Sechs Lehren des 9. Spieltags Guardiola grapscht, der BVB schimmelt
27.10.2014, 14:14 Uhr
Anfasser: Josep Guardiola kommt Bibiana Steinhaus sehr nahe.
(Foto: imago/Moritz Müller)
Erst hatte Dortmund in der Liga kein Glück, jetzt kommt noch Pech dazu. Weltklasse ist der BVB nur noch als Aufbaugegner für andere Krisenklubs. Der FC Bayern hat doch noch Gegner - und Guardiola packt gern zu.
1. Der BVB ist der perfekte Aufbaugegner
0 Tore und 0 Punkte: Mit dieser Auswärtsbilanz reisten die Hannoveraner nach Dortmund. Und mit der frechen Ansage von Trainer Tayfun Korkut: "Wir wollen weiterhin vor dem BVB in der Tabelle stehen und dort etwas holen." Noch vor ein paar Wochen hätten die BVB-Fans und wohl auch die Spieler über diese Frechheit müde gelächelt. Nach dem 1:0-Sieg der 96er muss man konstatieren: Das ist einfach mal die Lage in Dortmund. Sie haben Jens Kellers letzten Sieg zugelassen. Sie haben dem HSV den bislang einzigen Saisonsieg beschert. Sie haben beim Aufsteiger Köln verloren. Sie sind: ein Aufbaugegner. "Es ist wie verhext", sagte Mats Hummels nach der erneuten Niederlage.
Am Einsatz, der zuletzt moniert worden war, hatte es nicht gelegen. Weder auf dem Platz, wo sich Henrikh Mkhitaryan beinahe eine handfeste Schlägerei Ceyhun Gülselam lieferte, noch daneben. Nach einem Eilantrag an die DFL durften die Borussen in den Champions-League-Trikots auflaufen, in denen es doch so gut läuft. Selbst der Rasen wurde in der Länderspielpause ausgewechselt. Platzwart Willi Droste hatte Schneeschimmel und Schwarzalgen-Befall ausgemacht. Wenn es also weder am Rasen noch an den Trikots liegt, woran dann? Vielleicht steckt die Antwort im Statement von 96-Trainer Tayfun Korkut: "Wir hatten einen sehr guten Keeper und ein bisschen Glück." Beides hat der BVB im Moment nicht, kann er aber dringend gebrauchen. Am nächsten Spieltag geht es zu den Bayern. Und dann kommt Gladbach.
2. Es ist so eine Sache mit den neuen Besen
Apropos schweres Programm. Bevor die Bayern gegen den BVB antreten, schauen sie im DFB-Pokal in Hamburg vorbei. Das haben sie schon in der vergangenen Saison getan, da hieß es am Ende 5:0. Die Kräfteverhältnisse sind heute die selben, daran haben auch die beiden Trainerwechsel an der Elbe nichts geändert. Unter Joe Zinnbauer lassen die Hamburger zwar mehr Engagement erkennen – aber im gegnerischen Strafraum verbreitet der HSV ungefähr so viel Angst und Schrecken wie ein Katzenbaby im Kindergarten. Noch nie hat eine Bundesliga-Mannschaft nach neun Spielen so wenig Tore erzielt wie der HSV, ganze drei sind es an der Zahl. Der neue Trainer Joe Zinnbauer hat zwar gerade erst einen Vertrag bis 2016 erhalten, wird aber schon wieder kritisch beäugt - und geht bereits zur Verteidigung über: "Wir müssen das Konzept weiterfahren. Es hat allen gestern noch gefallen."

Nach zwei Siegen zum Start kassierte Schalke-Coach Roberto di Matteo nun die erste Niederlage.
(Foto: REUTERS)
Das Konzept des FC Schalke 04 heißt unter Roberto di Matteo: Catenaccio. Tief stehen und dann mit hohen Bällen das Pressing der Leverkusener umgehen, so lautete die Devise. Fast wäre das mit einem Punkt belohnt worden, wenn Hakan Calhanoglu nicht einen Freistoß aus seiner Lieblingsposition hätte schießen dürfen. Dass Schalke im Vorwärtsgang in etwa so zwingend agierte wie der HSV, kreidete di Matteo seinen Defensivspielern an: "Sie sind nicht aufgerückt." Immerhin hat er nun eine Woche Zeit, um ein paar Angriffsvarianten einzustudieren – Schalke ist ja bekanntlich im DFB-Pokal schon ausgeschieden.
3. Tore sind denkwürdig, spektakulär - und überbewertet
Eintracht Frankfurt hatte aus dem 1:3 gegen den VfB Stuttgart gerade ein 4:3 gemacht, da krächzte Radio-Kommentator Dirk Schmitt eine Liebeserklärung an den Fußball ins ARD-Mikrofon. Genau solche Spiele, befand er leicht atemlos angesichts der Torflut, würden diesen Sport so faszinierend machen, genau solche! Und da hatte das denkwürdige Torspektakel zwischen der Eintracht und dem VfB noch gar nicht zum großen Finale angesetzt, am Ende stand es bekanntlich 5:4 - für die Stuttgarter. Verrückt? Gar nicht mal so unüblich im Fußball, wenn auch in dieser extrem freudvollen Ausprägung doch eher selten. Dank welcher gruppendynamischen und -psychologischen Effekte eine Fußball-Mannschaft aus einem 0:1 erst ein 3:1, dann ein 3:4 und schließlich ein 5:4 zu machen vermag, wieso sie auf dem Rasen tausend Tode sterben und beim Schlusspfiff trotzdem mit drei Punkten dastehen kann - das ist eines der Mysterien, die Fußball zu einer der beliebteren Sportarten in der Welt machen. Genauso faszinierend ist aber die Faszination eines Spiels, dem es an Toren mangelt: entweder für die Mannschaft, die unbedingt eines schießen will, wie in Dortmund. Oder komplett, wie beim 0:0 zwischen Gladbach und dem FC Bayern. Die hochklassige Nullnummer war auch ohne Tore der würdige Abschluss des 9. Spieltags, eines der besten Spiele dieser Saison. Wer sich bisher gefragt hat, warum das englische Fußball-Fachblatt "The Blizzard" den Slogan "Goals are overrated" auf T-Shirts drucken lässt: Jetzt weiß er es.
4. Es gibt noch Gegner für den FC Bayern
4:0 gegen Hannover, 6:0 gegen Bremen, 7:1 beim AS Rom - der FC Bayern hatte es auf dem Fußballplatz zuletzt nicht mehr mit Gegnern zu tun, sondern mit "Opfern" (Sky-Kommentator Marcel Reif). Am Sonntagabend im Borussia-Park von Mönchengladbach änderte sich das. Nicht sofort mit dem Anpfiff, in der Anfangsphase musste sich Gladbach defensiv durchaus noch sortieren. Beim Schuss von David Alaba brauchte die Borussia die Fingerspitzen von Keeper Yann Sommer und den Pfosten, um nicht in Rückstand zu geraten. Aber ab der 20., 25. Minute spielte Gladbach dann auch mit, übernahm in der 2. Halbzeit sogar die Kontrolle gegen die Über-Bayern, denen Keeper Manuel Neuer einen Punkt retten musste. Das freute nicht nur den Bezahlfernseh-Experten Oliver Kahn, der jubilierte: "Endlich hat mal auf der anderen Seite eine Mannschaft gestanden, die eine gewisse Aggressivität und Frechheit hatte." Das erkannten auch die Bayern an, Coach Josep Guardiola hielt nach der Partie aus dem Stand eine Lobrede auf den Gegner: "Gladbach hat großes Potenzial, und wenn sie im letzten Jahr nicht ein paar Spiele in Folge verloren hätten, dann wären sie jetzt schon in der Champions League. Das ist schon eine gute Mannschaft." Wie gut, dass der nächste Bayern-Gegner BVB heißt.
5. Auch Guardiola greift mal daneben
Im Ton vergreift sich Bayern-Coach Guardiola fast nie, bei Taktik und Personal immer seltener. Bei den Aktiven auf dem Platz sieht es anders aus. Seinen Spieler Jerome Boateng würgte er kürzlich vor einem Millionenpublikum - vor lauter Wonne, der Innenverteidiger hatte in der Champions League gerade das späte Siegtor gegen Manchester City erzwungen. Auch beim 0:0 in Gladbach wurde Guardiola wieder zum Anfasser, diesmal beglückte er die vierte Offizielle Bibiana Steinhaus. In der Nachspielzeit bekam die 35-Jährige zu spüren, wie sehr die Gladbacher den Bayern-Coach zuvor entnervt hatten.
Als sich Gladbachs Granit Xhaka trotz einer Bänderverletzung wieder auf den Platz schleppte, um dort fast umgehend zu erneut zu kollabieren, vermutete Guardiola Zeitspiel - und teilte das Steinhaus umgehend mit: verbal, indem er sie anbrüllte. Nonverbal, indem er sie anfasste. Plötzlich, im Eifer des Gefechts, lag Guardiolas linke Hand auf der linken Schulter von Steinhaus. Ein strafwürdiges Vergehen, das Steinhaus galant löste - indem sie Guardiolas Hand souverän abschüttelte und auf einen Vermerk im Spielbericht verzichtete. Mit Anfassern im Profifußball - Stichwort Busen-Wischer - hat Steinhaus schließlich Erfahrung.
6. Geld schießt Tore
Der VfL Wolfsburg erfreut sich an einem goldenen Oktober, bei den punktgleichen Hoffenheimern fragen sie sich nach dem 9. Spieltag: Sind wir etwa ein Spitzenteam? Beantworten lässt sich die Frage noch nicht abschließend, die TSG zum Beispiel stand ja in der Winterpause schon einmal ganz oben und am Saisonende dann auf Rang 7. Unstrittig ist nur: Beide Teams machen derzeit viel - allerdings auch aus viel. Auch wenn sich Dieter Hopp perspektivisch als Geldgeber aus dem Verein zurückziehen will: Die Basis des fußballerischen Erfolgs im Provinzstädtchen Sinsheim sind die Millionen des Mäzens. In Wolfsburg ist es - und das auf Jahre - das Geld von VW, das den Unterhalt eines noblen Luxuskaders und Tabellenplatz drei ermöglicht. Gut möglich, dass das bald wieder Thema wird bei der Bundesliga-Konkurrenz und sich Wolfsburgs Manager Klaus Allofs selbst zitieren muss - mit dem Satz: "Ich möchte eines klarstellen: Natürlich haben wir gute Voraussetzungen, doch auch wir können nicht einfach in die Schatulle greifen. Auch bei uns gibt es Vorgaben, die wir einhalten müssen."Gejagt werden Hoffenheim und Wolfsburg übrigens von Bayer Leverkusen - der anderen Werkself.
Quelle: ntv.de