber-Wanderungen fühlt sich das alles sehr weit weg an.

Alina kümmert sich um ein paar Reparaturarbeiten an Siegfrieds Haus, trifft Isabel und immer öfter Elias. Sie befragt ihren Großvater, ihre Mutter und sich selbst zu den Verlusten ihres Lebens und langsam wächst die Ahnung, dass ihre Zukunft in Spechthausen liegen könnte.

Es geht immer weiter

"In den Wäldern der Biber" von Franziska Fischer ist ein echtes Sommerbuch. Es erinnert an die heißen Kindheitssommer und an die herrliche Sorglosigkeit langer Tage, in denen Karriere- oder Familienpläne so gar keine Rolle spielten. Fischer, geboren in Berlin, lebt nach mehreren Jahren im Ausland inzwischen in Eberswalde. Wenn Isabel dort in einem Bekleidungsgeschäft jobbt und Elias einen Foodtruck plant, dann spürt man die Nähe der Autorin zur Landschaft des Buches, ebenso wie wenn der pensionierte Forstbotaniker Siegfried über die Lebensweise des Bibers ins Schwärmen gerät.

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Den immer wieder nachdenklichen Ton des Buches liest Charlotte Puder mit entspannter Freundlichkeit. Manchmal schleicht sich etwas Raues, Kratziges in ihre Stimme, was dem Text guttut, der manchmal vor lauter Idylle und lebendiger Schilderung ins Kitschige abzugleiten droht. Während man den gut neun Stunden zuhört, fügen sich auch die verschiedenen Ebenen des Buches etwas gnädiger zusammen. Die Frage nach der Freiheit beim Kinderwunsch und den Konsequenzen für Beziehungen, die Familiengeschichte, die Sinnkrisen von Menschen in ihren 30ern, das alles inspiriert von "natural writing", beim Lesen ist das fast zu viel. Im Hören folgt man Alina einfach, lässt sie reden, denken und sein.

Am Ende ist Weihnachten, Alina, Siegfried, Isabel, Mia und Elias leben miteinander. Jedenfalls erstmal.

Quelle: ntv.de

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