6 Dinge, gelernt am 24. Spieltag Pep eisig, Klopp idiotisch, Hennes leidet
09.03.2015, 13:06 Uhr
"Dante? Er ist einer der besten Profis, die ich in meiner Karriere getroffen habe." Sagt Josep Guardiola.
(Foto: imago/Team 2)
Es ist der Spieltag der Gefühle in der Fußball-Bundesliga: Bayerns Dante ist traurig, weil Josep Guardiola ihn demontiert. Jürgen Klopp lässt sich von seinen Emotionen hinreißen - genauso wie "HW4". In Köln kriegt der Tierschutzverein Herzrasen.
1. Es hat doch alles keinen Sinn gegen die Bayern
Jedenfalls wenn man nicht VfL Wolfsburg heißt, oder aus einem anderen Grund mehr als 20 Millionen Euro pro Jahr in sein Team investieren kann. Hannover 96 kann das nicht, und Vereine vom Schlag der Niedersachsen sollten sich vielleicht der Veh-Doktrin ergeben - und die Partie gegen den FC Bayern einfach abschenken: Stammspieler schonen oder am besten im Spiel vorher die 5. Gelbe Karte kassieren lassen, nicht allzu viele Buden kassieren, wenig Worte drüber verlieren und nach Hause fahren.
So ähnlich hatte es Armin Veh vergangene Saison mit Frankfurt gemacht, seine Begründung: Das Spiel gegen Braunschweig sei im Abstiegskampf wichtiger. Es ging dann mit einem 0:5 wieder nach Hause, das Duell mit den Löwen gewann Vehs Team. Alles richtig gemacht also? Und damit alles falsch gemacht, Hannover 96? Viele Kommentatoren bescheinigten dem Tabellen-12. An diesem 24. Spieltag der Fußball-Bundesliga die beste Leistung im Kalenderjahr 2015. Richtig gut hätten seine Spieler agiert, meinte auch Sportdirektor Dirk Dufner: "Wir gehen dann auch in Führung. Aber wenn man die Bayern schon einmal soweit hat, sollte nicht der Schiedsrichter zu ihren Gunsten eingreifen." Es brauchte wirklich keine Vereinsbrille, um zu erkennen, dass Tobias Welz dem Rekordmeister den Sieg entscheidend erleichterte. Doch all das Hadern, all das Lob - was bringt es Hannover? Genau, nichts. Viel investiert, 1:3 verloren, macht null Punkte. Bayern hat gewonnen, wie fast immer. Genau einen Punkt hat der Spitzenreiter in dieser Saison bisher gegen Teams abgegeben, die nicht auf den Europapokal-Plätzen stehen. Und wer nicht auf Armin Veh hören will, der traut vielleicht eher dem großen Philosophen Homer J. Simpson: "Du hast dein Bestes versucht, und bist gescheitert. Was lernen wir daraus? Versuch es erst gar nicht."
2. Guardiola ist kein Kuscheltrainer
Sicher, er lächelt immer so nett, und er würde sogar Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt einen "Super, super Mannschaftsarzt" nennen, auch wenn er eher mit Jose Mourinho essen gehen würde als mit dem Bayern-"Doc". Aber: Josep Guardiola ist alles andere als ein Kumpeltyp. Das bekam in Hannover der stets lebensfrohe Dante zu spüren, der nach einer für einen Brasilianer denkwürdig hüftsteifen Vorstellung schon nach 32 Minuten auf der Bank Platz nehmen musste. Guardiola würdigte seinen Verteidiger keines Blickes, was sogar Matthias "Maschine" Sammer dazu nötigte, Dante aufzumuntern. Der sagte anschließend, er sei "traurig", könne aber den Trainer verstehen. Der sprach natürlich von einer taktischen Auswechslung. Aber warum verweigerte der Trainer dann den Handschlag? Auch der schon als Spieler bekannt einfühlsame Stefan Effenberg war schockiert: "Das war eine glatte Ignoration." Schlimmer noch als "Ignoration" ist wohl dieses Statement von Guardiola: "Dante? Er ist einer der besten Profis, die ich in meiner Karriere getroffen habe. Er ist unglaublich überragend." Sicher. Und was hatte der Spanier noch gleich vergangene Saison über Mario Mandzukic gesagt? Kurz bevor er den Kroaten hochkant aus der Mannschaft schmiss?
3. "HW4" ist auch nur ein Mensch
Bleiben wir auf der Gefühlsebene: In Hamburg plätscherte das Spiel zwischen dem HSV und Borussia Dortmund 90 Minuten recht ereignisarm vor sich hin. Es fielen folgerichtig keine Tore, was auch damit zu tun hatte, dass Heiko Westermann sich mehrfach Szenenapplaus verdiente, weil er Pierre-Emerick Aubameyang im Laufduell bezwang. Nun muss man über Heiko Westermann folgendes wissen: Freundliche Worte über seine berufliche Leistung bekommt er ungefähr so häufig zu hören wie ein Streifenpolizist auf der Reeperbahn nachts um halb eins. Die HSV-Fans und der Hamburger Boulevard haben den 27-fachen Nationalspieler als Symbolfigur für die Misere ihres Klubs ausgemacht. Und auf den Plätzen der Hamburger Oberliga gilt "Du spielst ja wie Westermann" als geeignete Beleidigung. Seit Samstag weiß die breite Öffentlichkeit noch etwas: Heiko Westermann hat es so dermaßen satt. "Die Kritiker und Idioten, die meinen, den Fußball erfunden zu haben, können mich mal am Arsch lecken", sagte er. "Ich war immer hier und habe meinen Arsch hingehalten und lasse mir von solchen Idioten nicht den Namen kaputtmachen." Apropos Name: Bei seinen Unterstützern trägt er den Beinamen "HW4". Das finden sie nicht eingängig? Der "HSV-Rapper Elvis" schon. Er schrieb einen "HW4-Song", bei dem Heiko Westermann auch gleich mitsang.
Was Jürgen Klopp, wie er sagt, schon lange wusste, einige vielleicht aber noch nicht mitbekommen haben: Er ist ein Idiot. Weil er seinen Mund nicht halten kann. Es ist nicht justiziabel, das zu schreiben, wir zitieren den BVB-Coach nur. Er wollte sich nämlich eigentlich gar nicht über Valon Behrami äußern. Wegen Marcel Reif. Er hat sich dann aber doch zu Behrami geäußert. Der Schweizer in Diensten des HSV hatte seine Zweikämpfe gegen die armen Dortmunder so engagiert geführt, dass Diego Simone noch in der Halbzeitpause Joe Zinnbauer anrief, er wolle Behrami haben - nicht als Spieler, sondern als Leibwächter. Einen Ellbogenschlag des HSV-Bad-Boys gegen Henrikh Mkhitaryan wertete Klopp dann auf Nachfrage als rotwürdig. Und fügte hinzu: "Und ihr macht da wieder eine Geschichte draus." Stimmt, Herr Klopp. Aber warum sagen Sie das dann? "Ich weiß, ich bin ein Idiot."
4. Di Matteo kennt das schöne Spiel
Die Fans hatten da so ihre Ideen, wie sich das Team von Schalke 04 für die hochnotpeinliche Vorstellung im Revierderby revanchieren könnte: "Kämpft, ihr habt keine Wahl!", stand auf einem Transparent geschrieben, das die Anhänger beim Heimspiel gegen Hoffenheim zeigten. Und wer hätte es gedacht: Sie hatten doch eine Wahl - sie kombinierten die TSG teilweise an die Wand. Dank Trainer Roberto di Matteo, der die jungen Wilden von der Leine ließ.
Allen voran Max Meyer, der nicht nur wegen seines Doppelpacks großen Anteil hatte an der offensiven Wiedergeburt des FC Schalke 04. Die Spieler, die in den letzten Wochen unübersehbar mit dem Catenaccio di Matteos fremdelten, wollten die Diskussion über die Taktik gar nicht erst aufkommen lassen und suchten die Gründe für die Leistungsexplosion woanders: "Der Trainer hat uns bei der Ehre gepackt", erklärte Christian Fuchs, Torschütze zum 1:0. Das klingt schön, das stellt den traditionell ausgerichteten Teil des Anhangs zufrieden, das hat aber wenig mit dem zu tun, was auf dem Platz passierte – da nämlich kündigte sich eine Abkehr vom schwerfälligen, zähen Stabilitätsfußball ab, den di Matteo bisher auf Schalke spielen ließ. Stattdessen stehen Protagonisten wie Meyer und Leon Goretzka für leichtfüßige Kombinationen. Fehlt noch Julian Draxler, der aber immerhin schon wieder ins Lauftraining eingestiegen ist. Im Kampf um die Champions-League-Plätze hat sich S04 vorerst eindrucksvoll zurückgemeldet - im Rückspiel des Achtelfinals der Königsklasse gegen Real Madrid am Dienstag brauchen die Schalker aber nach dem 0:2 zu Hause ein königsblaues Wunder. Immerhin: Real verpatzte die Generalprobe, verlor mit 0:1 in Bilbao. Geht da was?
5. Beim VfB stehen die Zeichen auf Abstieg
Während die Mannschaft des VfB Stuttgart mit dem 0:0 gegen Hertha BSC dem Abstieg noch einen Schritt näher gekommen ist, gibt die sportliche Führung schon jetzt ein astrein zweitligataugliches Bild ab: Sportdirektor Robin Dutt hatte seit Wochen jede Gelegenheit zu einem klaren Bekenntnis zum Trainer ausgelassen, um ausgerechnet nach dem neunten verpassten Heimdreier in Serie Huub Stevens sein volles Vertrauen auszusprechen. Den Niederländer zeichne "eine Überzeugung, eine Erfahrung" aus. Das aber nicht erst seit gestern, und trotzdem geistert seit Wochen hartnäckig der Name Alexander Zorniger durch Stuttgart. Stevens wiederum hat das Kapitel Stuttgart ohnehin schon wieder abgehakt und liefert sich amüsante bis groteske Scharmützel mit Journalisten. Im Anschluss an das Spiel gegen Hertha steigerte er sich in den Kinski-Modus hinein: "Jeden Tag kommt dieselbe Frage", herrschte er Sky-Reporter Stefan Hempel an. Der wünschte "Alles Gute" und reichte die Hand zur Versöhnung. Vergebens. "Von mir nicht", knurrte Stevens nur. Abgang.
6. Der FC packt die Gelegenheit bei den Hörnern
Sie hatten es so lange durchgehalten, doch nun drohte die Stimmung zu kippen: Entgegen aller kölschen Traditionen spielte der FC bislang auswärts seriös seine Punkte ein und begegnete der bitteren Heimbilanz mit nur einem Sieg bis zu diesem 24. Spieltag mit Ruhe und Gelassenheit. Das unnötige Pokal-Aus in Freiburg erschütterte den Aufsteiger dann aber doch. So dürfe es nicht weitergehen, kritisierte Trainer Peter Stöger ungewöhnlich harsch.
Und setzte die richtigen Signale vor dem Heimspiel gegen Frankfurt. Neben Anthony Ujah lief mit Winter-Neuzugang Deyverson ein zweiter "echter" Stürmer auf, der dann auch gleich zum 1:0 traf. "Er bringt ein Element rein, das wir so noch nicht gehabt haben", lobte Sportdirektor Jörg Schmadtke. Er meinte den unbedingten Zug zum Tor, die Galligkeit, den Willen. Der übertrug sich offenbar auf das Team. Denn trotz der Drangphase der Frankfurter nach der Pause, die schnell zum 1:1 durch Alex Meier führte, behielten die Kölner den Kopf oben. Marcel Risses 2:1 löste dann den Knoten, Osako legte nach – und Anthony Ujah freute sich über sein 4:1 dann so überschwänglich, dass beinah eine kölsche Institution dran glauben musste. Der Nigerianer rüttelte an den Hörnern von Geißbock Hennes, die Entschuldigung folgte aber noch am Abend auf Instagram. So schnell kann die Stimmung also drehen in Köln. Als Extra-Service für alle FC-Fans hier noch ein kleines Gedankenspiel: Bislang hat Köln nur einen Punkt weniger als der BVB, der es ja vielleicht noch nach Europa schafft. Warum nicht der FC?
Quelle: ntv.de