Schwere Waffen für die Ukraine Diese Panzer könnte Deutschland liefern
29.04.2022, 10:31 Uhr
Die polnische Armee verfügt bereits über den deutschen "Leopard 2"-Panzer. Die ukrainische bald auch?
(Foto: picture alliance / NurPhoto)
Auch Deutschland will der Ukraine jetzt schwere Waffen liefern. Als Erstes bereitet die Rüstungsindustrie den Flugabwehrpanzer "Gepard" für den Einsatz gegen Russland vor. Nach dem deutlichen Bundestags-Votum sind weitere Panzer und Haubitzen im Gespräch.
Lange hat Deutschland gezögert, in dieser Woche gab es doch grünes Licht: Die Ukraine soll schwere Waffen bekommen. Noch bevor sich der Bundestag mit großer Mehrheit für die Lieferung schwerer Waffen aussprach, hatte Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht bereits die Freigabe von "Gepard"-Flugabwehrpanzern bekannt gegeben. "Das ist genau das, was die Ukraine braucht, um vom Boden aus den Luftraum zu sichern", sagte die SPD-Politikerin am Dienstag am Rande eines Waffengipfels auf der US-amerikanischen Militärbasis Ramstein in Rheinland-Pfalz.
Der "Gepard" ist die erste schwere Waffe, die direkt aus Deutschland in die Ukraine geliefert werden soll. Aber nicht aus Bundeswehr-, sondern aus Industriebeständen. Der Rüstungshersteller Krauss-Maffei Wegmann verfügt über eine mittlere zweistellige Zahl technisch aufgearbeiteter "Geparden" aus früheren Bundeswehr-Beständen, die er nach der Ausmusterung durch die Bundeswehr modernisiert hat.
"Gepard" kann Kampfjets und Helikopter abschießen
Der etwa 48 Tonnen schwere "Gepard" kann vom Boden aus alles angreifen, was fliegt: Kampfjets, Hubschrauber, Drohnen oder Raketen. Ausgestattet ist der Flugabwehrpanzer mit zwei radargesteuerten Maschinenkanonen im Kaliber 35 Millimeter. Die Radarsensoren sollen bei Tag und Nacht Ziele in bis zu 15 Kilometern Entfernung erfassen können, die Reichweite der Schnellfeuerkanonen liegt aber nur bei rund 6 Kilometern. Der "Gepard" sei kein klassischer Panzer, sondern ein Flugabwehrsystem, hat Militärexperte Thomas Wiegold bei ntv erklärt. "Das sind Flugabwehrkanonen, montiert auf einem gepanzerten Fahrzeug. Dieses System ist dafür da, Flugzeuge und Hubschrauber abzuschießen. Es soll auch gegen Drohnen eingesetzt werden können."
Der Geschützturm und die Kanonen können in alle Richtungen gedreht werden und zur Not auch Ziele am Boden angreifen. Dafür sind sie zwar nicht ausgelegt, aber für gegnerische Schützenpanzer mit spezieller panzerbrechender Munition ausgestattet. Die Spitzengeschwindigkeit des "Gepard" liegt bei 65 Kilometern pro Stunde. Mit vollem Tank können sie rund 550 Kilometer weit fahren.
Die Bundeswehr habe den "Gepard" 2011 aus Kostengründen ausrangiert, erklärt Experte Wiegold. "Diese Flugabwehrgeschütze wurden an Brasilien und Katar verkauft. In der NATO sind sie auch in Rumänien im Einsatz, insbesondere zum Schutz von Fahrzeugkonvois vor möglichen Luftangriffen."
Munition für "Gepard" fehlt
Das Problem ist aber, dass die Bundeswehr nicht nur den "Gepard" an sich ausgemustert hat, sondern auch die dazugehörige Munition. Die Bundesregierung muss daher im Ausland geeignete Bestände aufkaufen. Unter anderem Brasilien, Katar und Rumänien sollen entsprechende Anfragen erhalten haben. Ansonsten könne die Ukraine mit dem "Gepard" überhaupt nichts anfangen, kritisierte Botschafter Andrij Melnyk bei ntv.
"Die Munition für diese Flugabwehrsysteme kommt zum Teil aus der Schweiz. Und die Schweiz hat in den vergangenen Tagen deutlich gemacht, dass sie ihre Neutralität sehr ernst nimmt und keine Munition freigibt, die an die Ukraine gehen soll", erklärt Wiegold. Der Militärexperte ist dennoch optimistisch: Es handele sich um eine "gängige Munitionsgröße, die auf dem Weltmarkt zu bekommen sein wird. Daran wird es nicht scheitern."
Schon eher an der Ausbildung, denn die ukrainischen Panzergrenadiere müssten in jedem Fall für den "Gepard" geschult werden, merkt Wiegold an. Nicht, um den Luftabwehrpanzer zu fahren, sondern um die Radarerfassungssysteme bedienen zu können.
Industrie will 100 "Marder" liefern
Gleiches gilt für den "Marder". Dieser steht auf der ukrainischen Wunschliste für deutsche Waffenlieferungen. Der Schützenpanzer wird seit den 1960er Jahren vom Düsseldorfer Rüstungshersteller Rheinmetall produziert, 1971 wurden die ersten Fahrzeuge der Bundeswehr übergeben.
Anders als der "Gepard" wird er noch heute von der Bundeswehr eingesetzt, allerdings nach und nach vom modernen Schützenpanzer "Puma" abgelöst. Der rund 35 Tonnen schwere "Marder" ist mit einer 20-Millimeter-Bordkanone und einem Maschinengewehr ausgestattet. Auf der Straße erreicht er wie der "Gepard" bis zu 65 Kilometer pro Stunde. Mit einer Tankfüllung kommt er bis zu 520 Kilometer weit, im Gelände beträgt die maximale Reichweite 260 Kilometer.
Rheinmetall will 100 ausgemusterte "Marder" aufbereiten. Die ersten 20 sollen in sechs bis acht Wochen einsatzfähig sein und an die Ukraine geliefert werden. Die Bundesregierung müsste dem Verkauf noch zustimmen.
Ob die "Marder" der Ukraine sofort helfen, ist aber mindestens umstritten. Die ukrainischen Soldaten kennen sich mit dem Panzer nicht aus, müssten erstmal geschult werden.
Auch für "Leopard" fehlt Munition
Wie der "Marder" stammt auch der "Leopard 1" aus den 1960er Jahren. Er war der erste Kampfpanzer, der nach dem Zweiten Weltkrieg in der jungen Bundesrepublik gebaut wurde. Der "Leopard 1" hat eine große Bordkanone im Kaliber 105 Millimeter. Im Gegensatz zum "Marder" wurde das über 40 Tonnen schwere Gerät zum Exportschlager. 4700 Modelle wurden an 13 Staaten auf fünf Kontinenten verkauft.
Die Firma Rheinmetall hatte zuletzt angekündigt, dass sie der Ukraine über eine Tochterfirma 88 "Leopard-1" schicken könnte. Die ersten schon in wenigen Wochen, sofern die Bundesregierung grünes Licht gibt. Anders als beim "Marder" sollten die ukrainischen Soldaten den Kampfpanzer auch schneller einsetzen können. Sofern Deutschland die passende Munition bereitstellen kann.
"Der 'Leopard 1' ist in der Bundeswehr schon eine ganze Weile ausgemustert und somit nicht auf dem neuesten technischen Stand", sagt Wiegold. Man müsse schauen, wo man auf dem Weltmarkt die nötige Munition bekomme. "Ich sehe beim 'Leopard 1' ein größeres Fragezeichen als beim 'Gepard'."
Nachgerüstete "Leopard 1" werden auch heute noch von verschiedenen Armeen eingesetzt, die Bundeswehr hat das Modell allerdings 2003 ausgemustert und durch den "Leopard 2" ersetzt. Der wiederum benötigt andere Munition als sein Vorgänger.
Der "Leopard 2" ist der aktuelle Kampfpanzer der Bundeswehr. Genau wie der "Leopard 1" ist er Exportschlager. Laut Krauss-Maffei Wegmann wurden mehr als 3500 Exemplare gebaut, die in knapp 20 Ländern zum Einsatz kommen.
Der rund 60 Tonnen schwere Panzer ist mit einer 120-Millimeter-Kanone bewaffnet. Er kann Ziele in bis zu fünf Kilometern Entfernung bekämpfen und bis zu 70 Kilometer pro Stunde schnell fahren. Mit seinem Tank kommt der "Leopard 2" etwa 500 Kilometer weit, im Gelände sind es maximal 160 Kilometer.
Rüstungskonzern will 100 Haubitzen liefern
Die Panzerhaubitze 2000 kann mit ihrer Kanone vom Kaliber 155 Millimeter laut Bundeswehr Ziele in bis zu 40 Kilometern Entfernung beschießen. Das 55 Tonnen schwere Gerät kommt mit seinem 1000-Liter-Tank 420 Kilometer weit, die Höchstgeschwindigkeit beträgt 60 Kilometer pro Stunde, im Gelände sind es immerhin noch 45 Kilometer pro Stunde.
Die Bundeswehr hatte die Panzerhaubitze 2000 unter anderem in Afghanistan im Einsatz. Laut "Welt" hat Rüstungskonzern Krauss-Maffei Wegmann beantragt, 100 Panzerhaubitzen an die Ukraine verkaufen zu dürfen.
"Fuchs" und "Boxer" auf Waffen-Wunschliste
Möglich ist, dass auch ein Allrounder der Bundeswehr an die Ukraine übergeben wird. Der Radpanzer "Fuchs" wurde zuerst als reiner Transportpanzer konzipiert, gilt mittlerweile aber als äußerst flexibel im Militäreinsatz, weil er sehr beweglich ist und hohen Schutz bietet. Der "Fuchs" kann fast 100 Kilometer pro Stunde schnell fahren. Auf der Straße legt er mit voller Tankfüllung etwa 800 Kilometer Strecke zurück, im Gelände sind es maximal 400 Kilometer.
Etwa genauso so schnell und weit kann auch der Radpanzer "Boxer" fahren, das zweite flexible Gerät im Dienst der Bundeswehr. Ausgestattet mit aufsetzbaren Missionsmodulen kann er zum Beispiel als Transport-, Sanitäts- oder Schutzpanzer eingesetzt werden. Vermutlich deshalb standen die beiden Radpanzer laut "Bild"-Zeitung auf der Waffen-Wunschliste der Ukraine.
Außerdem war damals vom "Leopard 2"-Kampfpanzer und den Schützenpanzern "Marder" und "Puma" die Rede. Der ist der modernste deutsche Panzer und direkter Nachfolger des "Marder" - wird aber aller Wahrscheinlichkeit nicht in die Ukraine verschickt. Von den 350 "Puma" in Deutschland sind derzeit nur 150 einsatzfähig, teilte Verteidigungsministerin Lambrecht diese Woche mit.
Deutschland setzt auf Ringtausch
Die Bundesregierung setzt stattdessen - Stand jetzt - weiter verstärkt auf einen sogenannten Ringtausch. Andere NATO-Partner wie Slowenien oder Tschechien liefern der Ukraine Schützenpanzer aus sowjetischer Produktion, Deutschland füllt die Bestände der NATO-Partner dann mit Panzern aus deutscher Produktion auf. "Dieser Ringtausch würde gewährleisten, dass schnell geliefert werden kann und vor allen Dingen braucht es keine Ausbildung. Das ist das, was die Ukraine jetzt braucht", so Christine Lambrecht.
Die Verteidigungsministerin hatte zuletzt immer wieder darauf hingewiesen, dass die Bundeswehrbestände nahezu ausgeschöpft seien. Auch der Generalinspekteur der Bundeswehr, Markus Laubenthal, sagte kürzlich im ZDF, die Lieferung schwerer Waffen durch die Bundeswehr sei nicht möglich. Ansonsten könne man den Verpflichtungen gegenüber NATO und EU nicht mehr angemessen nachkommen. Doch es gibt auch andere Stimmen. Ex-General Hans-Lothar Domröse etwa sagte im WDR, die Bundeswehr könne sehr wohl noch etwas abgeben, da man in relativ kurzer Zeit Ersatz besorgen könne.
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Quelle: ntv.de