
Ein Panzer der Bundeswehr vom Typ Leopard 2 auf einem Übungsplatz.
(Foto: picture alliance/dpa)
Für den Moment scheint Ruhe zu sein in der Koalition beim Thema Panzer-Lieferungen an die Ukraine. Doch Grüne und FDP tragen den Kurs des Kanzlers nur pflichtschuldig mit. Ein Antrag der Union setzt die Ampel zusätzlich unter Druck.
In der SPD dürfte das Interview Verärgerung ausgelöst haben. Eine Entscheidung über die Lieferung von Leopard-Kampfpanzern an die Ukraine sollte nicht lange hinausgezögert werden, sagte die grüne Außenministerin Annalena Baerbock in der vergangenen Woche der FAZ.
Baerbock widersprach der Argumentationslinie von Bundeskanzler Olaf Scholz nicht direkt, aber doch unmissverständlich: "Wir liefern ja längst Panzer - Flugabwehrpanzer, Brückenlegepanzer, Bergepanzer. Schützenpanzer kommen jetzt über den Ringtausch." Das Wort "Besonnenheit", mit dem Scholz die Ukraine-Politik der Bundesregierung beschreibt, fehlte in ihrem Interview.
Zwei Tage nach Erscheinen des Interviews der Außenministerin sprach Scholz mit dem Deutschlandfunk und zählte dort ebenfalls zum wiederholten Male auf, was Deutschland bereits geliefert hat. Anders als Baerbock wollte er damit allerdings nicht unterstreichen, dass eine Lieferung von Leopard-2-Panzern nun auch kein großer Schritt mehr wäre. Vielmehr betonte er, dass Deutschland "sehr, sehr viel" tue. Die Bundesregierung handele "sehr klug, besonnen und abgewogen", so der Kanzler. "Ansonsten gilt generell ein Grundsatz, der mir sehr, sehr wichtig ist: Wir werden bei allem, was wir tun, keine Alleingänge machen."
Eine Frage des Timings
Das war am Samstag. Tags darauf war Baerbock bei Anne Will zu Gast. Dort klang sie deutlich zurückhaltender als ein paar Tage zuvor. Statt auf eine schnelle Lieferung zu pochen, suchte sie Gründe, warum eine schnelle Lieferung nicht möglich sei: "Das Material geht sehr schnell kaputt, wenn es falsch bedient wird. Dann muss es repariert werden." Deshalb werde jetzt an der polnisch-ukrainischen Grenze ein Zentrum dafür aufgebaut. Und: "Derzeit geht keiner der internationalen Partner den Schritt", sagte sie. "Wir können den Schritt nicht alleine gehen."
Keine Alleingänge. Es wirkte, als habe Scholz Baerbock auf Linie gebracht. Auch FDP-Chef Christian Lindner bemühte sich am Montag, die Position seiner Partei als glasklare Unterstützung des Kanzlerkurses darzustellen. Die FDP sei "unverändert der Meinung, dass Deutschland jeden Tag prüfen muss, ob es mehr tun kann, die Ukraine zu unterstützen", sagte Lindner. Das hatte er eine Woche zuvor fast wortgleich auf Twitter geschrieben. Jetzt schob er allerdings die Einschränkung hinterher, alles werde abgestimmt mit den Verbündeten. Da gebe es Einigkeit, "dass keine Kampfpanzer westlicher Produktion und Bauart geliefert werden sollen". Das FDP-Präsidium habe diesen Kurs gerade bestätigt.
Baerbocks Auftritt bei Anne Will und Lindners Statement vom Montag zeigen, dass Politik immer auch eine Frage des Timings ist. Grüne und FDP wollen es vermeiden, zu viel Druck auf Scholz auszuüben, denn das würde nur den Handlungsspielraum des Kanzlers einengen. Dessen "Besonnenheit" beinhaltet in der Praxis bisher ohnehin schon, dass irgendwann doch geliefert wird - zumal ein hochrangiger Vertreter des US-Verteidigungsministeriums gerade sagte, die Option, der Ukraine moderne Panzer zu liefern, liege "absolut auf dem Tisch".
"Den Frosch kochen"
Was Kritiker zögerlich nennen, wurde in den USA zur Strategie erhoben: Es sei gelungen, "den Frosch zu kochen", heißt es laut "New York Times" in der US-Regierung. Gemeint ist, dass die militärische Unterstützung der Ukraine nicht sprunghaft hochgefahren wurde, sondern Schritt für Schritt. Wie ein Frosch, der im Topf sitzenbleibt, wenn das Wasser nur langsam erhitzt wird, so sei Moskau nicht zu größeren Vergeltungsschlägen provoziert worden.
In Deutschland dient Scholz' Besonnenheit nebenbei dazu, den russlandfreundlichen Teil von SPD und SPD-Anhängern im Boot zu halten. Fraglich ist allerdings, ob Scholz die Temperatur im Frosch-Topf auch ohne Drängen von Verbündeten und Koalitionspartnern erhöhen würde. Die CDU/CSU will daher noch ein bisschen mehr Druck auf den Kessel bringen. Für diesen Donnerstag steht im Bundestag ein Antrag der Unionsfraktion auf der Tagesordnung: "Frieden und Freiheit in Europa verteidigen - Ukraine jetzt entschlossen mit schweren Waffen unterstützen". Geplant ist eine knapp 40-minütige Debatte. Auch angesichts der russischen Teilmobilmachung dürfte die kontrovers ausfallen.
Wenn dabei Risse und Widersprüche innerhalb der Koalition deutlich werden sollten, wäre dies aus Sicht der Union wohl ein angenehmer Nebeneffekt. Ausdrücklich verweist der Unionsantrag auf "namhafte Politikerinnen und Politiker auch aus Reihen der regierenden Ampelkoalition", die in den vergangenen Tagen zum Ausdruck gebracht hätten, dass die Ukraine "umgehend substanziell und weiter ausgerüstet" werden müsse, "auch mit schwerem, westlichem Gerät".
"Das ist sicher erklärungsbedürftig"
Gemeint sind FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, der Grüne Anton Hofreiter und der SPD-Außenpolitiker Michael Roth, in ihren jeweiligen Parteien die profiliertesten Stimmen für weniger zögerliche Waffenlieferungen. Gerade Strack-Zimmermann und Hofreiter drücken eine Position aus, die in den Reihen von FDP und Grünen keine Minderheitenmeinung ist. Der stellvertretende Bundesvorsitzende Johannes Vogel sagte am Dienstag bei ntv, er finde es richtig, "dass wir im Bündnis abgestimmt agieren". Aber gleichzeitig forderte er eine aktivere Rolle der Bundesregierung: Deutschland müsse "im Bündnis und im europäischen Verbund diskutieren und anregen, wie wir die Ukraine noch stärker unterstützen können". Grünen-Chef Omid Nouripour erklärte vor gut einer Woche in der "Augsburger Allgemeinen", alle in der Regierung wüssten, "dass noch mehr möglich wäre".
Auch der FDP-Verteidigungspolitiker Marcus Faber drängt auf die rasche Lieferung von Marder-Schützenpanzern und Fuchs-Transportpanzern. Die Angst davor, mit Kampfpanzern eine rote Linie zu überschreiten, kann er nicht nachvollziehen. "Meine Wahrnehmung ist, dass die Panzerhaubitze 40 Kilometer weit schießt, mit einem Kaliber von 155, und dass der Gepard auch in der Boden-Boden-Wirkung sehr gut ist und über 40 Tonnen wiegt. Warum man nun das eine und das andere liefert, aber das dritte und das vierte nicht, das ist sicher erklärungsbedürftig."
Quelle: ntv.de