Fußball

Trainer, Kauze, Demokraten Besser als Klopp und Streich kann man es nicht machen

Die Freiburger müssen sich nach und nach von ihrem Trainer verabschieden.

Die Freiburger müssen sich nach und nach von ihrem Trainer verabschieden.

(Foto: picture alliance/dpa)

29 Jahre im Verein und jetzt ist Schluss: Christian Streich verlässt den SC Freiburg zum Saisonende. Er folgt damit Jürgen Klopp in die Auszeit, den er vor wenigen Wochen noch lobt. Der Fußball verliert (vorerst) zwei herausragende Trainer-Persönlichkeiten.

"Besser kannst du es nicht machen." Das hat Christian Streich im Februar über den selbstgewählten Abschied seines Trainerkollegen Jürgen Klopp beim FC Liverpool gesagt. Nun zieht der 58-Jährige nach. "Und jetzt ist noch ein bisschen Zeit - auch für den Verein", hatte Streich damals unter anderem an Klopps freiwilligem Abgang hervorgehoben. Genau diese Zeit gibt er auch seinem SC Freiburg. Bis Saisonende sind es noch zehn Wochen, bis zum Saisonauftakt noch länger. Der Verein braucht bei der Zukunftsplanung nicht zu hetzen.

Die Fußballfans können sich Stück für Stück daran gewöhnen, dass gleich zwei lebende Legenden zumindest vorerst ihren Hut nehmen. Zwei emotionale Persönlichkeiten, die wie Rumpelstilzchen am Spielfeldrand herumspringen können. Die ihre Freude und ihr Leid nach außen kehren, die Fans mitreißen. Die absolut authentisch sind. Die sich manchmal über vermeintlich doofe Journalisten-Fragen aufregen, die knorrig-launisch sind. Zwei Persönlichkeiten, die im glatt gebügelten Modus von Interviews positiv auffallen, die sagen, was sie denken. Die nicht aalglatt sind. Heraus kommen dabei nicht nur Anmerkungen zum Fußball, sondern auch gerade in dieser Zeit so wichtige Statements. Klare Kante nämlich, gegen rechte Tendenzen und Rassismus.

Mit Blick auf die AfD sagte Streich im Februar im ntv-Interview: "Jetzt kommen die Hetzer und probieren, eine Plattform zu finden, um Macht zu erlangen und die polarisieren und alles nur negativ darstellen und mit übelsten Schuldzuweisungen. Und jetzt muss darum gekämpft werden, dass solch eine rechtsradikale Partei nicht an die Regierung kommt." Der Mann, der Geschichte, Germanistik und Sport auf Lehramt studiert hat, sagte in seinem typischen Dialekt eindrücklich: "Als ich jung war, habe ich die stummen 50-jährigen Männer gesehen, die in Stalingrad waren. Und ich habe viele Geschichten von meiner Oma gehört, in der eigenen Familie." Eindrücke, die Spuren hinterlassen. Im besten Fall auch bei der jungen Generation von Fußballfans.

So auch die Worte von Klopp, der schon 2004 in einem Interview mit der "taz" gesagt hatte: "Mein politisches Verständnis ist: Wenn es mir gut geht, soll es den anderen auch gut gehen. Und wenn ich etwas in meinem Leben niemals tun werde, dann rechts wählen." Seit er in Liverpool ist, geht es für den Coach mehr um Rassismus, seine Haltung ist dieselbe ablehnende: "Es geht darum, für alle klarzumachen, dass es ein paar Idioten gibt. Aber nicht so viele, wie wir glauben. Wenn sie nicht so machtvoll sind, können wir die Welt verändern."

Ein Denkmal passt nicht recht, verdient wäre es

Da verlassen mehr als zwei Trainer ihre Klubs, den Fußball. Während Klopps Konterfei längst an einer Hauswand in Liverpool prangt, haben sie Streich in Freiburg noch kein Denkmal gebaut. Es würde auch nicht so recht zum 58-Jährigen passen. Doch verdient hätte er es: Christian Streich ist der SC Freiburg, der SC Freiburg ist Christian Streich.

"Ich hatte Hunderte von außergewöhnlichen Erlebnissen in meiner Zeit beim Sport-Club. Dieser Verein ist mein Leben", sagt Streich und das ist nicht nur so daher gesagt. In der Saison 1987/88 spielte er als Profi 22 Zweitligapartien. Seit 1995 ist er als Trainer bei den Breisgauern angestellt. Hat sich im wahrsten Sinne hochgearbeitet, vom Jugendtrainer über das Amt als Co-Trainer bei der ersten Mannschaft bis hin zu dem Posten, den er seit der Rückrunde der Saison 2011/12 innehat. Er zog mit den Profis ins DFB-Pokal-Finale ein, bezeichnet den Gewinn der deutschen Meisterschaft mit den A-Junioren im Jahr 2008 aber als seinen größten Erfolg.

"Ich habe lange überlegt und viele Gespräche geführt, aber ich glaube, nach 29 Jahren ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um Raum zu geben für neue Energien, neue Leute und neue Möglichkeiten. Es war mir schon in der Vergangenheit sehr wichtig, dass ich den Zeitpunkt nicht verpasse, zu dem ich glaube, dass es richtig ist, zu gehen", sagt Streich laut Vereinsmitteilung.

Streich macht den Sport-Club zukunftsfest

Wenn es nicht läuft, wird der Trainer entlassen - so das ungeschriebene Gesetz des Fußballs. Doch dann gibt es ab und an Ausnahmen. Klopp und Streich sind zwei davon. Gewiss, mit unterschiedlicher Ausdehnung, aber sie beide gehen aus freien Stücken, sind nie gekündigt worden. Sie durften bleiben, als es schwierig wurde. Bei Klubs mit verschiedenen Ansprüchen, die aber in dieser Saison international doch in derselben Liga spielten, der Europa League. Streich stieg sogar mit dem Team ab, 2015 war das, der Wiederaufstieg gelang sofort. Aus einer Fahrstuhlmannschaft formte er einen gestandenen Bundesligisten, der zuletzt sogar zweimal in Folge ins Achtelfinale der Europa League einzog.

Der Abschied von Streich hatte sich angedeutet. Stets hatte er seinen Vertrag immer nur um ein Jahr verlängert, nie wurde ein großes Brimborium darum gemacht. Dieses Jahr aber gab es Signale. Streich wirkte zunehmend geschafft. Schon im Herbst 2023 hatte er dem Magazin "11Freunde" gesagt: "Ich spüre, dass ich älter werde. Die Kraft schwindet, es ist nun mal absehbar." Ähnlich hatte es Klopp erklärt: "Es ist so, dass mir, wie soll ich es sagen, die Energie ausgeht."

Streich hatte angefügt: "Ich ertappe mich immer öfter bei einem Gedanken: Was kommt noch an Energie bei den Spielern an? Und wenn ich feststelle, dass es nicht mehr reicht und es einen Jüngeren braucht, um an die Spieler ranzukommen, höre ich auf." Die hatten bis zuletzt um ihren Trainer gekämpft. "Die Hoffnung stirbt zuletzt. Wir werden seine Entscheidung respektieren und mittragen", hatte SC-Kapitän Christian Günter noch am Sonntag gesagt: "Er ist ein herausragender Trainer und ein herausragender Mensch, für den es mehr gibt als Fußball." Die Veränderung wird ein Verlust für die Profis sein. Nicht ausgeschlossen, dass der eine oder andere nun doch über einen Wechsel nachdenkt - so wie Gerüchten zufolge auch einige Spieler in Liverpool.

Bundesliga ohne Streich - unvorstellbar

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Ob Klopp mit seinen 56 Jahren in der ungnädigen und machtbewussten Premier League oder der zwei Jahre ältere Streich im vergleichsweise ruhigen Freiburg: Der Job zerrt an den Nerven. Pausen? Fehlanzeige. Spiele in der Liga, im Pokal und international unter der Woche. Dazwischen Analysen, Training, Vorbereitung, Pressekonferenzen, Interviews. Ständig weg von zu Hause. Ein Leben im Sprint, zum großen Teil fremdbestimmt. Zwischendrin einfach mal zwei Wochen Urlaub nehmen? Unmöglich.

Wenn, wie bei Streich und Klopp, der Horizont nicht hinter dem Spielfeld endet, wird die Zeit (zu) knapp. Eine Pause ist eine Strategie weg vom Stress. Während Klopp die mit mindestens einem Jahr recht genau beziffert, lässt Streich seine Zukunft offen. Unbenommen, dass er seine plötzlich viele Freizeit gut füllen wird. Für die Fans des Fußballs ist es unvorstellbar: Der SC Freiburg bleibt in der Bundesliga, Christian Streich nicht.

Quelle: ntv.de

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