Die Sau bleibt erst mal drin Gieriger FC Bayern - und ein wenig Hoffnung
08.04.2018, 09:46 Uhr
Hurra, wieder Meister: Die Sau lässt der Fc Bayern in Augsburg allerdings drin.
(Foto: imago/Xinhua)
Auch nach der Abkehr von der Modernität dominiert der FC Bayern die Welt des deutschen Fußballs nach Belieben. Keine Mannschaft nutzt die Schwäche der Konkurrenz so gnadenlos, keine ist so hungrig auf Titel. Droht nun die ewige Langeweile?
Es gibt auch noch gute Nachrichten aus der Welt des deutschen Fußballs. Julian Brandt, 21 Jahre alt, Nationalspieler, hat just seinen Vertrag beim Bundesligisten Bayer 04 Leverkusen bis zum Sommer 2021 verlängert. Oder besser: Einer der besseren deutschen Jungprofis geht, das ist die Botschaft, nicht zum FC Bayern. Er geht nicht zu dem Klub, der am Samstag mit dem letztlich ungefährdeten Sieg in Augsburg die sechste deutsche Meisterschaft hintereinander perfekt gemacht hat und die Liga bis jenseits der Grenze zur Langeweile dominiert.
Ob Brandt mit seiner Einschätzung richtig liegt, in Leverkusen wachse "etwas Supergroßes heran", sei einmal dahingestellt. Was zählt, sind das Signal und die damit verbundene Hoffnung, dass es dieses Beispiel Schule macht; dass vielleicht auch bei den Spielern selbst ein Umdenken einsetzt; dass es nicht jeden, der einigermaßen kicken kann, direktemang nach München zieht - wie den Noch-Schalker Leon Goretzka, wie die Hoffenheimer Niklas Süle und Sebastian Rudy im vergangenen Sommer, allesamt Nationalspieler. Das bringt, außer den Bayern, auf die Dauer niemandem etwas - die dann auch zum siebten, achten, neunten und zehnten Mal in Folge am Ende auf Platz eins der Tabelle landen. Und wenn, wie am 28. Spieltag geschehen, der Tabellenführer den Tabellendritten mit 6:0 abkanzelt, dann müssen sie sich nicht nur in Dortmund Gedanken darüber machen, was falsch läuft in dieser Liga.
Wenn nur die Auslosung spannend ist
Doch trägt dieses Signal über den Status der Hoffnung hinaus? In Zeiten, in denen die Schere zwischen den Klubs, die regelmäßig in der Champions League spielen, und denen, die viel weniger Geld verdienen, größer und größer wird? Die Tendenz spricht dagegen. In Spanien hat der FC Barcelona als Spitzenreiter neun Punkte Vorsprung auf, nun ja, Verfolger Atlético Madrid. Manchester City steht in England sechs Runden vor dem Ende der Saison trotz der Niederlage gegen den Stadtrivalen 13 Zähler vor Manchester United.
In Frankreich steuert Paris Saint-Germain mit einem 14-Punkte-Polster auf die Meisterschaft zu. In der italienischen Serie A ist es mit dem Zweikampf zwischen Juventus Turin und dem SSC Neapel nur ein wenig spannender. Wer richtigen Nervenkitzel will, sollte sich der armenischen Premier League zuwenden: der FC Alaschkert Martuni führt mit drei Zählern vor dem FC Schirak Gjumri und Gandsassar Kapan, einen Punkt dahinter folgt der FC Banants Jerewan - geschenkt. Jüngstes Indiz für den Fluch der Langeweile sind die Hinspiele im Viertelfinale der europäischen Königsklasse. Im Grunde ist die Messe jetzt schon gelesen: Real Madrid, der FC Barcelona, überraschend der FC Liverpool und eben der FC Bayern können für das Halbfinale planen. Nur: Wenn das Spannendste an der ganzen Sache die Auslosung ist, dann läuft etwas falsch.
Von wegen Weltklub
Und nun? Machen sie in München einfach weiter. Wirklich originell ist bei der sechsten Meisterschaft in Folge ja nichts mehr. Der nationale Titelgewinn ist, das haben sie nach dem Spiel in Augsburg betont, ist nur der erste Schritt auf dem Weg zum Tripletraum. Daher haben sich die Bayern zwar gefreut, aber keine ausschweifende Party veranstaltet. Trainer Jupp Heynckes sagte: "Feiern können wir dann, wenn die Gelegenheit richtig dazu da ist, dass man dann auch mal die Sau raus lassen kann."
Und im Grunde haben die Bayern diesen Titel mit dem Gegenteil von Originalität gewonnen - von wegen weg von einem mittlerweile dann doch etwas zu groß geratenen Familienunternehmen hin zum Weltklub. Die Modernität, der sie sich verschrieben hatten, als Uli Hoeneß im Gefängnis war, ist der Traditionalität gewichen. Trainer Josep Guardiola, Sportvorstand Matthias Sammer und Kaderplaner Michael Reschke sind weg, Philipp Lahm, Max Eberl und Thomas Tuchel gar nicht erst gekommen. Nun ist Heynckes wieder da, Präsident Hoeneß schwingt das große Wort.
Und doch zeichnen den FC Bayern zwei Dinge aus: Keine Mannschaft hierzulande versteht es besser, die offensichtliche Schwäche der Konkurrenz so gnadenlos auszunutzen. Und keine Mannschaft schafft es, trotz aller Erfolge eine solch' erstaunliche Gier nach Siegen und Titel zu entwickeln. Die Sau bleibt erst einmal drin; denn dieser FC Bayern kriegt einfach nicht genug. Und das ist für den deutschen Fußball im Grunde eine eher schlechte Nachricht.
Quelle: ntv.de