Endlich, endlich am DFB-Ziel Befreiter ter Stegen vermeidet nur einen Satz über Neuer
05.09.2024, 14:50 Uhr
Marc-André ter Stegen geht's als neue Nummer eins im DFB-Team blendend.
(Foto: dpa)
Marc-André ter Stegen ist die neue Nummer eins der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Das macht ihn sehr glücklich. In der ersten Medienrunde in neuer, offizieller Rolle spricht er aber auch über die schweren Zeiten für ihn - im Schatten von Manuel Neuer.
Am Ende seiner ersten Medienrunde als offizielle Nummer eins der deutschen Fußball-Nationalmannschaft sorgt Marc-André ter Stegen für eine dicke Überraschung. Der erste Spieler, der ihm ein Vorbild gewesen sei, war, und jetzt Obacht, Marcel Ketelaer. Ältere und Experten werden sich erinnern. Man kann sich das einfacher herleiten, als man vermuten würde: Ketalaer war damals eine große Nummer bei Borussia Mönchengladbach, wo auch der junge ter Stegen seine Karriere begann. Als er, ter Stegen, im Alter von zehn, elf Jahren dann allerdings vom Feld ins Tor wechselte, änderte sich der Blick. Nun diente Oliver Kahn als Mann, dem es nachzueifern galt.
Auch zu Iker Casillas habe er später mal rübergeblickt, zu Italiens Ikone Gigi Buffon. Und auch bei Manuel Neuer hat er hingeguckt. Er schaute, was sie erfolgreich machte, suchte aber immer seinen eigenen Weg, betonte der nun äußerst gelöste und gut gelaunte ter Stegen. Der führte ihn im Sommer 2014 zum FC Barcelona und jetzt als unangefochtene Stammkraft ins DFB-Tor. Eine Ewigkeit hatte er darauf warten müssen, weil Neuer immer da war. Zumindest immer dann, wenn es wichtig wurde. 2017 gewann er den Confed Cup mit der DFB-Auswahl, aber bei einer EM oder WM war kein (Stamm)-Platz für ihn. So wird die WM 2026 in den USA, in Mexiko und Kanada, wenn bis dahin nichts Außergewöhnliches geschieht, sein erstes großes Turnier zwischen den Pfosten.
"Boah, das ist wieder ein Schlag gewesen"
Die ewige Nummer zwei soll nun mindestens mittelfristig die Nummer eins sein. Was durchaus überraschend ist: Obwohl ter Stegen ja stets im Schatten des Kapitäns stand, kommt er bereits auf 40 Länderspiele. Die hat er sich seit seiner ersten Nominierung am 26. Mai 2012 zusammengehamstert. Beim Testspiel gegen die Schweiz durfte er auch direkt ran, erlebte aber ein fürchterliches Debüt, Deutschland verlor mit 3:5. Und ter Stegen erwischte einen schlechten Tag. "Das war nicht mein bester Tag, ich habe auch meine Fehler und kein gutes Spiel gemacht. Fünf Gegentore tun schon weh. Ich bin sehr enttäuscht, auch von mir", sagte er damals im Alter von 20, nach einem rasanten Aufstieg bei Borussia. Vergessene Zeiten, ter Stegen ist längst in der Weltklasse etabliert. Aber er steht auch in der Pflicht, die Geister der Vergangenheit nicht wieder zu rufen. Besonders in seinen früheren Jahren unterliefen ihm im deutschen Tor nämlich teils haarsträubende Fehler. Als ewig bellender Herausforderer steht er dadurch noch mehr im Fokus der ewig kritischen Öffentlichkeit.
Nun soll die Zahl der Spiele im Nationaltrikot nicht mehr hamsterartig wachsen, sondern rasant. Das war, ist und bleibt sein Anspruch. Offen äußerte er sich nun in neuer, offizieller Rolle zur mehrmaligen Zurückstufung hinter Neuer vor etlichen Turnieren wie zuletzt der Heim-EM. "Um ehrlich zu sein, gibt es immer die Momente, in denen du sagst: Boah, das ist wieder ein Schlag gewesen."
Er will diese Zeiten endlich hinter sich lassen. Es habe immer wieder "enge Entscheidungen" gegeben, "die dann meistens in die Richtung von Manuel Neuer gingen". Sein Anspruch aber sei stets gewesen, "die Nummer eins zu sein, was mir ein Jahrzehnt lang leider Gottes nicht gelungen ist". Es habe immer diesen einen gegeben, Neuer nämlich, der es geschafft habe, sich vorzudrängen. Aber an Neuer, der es immer wieder geschafft habe, dem Druck standzuhalten, richtete er faire Glückwünsche dafür, "was er erreicht hat - in der Nationalmannschaft und auf Klub-Niveau". Was ter Stegen aber nicht sagte: Dass Neuer in dieser Zeit der bessere gewesen sei.
"Das ist Balsam für die Seele"
Nun, das wäre angesichts der immer wieder kolportierten Rivalität vielleicht auch zu viel des Guten gewesen, zumal ter Stegen Wert darauf legt, immer bei sich zu bleiben. Und nun ist seine Zeit: "Ich freue mich über die ganzen netten Worte, die mir die Kollegen und der Trainer gewidmet haben. Das ist Balsam für die Seele", sagte er. Der 32-Jährige betonte, er sei mit allen Rückschlägen professionell umgegangen. "Aber es war enttäuschend, damit musst du leben. Es gab viele Gespräche in den ganzen Jahren, es kam auch Frustration auf, wenn du immer wieder anläufst." Aber es habe sich gelohnt: "Ich bin mir treu geblieben."
Den Rückhalt seiner Teamkollegen hat er sicher. Stürmer Niclas Füllkrug, einer der neuen Wortführer in der Zeit nach Thomas Müller, Toni Kroos, Ilkay Gündogan und Neuer, sagte stellvertretend: "Marc freut sich sehr auf diese Zeit, das kann ich euch versprechen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er den Job ohne Zweifel sehr gut ausführen und der Mannschaft ganz viel Qualität und auch Charakter auf dem Platz geben wird." Und auch der neue DFB-Kapitän Joshua Kimmich findet nur Gutes an der Entscheidung von Bundestrainer Julian Nagelsmann: "Das hat Marc-André sich sehr verdient. Er hat über Jahre beharrlich auf seine Chance gewartet. Er hat sich immer in den Dienst der Mannschaft gestellt."
Seinen Auftritt in neuer Rolle und mit neuer Nummer, der 1, auf dem Rücken hat er am Samstagabend (20.45 Uhr im ZDF und im Liveticker bei ntv.de) in Düsseldorf. Im ersten Spiel der neuen Nations League geht es dann gegen Ungarn. "Natürlich ist es ein anderes Gefühl", sagte ter Stegen. Eines, das er nun lange, sehr, sehr lange genießen möchte. "Ich bin froh, dass die Zeit des Wartens jetzt vorbei ist. Ich freue mich auf die neue Aufgabe, auf das, was kommt. Ich möchte erfolgreich sein." Die Worte "Weltmeister werden" kommen ihm dabei auf die Frage nach der gewünschten Schlagzeile nach der WM 2026 aber nicht über die Lippen. Das übernimmt DFB-Sprecherin Franziska Wülle. Ter Stegen lacht und sagt: "Stark". Aber zitiert werden möchte er damit nicht.
Quelle: ntv.de