Mbappé hat die Faxen dicke BVB-Höllenhunde verschonen PSG mit dem letzten Biss
14.12.2023, 08:22 Uhr
Er biss einmal für den BVB zu: Karim Adeyemi.
(Foto: IMAGO/Uwe Kraft)
Borussia Dortmund übersteht die Todesgruppe in der Champions League als Erster. Das finale Duell in der Vorrunde gegen PSG ist wild und mitreißend. Am Ende verpasst der BVB die große Chance, den Giganten aus dem Wettbewerb zu kicken.
Kylian Mbappé wurde es am Ende zu bunt. Fortwährend winkte der Superstar von Paris St. Germain ab, er hatte augenscheinlich kein Verständnis für das Gebaren seiner Mitspieler. Der 24-Jährige wollte auf Sieg spielen, wollte die Gruppenphase doch noch als Erster beenden. Seine bangenden Teamkollegen dagegen schalteten ab der 85. Minute auf risikoscheuen und langweilenden Verwaltungsmodus um. Es war das unpassende Ende eines zuvor mitreißenden Duells vor 81.365 Zuschauern. Paris war das 1:1 (0:0) genug, weil der AC Mailand im Parallel-Duell mit 2:1 gegen das neureiche Newcastle United in Führung gegangen war. Genug, um sich die Demütigung zu ersparen und in der Champions League in der Vorrunde zu scheitern. Zum ersten Mal unter katarischer Führung wäre das passiert. PSG wäre das Gespött in Europa geworden, die Mannschaft der große Milliarden-Depp.

(Foto: Zacharie Scheurer/dpa-tmn)
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Mbappé brachte das Spiel als beleidigter Gigant zu Ende, der BVB als höflicher Gastgeber, der ausgepumpt nicht mehr in der Lage war, einen finalen Push zu setzen. Mbappé dankte kurz den sehr vielen Pariser Fans im alten Westfalenstadion und verschwand zügig als Erster im Bus. Wortlos war er durch die Katakomben geeilt, hatte jede Interviewanfrage der französischen Kollegen knallhart ignoriert. Etwas höflicher, aber ebenso bestimmt, lehnte Nasser Al-Khelaifi ab. Auch der fast schon entschuldigend dreinblickende PSG-Boss, der sein Hobby der gigantischen Geldvernichtung zur Auf- und Umrüstung des Klubs nun schon seit zehn Jahren betreibt, wollte nichts sagen. Mit seiner Entourage rauschte er mit einem schwarzen Bulli in die verregnete Dortmunder Nacht, vorbei an der Nordtribüne, wo sie eiligst ein Jubelbild digital montiert und auf die übergroße Videoleinwand gezogen hatten: Gruppensieger stand da.
In der Todesgruppe war es tatsächlich der BVB gewesen, der PSG, den AC Mailand und den saudischen Spielball Newcastle United hinter sich gelassen hatte und mit der besten Ausgangsposition ins Achtelfinale stürmte, dort könnten nun der FC Kopenhagen oder die PSV Eindhoven warten, aber auch Inter Mailand oder die SSC Neapel. In der entrückten Welt der katarischen Franzosen ist das mindestens ein mittelschwerer Betriebsunfall. Aber an diesem ekelig novemberigen Dezemberabend war etwas anderes wichtiger, der GAU war verhindert worden. Warren Zaire-Emery, dieser mitreißend spielende 17-Jährige, hatte nach 56 Minuten die Dortmunder Führung durch Karim Adeyemi (51.) ausgeglichen.
Ein wilder Schlagabtausch
Dortmund: Kobel - Wolf (69. Schlotterbeck), Süle, Hummels, Bensebaini - Brandt, Özcan (69. Sabitzer) - Adeyemi (81. Reyna), Reus, Bynoe-Gittens (60. Malen) - Füllkrug (81. Haller); Trainer: Terzić
Paris: Donnarumma - Hakimi, Marquinhos, Skriniar, Lucas Hernández - Zaire-Emery, Vitinha, Lee (69. Ugarte) - Kolo Muani (90.+6 Soler), Mbappe, Barcola (82. Asensio); Trainer: Enrique
Schiedsrichter: Glenn Nyberg (Schweden)
Tore: 1:0 Adeyemi (51.), 1:1 Zaire-Emery (56.)
Gelbe Karten: Hummels - Marquinhos
Zuschauer: 81.365 (ausverkauft)
Die Schwarzgelben, die in der Bundesliga mit rätselhaften Leistungen permanent am Abgrund tänzeln und bei denen Trainer Edin Terzić als Erster abzustürzen droht, behaupteten sich in der Königsklasse wieder einmal als trittsichere Klettermeister. Zwar spielten sie nicht die Sterne vom Himmel herunter, die waren ohnehin nicht zu sehen gewesen, aber sie agierten mutig. Mit ihrer Aufstellung, in der mit Salih Özcan aus Personalnot nur ein Sechser vorgesehen war, aber auch mit ihrer Art und Weise, wie sie Paris entgegentraten. Auch die Gäste hatten alles in die erste Elf gekippt, was einsatzbereit und gefährlich war. Und das war so einiges. Neben Mbappé und Zaire-Emery noch Randal Kolo Muani, Bradley Barcola sowie der flinke Spielmacher Vitinha. Und so hielt sich das Spiel lange mit taktischen Fentereien auf. Es wurde ein wilder Schlagabtausch.
Einer, der Terzic ein bisschen von den Vorwürfen eines mutlosen Fußballs befreit. In den vergangenen Wochen war viel auf den Trainer eingebrochen, der emotional so sehr mit dem Klub verbunden ist, der einst ein Kind der Kurve war. Der unbedingt diesen Traum weiterleben möchte, aber in diesem Kampf zuletzt den Faden verloren hatte. Immer neue Aufstellungen und Ansätze. Die Identität war abhanden gekommen, die Stimmung ständig nahe dem Kipppunkt. Niemand wusste mehr so recht, wofür dieser BVB stehen soll. Angsthasenfußball wurde ihm vorgeworfen. Nun diese Leistung, dieser anhaltende Mut und die dauerhafte Bereitschaft. "Man kann sich viele Pläne vor dem Spiel ausmalen, das Wichtigste ist die Aktivität", dozierte der erleichterte Terzic. "Wie zeige ich mich, wie bewege ich mich, wenn mein Mitspieler den Ball hat? Man hat erkannt, was wir wollten."
"Aus irgendeinem Reflex kriege ich den Fuß hoch"
Marco Reus und Marius Wolf hatten die ersten beiden Abschlüsse, der von Reus landete in den Armen von PSG-Keeper Gianluigi Donnarumma, Wolf semmelte den Ball am Kasten vorbei. Das Stadion war voll auf Touren, noch bevor es heldenhaft großartig wurde. Die Ouvertüre für die Szene des Spiels lieferte Kang-in Lee (16.), der völlig frei den Ball nicht richtig traf. Dann brach Mbappé durch, Niklas Süle, der überraschend für Nico Schlotterbeck an der Seite von Mats Hummels verteidigte, sah schlecht aus, er hatte einen brillanten Chipball von Ex-Bayern-Profi Lucas Hernández böse unterschätzt. Mbappé rannte auf Kobel zu, umkurvte ihn und schob den Ball an das eilig hochgerissene Bein des auf der Torlinie rutschenden Süle. Was für eine Szene. Sie erinnerte an die Sensations-Grätsche einst von Sven Bender im DFB-Pokal gegen den FC Bayern Ende April 2017.
"Aus irgendeinem Reflex kriege ich den Fuß hoch", erklärte Süle zu seinem sensationellen Moment, der ihn vielleicht wieder mehr ins Rampenlicht stellt. Beim BVB war er zuletzt keine Stammkraft mehr und auch in der Nationalmannschaft gerät sein Traum von der Teilnahme an der Heim-EM so in Gefahr. Wie die "Bild"-Zeitung berichtet, soll es vor dem Spiel zu einer Art Krisentreffen zwischen Sportdirektor Sebastian Kehl, Süle und dessen Berater gekommen sein. Ausgang? Unklar. Aber wenn die Reaktion des Spielers dann eine solche ist, dann wohl gerne häufiger, zumindest aus Sicht des BVB. Und auch aus der von Bundestrainer Julian Nagelsmann, der ja für seine klappernde Nationalmannschaft dringend noch Verteidigungsmonster sucht.
Spätestens jetzt brannte es auf den Tribünen lichterloh, im besten aller Sinne. Pyrotechnisches Material war nur ganz vereinzelt abgebrannt worden. Die berüchtigten und sehr feurigen PSG-Fans waren einem Großteil alle Feuerwerksgegenstände bei großen Kontrollen an den Landesgrenzen entledigt worden. So war es ein leidenschaftlicher, stimmungsvoller Abend, der kaum Atempausen gönnte, sondern weiter Highlights lieferte. Barcola knallte den Ball an Pfosten, Kolo Muani hauchte ihn wie ein Snookergenie knapp an der Tasche (dem Tor) vorbei. Aber auch der BVB machte mit. Reus vergab noch einmal gegen den starken Donnarumma, ehe Adeyemi frei stehend ausließ. Das Remis war zur Pause in Ordnung, aber es hätte auch 2:0 oder 3:0 für BVB oder PSG stehen können. Im Parallelspiel führte Newcastle daheim gegen Milan mit 1:0. Die Pariser tanzten mit dem drohenden Fiasko einen toxischen Paartanz. Während die Gastgeber im schönen Schein des Flutlichts malochend glänzten. Und sich den Widerspruch zum tristen Alltagsgrau nicht erklären konnten.
"Wir hatten in dieser Saison häufig das Problem, dass wir in der Champions League eine andere Dynamik und Willen gezeigt haben. Es ist nicht immer leicht zu erklären - unter Flutlicht gegen die stärksten Mannschaften Europas gibt es keinen Spieler im Kader, der nicht bis unter die Haarspitzen motiviert ist", befand Süle und erhob Selbstanzeige. "Wir müssen uns den Vorwurf machen, dass wir das ab und zu in der Bundesliga mit dieser unglaublichen Belastung nicht zeigen. Das darf keine Ausrede sein, da man sieht, dass wir trotzdem so eine Leistung drei Tage nach einem intensiven Spiel zeigen können." Nun ist die Umsetzung gefragt, sechs Punkte gibt es in der Bundesliga bis Weihnachten noch zu holen, alle sechs sollen her. Und dann wird eventuell nachjustiert, wie Sportdirektor Sebastian Kehl bekannte. Mit VfB-Sensation Serhou Guirassy? Dieses Gerücht hatte die "Sport Bild" auf den Tisch geknallt. Kehl sagte, er sei amüsiert und dementierte alle Kontakte. Wahrheit, oder taktische Spielerei?
Füllkrug opfert sich im Kampfduell
Zurück im Spiel und da drohte es PSG tatsächlich den Boden unter den Füßen wegzureißen, als Adeyemi traf. Der unermüdliche und überragende Rany Bensebaini ging stark ins Gegenpressing, brachte den Ball zu Niclas Füllkrug, der seinen Sturmkollegen sah, ihn bediente und fortan mit den Schwarzgelben jubelte. Füllkrug hatte zu diesem Zeitpunkt schon mehr einstecken müssen, als manch ein Profiboxer in zwölf Runden. Mit dem knüppelharten Verteidiger Milan Skriniar lieferte er sich ein packendes Duell nach dem anderen. Immer lag einer. Füllkrug opferte seinen Körper, Skriniar wehrte sich mit allem, was er hatte. Was öfter auch mal der Ellenboden war. Es rappelte immer wieder. Die Kunst des Knalls changierte mit der Kunst des Balls. Die beanspruchten nach dem Rückstand immer mehr die Franzosen. Ohne einen erkennbaren Plan gegen die klug agierenden Borussen um den fleißigen und meistens sehr aufmerksamen Özcan. Außer den Ball irgendwie zu Mbappé zu bringen, mit manchmal scharfen, manchmal aber auch hanebüchen wilden Zuspielen, war da nicht viel zu sehen von diesem talentierten Ensemble, das im Ganzen immer noch 1,07 Milliarden Euro wert ist. So war es dann auch eine mit Wut und Überzeugung vorangetriebe Einzelleitung von Zaire-Emery, die zum Ausgleich geführt hatte.
Die kreativlosen Franzosen trafen auf Dortmunder, die wie die Höllenhunde verteidigten. Die hatten die Pariser bereits nach dem 1:0 im Maul, aber sie bissen nicht final zu. Die letzte Präzision fehlte, in den letzten 30 Minuten schossen die BVB'ler nicht einmal mehr aufs Tor, das ist zu wenig für einen Sieg. Dafür regelten sie die Dinge im eigenen Haus mit Verve. Hummels grätschte, köpfte und dribbelte den Ball aus den gefährlichen Räumen. Nach einigen Wacklern in den ersten Minuten wurde er immer besser, dass er am Ende Mbappé noch ein-, zweimal stehen lassen musste, war seiner gelben Verwarnung geschuldet. An der Seite des alten Heldengrätschers erwuchs auch Bensebaini endlich einmal zu jener Verstärkung auf der linken Außenverteidigerposition, die er unbedingt sein sollte. Er kochte seine wilden Gegenspieler Zaire-Emery und Kolo Muani immer wieder stark ab.
Einmal hatten sie auch Glück, als Mbappé traf, es wäre das 2:1 gewesen, der Stürmer aber hauchzart im Abseits stand. Was dem scharfäugigen VAR nach Jubelorgie der Pariser und längerer Prüfung aufgefallen war. So wankte sich das turbulente Spiel dem Schlusspfiff entgegen, der BVB konnte nicht mehr, PSG wollte nicht mehr, bis auf Mbappé, dem letzten Relikt der übergroßen Superstar-Ära bei Paris, dessen Zukunft aber weiter unklar scheint. Sehr viel deutet seit langer Zeit darauf hin, dass dieser Anlauf zum Henkelpott der letzte von Mbappé im Trikot der Pariser ist. Und die Leidenschaft, es allen zu beweisen, ehe er weiterzieht (zu Real Madrid?), die brennt in ihm.
Quelle: ntv.de