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"Bedrohung durch Drohnen" General Schütt macht große Defizite in der Bundeswehr aus

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Bundeswehrsoldaten der Flugabwehrraketengruppe üben den Einsatz eines Störsenders zum Ausschalten von Flugdrohnen.

Bundeswehrsoldaten der Flugabwehrraketengruppe üben den Einsatz eines Störsenders zum Ausschalten von Flugdrohnen.

(Foto: picture alliance/dpa)

In der Folge des Ukraine-Krieges muss sich die Bundeswehr neu ausrichten. Ins Aufgabenportfolio rückt für die Truppe neben der Analyse von Schwachstellen feindlicher Ziele besonders der Kampf gegen Drohnen. Der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos bezeichnet dies als Problem für die Bundeswehr.

Der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr, Bernd Schütt, sieht eine deutlich gewachsene Bedrohung durch Drohnen und macht in der Bundeswehr Defizite vor allem bei der Bekämpfung unbemannter Systeme aus. "Dinge, die durch die Luft fliegen, die durchs Wasser fahren oder die sich auf dem Boden bewegen, ferngesteuert mit entsprechenden Wirkungsmitteln ausgestattet. Da gibt es Handlungsbedarf in Bezug auf Anpassung der eigenen Einsatzgrundsätze und in Bezug auf Beschaffung", sagte der General. Und: "Das muss jetzt schnell gehen. Für mich sind die zentralen Felder in dem Zusammenhang Flug- und Drohnenabwehr sowie der Einsatz eigener Drohnen."

Das Einsatzführungskommando der Bundeswehr hat seinen Sitz in der Henning-von-Tresckow-Kaserne in Schwielowsee bei Potsdam. Die Bundeswehr befindet sich wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sowie nach dem Ende der großen Auslandseinsätze in Afghanistan und Mali inmitten einer Neuausrichtung. Die Verteidigung Deutschlands und der NATO-Partner ist die alte und neue Hauptaufgabe. Es gilt nun, im Einzelfall nach Interessenlage und verfügbaren militärischen Fähigkeiten politisch abzuwägen, wo sich die Bundeswehr engagiert.

Zuletzt waren Warnungen lauter geworden, Russland könne schon in den kommenden Jahren bereit für eine Konfrontation mit einem NATO-Land sein. Schütt warnt: "Ich bin definitiv kein Freund davon, in Bezug auf die Bedrohung von selbstgesetzten Zeitlinien auszugehen, von denen man glaubt, dass der Gegner vorher nicht agieren kann." So zu denken, sei kaum möglich.

Wir müssen immer mit "strategischen Überraschungen rechnen. Darauf müssen wir uns strukturell, materiell, personell und verfahrenstechnisch anpassen." Der Balkan gilt als eine Region, in der die NATO herausgefordert werden könnte. Das Bündnis hat dort eine besondere Verantwortung übernommen, ohne dass Staaten wie das Kosovo oder Bosnien-Herzegowina der NATO angehören. Ein Angriff oder Aufflammen von Kampfhandlungen könnte aber Bindungskräfte des Westens herausfordern.

Zugespitzte Lage im Kosovo

"Die Lage im Kosovo hat sich im letzten Jahr deutlich zugespitzt. Jetzt gerade ist es wieder ruhiger, aber alle wissen, dass es unter der Oberfläche gärt", sagte Schütt. "Alle wissen, KFOR ist eine NATO-Mission, also ist die NATO gefordert. Die Frage, wie weit es uns gelingt, den westlichen Balkan zu stabilisieren, ist eine ganz zentrale Frage auch in Bezug auf die Glaubwürdigkeit der NATO."

Das Einsatzführungskommando hat für Aufgaben in der Landes- und Bündnisverteidigung im vergangenen Jahr bereits einige Änderungen vollzogen und setzt diese nun auch für die Spezialkräfte und andere Bereiche um. "Der Punkt, dass man vorbereitet sein muss, ist ein valider. Dazu üben und erproben wir auch, wie die Truppe in einem solchen Fall national zu führen ist", sagte Schütt. Zum Aufgabenportfolio gehört - wie bei anderen Streitkräften - nun auch wieder das sogenannte "targeting", bei dem mögliche feindliche Ziele gesammelt und auf eine Bekämpfung hin analysiert werden.

Landesverteidigung in internationaler Orientierung

Zudem warnte Schütt vor einem weiter zunehmenden militärischen Einfluss Russlands in afrikanischen Staaten. Dies zeige, dass internationales Krisenmanagement und die Landes- und Bündnisverteidigung verknüpft seien, sagte der Generalleutnant. "Die Notwendigkeit, beides gleichzeitig militärisch bewältigen zu können, ist eine zentrale Herausforderung, nicht nur für die deutschen Streitkräfte. Eine reine Fokussierung auf die Landes- und Bündnisverteidigung nach dem Motto, das Hemd ist näher als die Hose, wird nicht funktionieren."

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"Dabei spielen neben bündnispolitischen natürlich auch geopolitische Fragen eine wesentliche Rolle. Da geht es unter anderem um den Zugang zu Weltmärkten und Rohstoffen, um nutzbare Verkehrswege und Freiheit der Meere etc.", sagte Schütt. "Das werden wir nicht ausblenden können." Nach den Militärputschen der vergangenen Jahre in Westafrika hat Russland seinen Einfluss Schritt für Schritt ausgebaut und dabei das Engagement westlicher und europäischer Staaten abgelöst.

Die russische Präsenz bildet einen Landgürtel, der sich nahezu vom Atlantik bis hin zum Roten Meer ziehen könnte. "Russland ist militärisch in Burkina Faso und in Mali aktiv. In Niger gibt es Anzeichen für eine beginnende militärische Kooperation", sagte Schütt. "Im Tschad finden Treffen auf politischer Ebene statt. Im Sudan wissen wir noch nicht genau, wie es sich entwickelt. In Libyen sind seit 2016 russische Kräfte aktiv."

Russland füllt Lücken in Afrika

Die übergeordnete russische Intention ist nach seiner Auffassung "ein Füllen von sicherheitspolitisch relevanten Lücken". Schütt sagte: "Dabei geht es nicht darum, die Lage mit einem großen Schlag umzubrechen, sondern stetig zum eigenen Vorteil zu verändern und westlichen Einfluss zurückzudrängen. Dazu nutzt Russland unverzüglich und gezielt das entsprechende Vakuum."

Dabei sei das militärische Engagement Russlands nicht auf Nachhaltigkeit im westlichen Sinne angelegt, sondern ziele exakt auf eine in den Ländern wahrgenommene Lücke westlichen Engagements. "Was braucht ihr? Ausrüstung? Wird zeitnah geliefert. Kinetische Unterstützung? Wird ohne besondere Auflagen gewährt. Berater? Werden unbürokratisch entsandt. Da ist keine Rede von vernetztem Ansatz und Staatenbildung im westlichen Sinne, die findet so mit Russland nicht statt", sagte der General. Für Deutschland und seine Partner bleibe aus militärischer Sicht eine "Abstützung in der Region" wichtig, wenn es um Aufgaben wie eine im Falle einer Evakuierung eigener Staatsbürger gehe.

Quelle: ntv.de, gut/dpa

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