Politik

Der Kriegstag im Überblick Ukrainische Armee meldet Rückeroberungen - Moskau droht "unfreundlichen" Staaten

Die Folgen des Krieges sind in Trostjanez, etwa 400 Kilometer östlich der Hauptstadt Kiew, deutlich sichtbar.

Die Folgen des Krieges sind in Trostjanez, etwa 400 Kilometer östlich der Hauptstadt Kiew, deutlich sichtbar.

(Foto: dpa)

Die Kampfhandlungen in der Ukraine gehen unvermindert weiter. Und auch der Informationskrieg wird fortgesetzt. Russland droht dem Westen, der zeigt sich unbeeindruckt. Derweil sorgt ein Bericht über eine angebliche Vergiftung von Verhandlungsteilnehmern für Verwirrung. Der 33. Kriegstag im Überblick.

Ukrainische Streitkräfte erobern Ortschaften zurück

Nachrichten über größere Geländegewinne der russischen oder ukrainischen Armee sind derzeit rar gesät. Den ukrainischen Streitkräften gelangen nach eigenen Angaben im Verlauf des Tages allerdings zumindest einige Nadelstiche gegen die Angreifer. So sollen sie es geschafft haben, eine Ortschaft nahe der Großstadt Charkiw zurückzuerobern. Mala Rohan hatte bis vor einigen Tagen noch unter russischer Kontrolle gestanden. Nach Angaben des Bürgermeisters von Charkiw hatten die russischen Truppen von dem Dorf aus die Stadt mit Artillerie beschossen. Ukrainischen Militärs zufolge habe es einige Tage gedauert, die Ortschaft wieder zu sichern, weil sich russische Soldaten in Kellern und umliegenden Wäldern versteckt gehalten hätten. Dutzende seien getötet worden. Wenige Kilometer weiter nördlich nahm die ukrainische Armee weitere russische Stellungen in der Ortschaft Wilchiwka ins Visier. Auch dort soll russische Artillerie stationiert sein.

Die vom Kriegsgeschehen arg in Mitleidenschaft gezogene Stadt Irpin bei Kiew ist ihrem Bürgermeister zufolge indes wieder komplett in ukrainischer Hand. "Es gibt heute gute Nachrichten", erklärte Alexander Markuschyn in einem Video auf Telegram. "Irpin ist befreit worden." Die Angaben können von unabhängiger Seite nicht überprüft werden.

Doch aus ukrainischer Sicht gab es nicht nur gute Nachrichten: Von den Streitkräften hieß es, man befürchte einen Vorstoß der russischen Truppen in Richtung Kiew. Und das, obwohl sowohl das ukrainische als auch das britische Verteidigungsministerium zuletzt von einem Stillstand an den Fronten und sogar einzelnen erfolgreichen Gegenoffensiven der ukrainische Armee berichtet hatten. Moskau verbreitete allerdings am Vormittag Aufnahmen von gepanzerten Fahrzeugen, die rund 40 Kilometer von Kiew entfernt auf der Fernstraße 95 unterwegs sein sollen. Sie führt direkt in die Hauptstadt.

Evakuierungsmission für Mariupol in der Schwebe - Behörden melden Tausende Tote

Die Situation im belagerten Mariupol bleibt indes dramatisch. Nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj sind die Straßen der Hafenstadt mit Leichen übersät, die derzeit nicht begraben werden können. Die ukrainische Verantwortliche für Fluchtkorridore, Tetjana Lomakina, sagte, es "wurden 5000 Todesopfer beerdigt". Allerdings würden seit ungefähr zehn Tagen wegen der anhaltenden Bombardements durch die russischen Truppen keine Bestattungen mehr vorgenommen - mittlerweile könnte die Zahl der Toten also bedeutend höher liegen.

Dass immer mehr Zivilistinnen und Zivilisten sterben, liegt auch daran, dass es nicht gelingt, sichere Fluchtkorridore zu schaffen. Die von Frankreich mit der Türkei und Griechenland geplante Evakuierungsmission für Mariupol ist nach wie vor nicht abschließend vereinbart. Nach der Ankündigung der humanitären Aktion durch Präsident Emmanuel Macron am Freitagabend stehe die dafür nötige Abstimmung mit Russlands Präsident Wladimir Putin noch aus, hieß es heute aus dem Élyséepalast in Paris. Noch gebe es keinen Termin für ein Telefonat der beiden Präsidenten. Auch der Kreml gab bekannt, dass es noch keinen Termin für ein solches Telefonat gebe.

Nach Schätzungen des Bürgermeisters Wadym Bojtschenko halten sich noch etwa 160.000 Bewohnerinnen und Bewohner in Mariupol auf. Vor dem Krieg lebten rund 440.000 Menschen in der strategisch wichtigen Industrie- und Hafenstadt am Asowschen Meer. Es sei unmöglich, in der zerstörten Stadt noch zu wohnen, sagte Bojtschenko. Es gebe dort weder Wasser noch Strom, Heizung oder Kommunikationsverbindungen.

Moskau: Sturz von ukrainischer Führung nicht geplant

Die Zerstörung von ukrainischen Zielen begann vor mehr als einem Monat. Seitdem wird immer wieder vermutet, dass Putin die ukrainische Regierung um Selenskyj stürzen will. Dem trat heute einmal mehr Russlands Sicherheitsratschef Nikolai Patruschew entgegen. "Das Ziel unserer Spezial-Operation in der Ukraine ist nicht - wie sie es im Westen darzustellen versuchen - ein Wechsel des Kiewer Regimes, sondern ein Schutz der Menschen vor einem Genozid, die Entmilitarisierung und die Entnazifizierung der Ukraine", sagte Patruschew der Agentur Interfax zufolge.

Melnyk moniert fehlende Freigabe sofort verfügbarer Waffen

Wie kann sich die ukrainische Armee gegen die Angriffe der russischen Streitkräfte wehren? Internationale Waffenlieferungen sind derzeit eine wichtige Stütze für die Verteidiger des Landes. Doch offenbar wird den Wünschen Kiews nicht von allen Seiten schnellstmöglich entsprochen. Dem ukrainischen Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, zufolge, wartet sein Land seit nunmehr einen Monat auf eine Antwort aus dem Bundesverteidigungsministerium bezüglich einer Bitte um die Freigabe für sofort lieferbare Panzer- und Luftabwehrsysteme. Eine entsprechende Liste der deutschen Rüstungsindustrie liege dem Ministerium von Christine Lambrecht vor, sagte Melnyk dem TV-Kanal "Welt". Warum die Waffen nicht geliefert würden, sei unklar: "Es gibt keine Antwort. Und zwar weder uns gegenüber noch der Rüstungsindustrie. Es heißt: Es wird geprüft."

G7-Staaten schwenken beim Gas nicht auf Rubel um

Eine eindeutige Ansage kam dagegen von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Die Gruppe der sieben führenden demokratischen Wirtschaftsmächte (G7) erteile russischen Forderungen nach einer Begleichung von Gas-Rechnungen in Rubel eine Absage, sagte der Grünen-Politiker nach einer virtuellen Besprechung mit den G7-Energieministern. Neben Deutschland gehören auch Frankreich, Italien, Japan, Kanada, die USA und Großbritannien zu der Staatengruppe. Man sei sich einig gewesen, dass die Forderungen "ein einseitiger und klarer Bruch der bestehenden Verträge" sei, sagte Habeck. Geschlossene Verträge gälten, betroffene Unternehmen müssten vertragstreu sein. "Das heißt also, dass eine Zahlung in Rubel nicht akzeptabel ist."

Putin hatte vergangene Woche angekündigt, Gas-Lieferungen an "unfreundliche Staaten" nur noch in Rubel abzurechnen. Dies würde die unter Druck geratene russische Währung stützen, weil sich die Importländer Rubel beschaffen müssten. Die nun publik gewordene Weigerung der G7-Staaten, russisches Gas mit der Währung zu bezahlen, würde nach den Worten des Abgeordneten Iwan Abramow zu einem Stopp der Lieferungen führen. Das berichtete die Nachrichtenagentur RIA. Abramow ist Abgeordneter im Oberhaus und dort Mitglied des Wirtschaftsausschusses. Passend dazu gab der Kreml bekannt, sinkende Erdöl-Lieferungen in europäische Länder durch Exporte nach Asien ersetzen zu wollen. Es gebe auch einen Markt "in Südostasien, im Osten", sagte Sprecher Dmitri Peskow nach Angaben der Agentur Interfax. Der Weltmarkt sei vielseitiger als nur der europäische Markt. "Obwohl natürlich der europäische Markt Premium ist."

Moskau plant Beschränkungen für Reisende aus "unfreundlichen" Staaten

Dass Russland mit Gegenmaßnahmen den Westen zu beeindrucken versucht, zeigt auch eine neuerliche Ankündigung von Außenminister Sergej Lawrow, sein Land wolle Einreisebeschränkungen für Staatsangehörige bestimmter Staaten verhängen. Dabei handele es sich um "Vergeltungsmaßnahmen in Antwort auf unfreundliche Aktionen einer Reihe anderer Staaten", erklärte Lawrow. Ein entsprechendes Präsidentendekret mit "einer Serie von Restriktionen" sei in Arbeit. Anfang März hatte Moskau eine Liste "unfreundlicher" Staaten veröffentlicht, die unter anderem alle EU-Länder, die USA, Großbritannien, Kanada, Japan, die Schweiz, Südkorea, Norwegen und Australien umfasst. Diese Staaten haben seit Beginn des russischen Angriffskrieges scharfe Sanktionen erlassen.

Geflüchtete Ukrainer sollen schnell Zugang zur Gesundheitsversorgung erhalten

Die "militärische Spezialoperation" in der Ukraine, wie es Putins Propagandaapparat nennt, treibt Millionen Menschen in die Flucht. Eine Vielzahl ist inzwischen in Nachbarländern wie Polen oder Moldau, aber auch in Deutschland angekommen. Die EU setzt bei ihrer Aufnahme auf den freiwilligen Einsatz der Mitgliedstaaten. Bei einem Sondertreffen der Innenminister in Brüssel sei ein von der Kommission vorgeschlagener Zehn-Punkte-Plan, mit dem unter anderem die freiwillige Aufnahme der EU-Länder besser koordiniert werden soll, "stark unterstützt" worden, sagte Innenkommissarin Ylva Johansson.

Feste Quoten sind demnach nicht geplant. Stattdessen soll die freiwillige Aufnahme von ukrainischen Geflüchteten in den 27 Mitgliedstaaten mit Hilfe eines "Index" geregelt werden, der die aktuelle Belastung des jeweiligen Landes bewertet. Dafür berücksichtigt werden die Zahl der aufgenommenen Ukraine-Flüchtlinge, die Zahl der Asylsuchenden aller Nationalitäten im vergangenen Jahr und die Einwohnerzahl des Landes.

Wie es mit den Zehntausenden Geflüchteten hierzulande weitergeht, darüber verständigten sich die Gesundheitsminister von Bund und Ländern. Sie einigten sich darauf, Betroffenen einen schnellen Zugang zur medizinischen Versorgung zu ermöglichen. Demnach sollen insbesondere medizinische und pflegerische Behandlungen, die durch die Flucht unterbrochen wurden, schnellstmöglich wieder aufgenommen werden. Geflüchtete sollen zudem neben der Corona-Schutzimpfung auch andere Impfangebote erhalten.

Spekulation über möglichen Giftanschlag auf Abramowitsch

Ein Medienbericht sorgt derzeit für Aufsehen: Der russische Milliardär Roman Abramowitsch und zwei ukrainische Unterhändler sind laut dem "Wall Street Journal" möglicherweise Ziel eines Giftanschlags geworden. Die US-Zeitung schrieb unter Berufung auf informierte Kreise, Abramowitsch und die Ukrainer hätten in diesem Monat nach einem Treffen in der ukrainischen Hauptstadt Kiew "Symptome einer mutmaßlichen Vergiftung" aufgewiesen. Die drei Männer litten demnach unter geröteten Augen, schmerzhaftem Tränenfluss und sich ablösender Haut an Gesicht und Händen. Die Symptome hätten sich dann aber wieder verbessert.

Ukrainische Teilnehmer an den besagten Verhandlungen wiesen den Bericht allerdings zurück. Alle Mitglieder der Verhandlungsgruppen würden normal arbeiten, sagte der ukrainische Unterhändler Mychajlo Podoljak örtlichen Medien zufolge. "Im Informationsbereich gibt es gerade viele Spekulationen, unterschiedliche Verschwörungsversionen und Elemente des einen oder anderen Informationsspiels." Aus den USA hieß es, Geheimdienstinformationen deuteten mit großer Wahrscheinlichkeit darauf hin, dass es sich um Umwelteinflüsse gehandelt hat, also nicht um eine Vergiftung.

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Quelle: ntv.de, fzö/dpa/AFP/rts

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