Politik

Dürren befeuern den Konflikt In Mali verliert die Bundeswehr gegen den Klimawandel

Seit acht Jahren ist die Bundeswehr in Mali im Einsatz.

Seit acht Jahren ist die Bundeswehr in Mali im Einsatz.

(Foto: picture alliance/dpa)

Mali gilt als der gefährlichste Einsatz der Bundeswehr - seit 2013 ist sie als Teil der UN-Mission dort. Doch die jüngsten Angriffe auf Bundeswehrsoldaten zeigen: Die Stabilität in dem Land ist noch nicht gesichert. Das mag daran liegen, dass eine Ursache des Konflikts im Klimawandel liegt.

Syrien ist wohl das bekannteste Beispiel: Dürren und Ernteausfälle zwangen die Menschen, aus den ländlichen Gebieten in die Städte zu ziehen. Armut und Ressourcenmangel in den nun überfüllten Städten trugen zu bestehenden sozialen Spannungen bei - und damit letztlich zum Ausbruch des Krieges. Das ist nicht das einzige Beispiel und es wird auch nicht das letzte sein. Der Klimawandel verschärft Konflikte. Und er steht bereits im Mittelpunkt eines Einsatzes der Bundeswehr in Mali.

Seit acht Jahren ist die Bundeswehr in Mali im Einsatz. Mit 13.000 Blauhelmsoldaten und fast 2000 Polizisten soll die UN-Mission "Minusma" dazu beitragen, die politische Stabilität in dem westafrikanischen Land zu sichern. Nach dem inzwischen beendeten Afghanistan-Einsatz ist die Mali-Mission der zweitteuerste Einsatz der Bundeswehr - 2019 wurden im Jahresbericht des Verteidigungsministeriums Kosten von 286 Millionen Euro genannt. Und: Er gilt als der gefährlichste Einsatz der Bundeswehr. Der Angriff auf die deutschen Streitkräfte im Juni dieses Jahres zeigte, was viele bereits vermutet hatten: Ein knappes Jahrzehnt scheint die Stabilität im Land nicht wesentlich vorangebracht zu haben. Das könnte daran liegen, dass das UN-Mandat nur die Symptome bekämpft und nicht die Ursache des Konflikts.

Wie in Syrien spielt der Klimawandel eine wichtige Rolle dabei, den Konflikt zu befeuern. Mali ist längst nicht der einzige UN-Einsatz, bei dem das so ist. Untersuchungen des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI zeigen, dass zehn der 21 laufenden UN-Friedensmissionen in Ländern stattfinden, die besonders anfällig für Folgen des Klimawandels sind. Außerdem befinden sich sechs der größten Einsätze in Ländern, die durch den Klimawandel besonders gefährdet sind - 80 Prozent der UN-Truppen sind in diesen Ländern stationiert. Die Forscher der Studie sehen den Klimawandel als einen der Hauptfaktoren für diese Kriege und Konflikte.

Mali und die Sahel-Zone: Eine Klimakatastrophe

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In Mali sind die Auswirkungen besonders stark zu spüren, denn der Klimawandel hat das Land bereits hart getroffen: Seit 1960 ist die jährliche Durchschnittstemperatur in Mali um 0,7 Grad gestiegen. Zwischen 2000 und 2009 gab es 12 Prozent weniger Niederschlag als im vorigen Jahrhundert. Größere "Jahrhundertkrisen" wie Dürren oder Überschwemmungen sind in 20 Jahren fünf Mal aufgetreten. Untersuchungen zeigen, dass die Temperaturen in den nächsten 40 Jahren um bis zu 3,6 Grad ansteigen könnten. Hitzewellen werden länger andauern, Kälteperioden kürzer sein. Ohnehin gilt die Sahel-Zone, in der Mali liegt, als eine der durch den Klimawandel am stärksten gefährdeten Regionen der Welt.

Dürren und Überschwemmungen sind für jedes Land fatal - in Deutschland werden die Folgen des Hochwassers im Ahrtal noch jahrelang zu spüren sein. Doch in Mali beeinträchtigen solche Ereignisse die tägliche Lebensgrundlage vieler Menschen. Rund 35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts werden in der Landwirtschaft erwirtschaftet. 80 Prozent der Erwerbstätigen sind in diesem Sektor beschäftigt. Kommen die Regenfälle zu früh oder zu spät, gibt es in einem Jahr eine Dürre und im nächsten eine Überschwemmung. All dies wirkt sich auf das tägliche Leben der Landwirte und Wanderhirten in Mali aus.

Dies allein führt schon zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten für einen großen Teil der Bevölkerung. Aber Ernteausfälle führen nicht zwangsläufig zu Konflikten. Auch in Syrien waren die Dürreperioden nicht allein für den Krieg verantwortlich. Es gab auch eine große politische Unzufriedenheit - das Regime in Syrien nahm die Sorgen seiner Bürger nicht ernst. In Mali dagegen zwingen Dürren, Überschwemmungen und Temperaturschwankungen die Wanderhirten, ihre bisherigen Wanderrouten zu ändern. Sie kommen also mit Bauern in Kontakt, die ihre Ressourcen bislang nicht teilen mussten. "Und das führt zu Konflikten", sagt Farah Hegazi, Wissenschaftlerin am SIPRI.

Klimawandel und Extremismus

Was für die malischen Bauern eine schwindende Lebensgrundlage bedeuten kann, spielt extremistischen Gruppen in die Hände. Vor allem der Norden Malis diente Terroristen aus Libyen und Algerien lange als Rückzugsgebiet. Viel wichtiger für die Ausbreitung dieser Gruppen war jedoch die Unzufriedenheit der Menschen vor Ort. Und die hängt eng mit den Folgen des Klimawandels zusammen.

Mali ist eines der ärmsten Länder der Welt. Die Arbeitslosigkeit und die Armutsquote, insbesondere unter jungen Menschen, sind sehr hoch. Ein Viertel der Familien hat keinen gesicherten Zugang zu Nahrungsmitteln. Hinzu kommt das schnelle Bevölkerungswachstum: Jedes Jahr nimmt die malische Bevölkerung um drei Prozent zu. Nicht nur der Klimawandel führe zu einem Ressourcenmangel, auch das starke Bevölkerungswachstum führt zu einer Verknappung wichtiger Ressourcen wie Boden, so Hegazi.

Und das wiederum übt Druck auf den größten Wirtschaftszweig aus: die Landwirtschaft. Also suchen die Menschen eine Alternative. "Wenn die Menschen kein Einkommen haben, schließen sie sich leichter bewaffneten Gruppen an", sagt Hegazi. "Das ist eine Einkommensquelle für sie."

Der Krieg in Mali ist also ein komplexer, nicht nur durch den Klimawandel beeinflusster Konflikt. "Es wäre falsch, von einem Klimakrieg zu sprechen", sagt Hegazi. "Was wir aber schon sagen können: Der Klimawandel verschlimmert die Situation."

Gibt es schon Klimakriege?

Dass der Klimawandel Konflikte verstärken kann, ist in der Forschung unbestritten. Alexander De Juan, Professor für vergleichende Politikwissenschaften an der Universität Osnabrück, hat untersucht, wie Umweltbedingungen Konflikte beeinflussen. Sein Ergebnis: Es gibt einen klaren Zusammenhang zwischen der Wahrscheinlichkeit und Intensität von Gewaltausbrüchen und der Verfügbarkeit von Wasser und fruchtbarem Land. Auch der Weltklimarat IPCC schreibt in seinem jüngsten Bericht, dass der Klimawandel den Kampf um schwindende Ressourcen verschärfen wird.

Ob man von "Klimakriegen" sprechen kann, ist umstritten. Denn oft, wie in Mali und auch in Syrien, gibt es keinen direkten Zusammenhang zwischen den Folgen des Klimawandels und dem Konflikt. Es gibt viele Zwischenschritte wie Migration oder politische Unzufriedenheit, die ebenfalls zur Kriegsursache beitragen.

Klar ist allerdings: Die Bundeswehr investiert derzeit Hunderte Millionen Euro in die Stabilität eines Landes, das vom Klimawandel stark betroffen ist und in Zukunft noch stärker betroffen sein wird. Das UN-Mandat sieht die Bekämpfung des Klimawandels zwar als wichtigen Aspekt der Arbeit vor Ort an, doch werden die malische Regierung und die Vereinten Nationen lediglich dazu aufgerufen, "Strategien der Bewertung und des Managements der Risiken" im Zusammenhang mit dem Klimawandel zu entwickeln. "Die Ziele des Mandats sind klar formuliert", sagt Hegazi. "Der Kampf gegen die Folgen des Klimawandels gehört überhaupt nicht dazu." Und das, so die Forscherin, müsse sich in Zukunft ändern.

Quelle: ntv.de

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