Redelings Nachspielzeit

Kurioser Matthäus-Wechsel Als Jupp Heynckes den FC Bayern austrickste

Für Matthäus kassiert Gladbach immerhin - verliert aber sportliche Qualität an den FC Bayern.

Für Matthäus kassiert Gladbach immerhin - verliert aber sportliche Qualität an den FC Bayern.

Saison 1984/85: Als Karl-Heinz Rummenigge den FC Bayern verlässt, rechnen viele Experten mit einem Absturz der Münchener in der Bundesliga-Tabelle. Doch es kommt anders, auch weil der Jungstar Lothar Matthäus verpflichtet wird. Allerdings unter äußerst kuriosen Umständen - an denen Jupp Heynckes maßgeblich beteiligt ist.

Kaum zu glauben, aber wahr: Erst vor 38 Jahren übertrug das deutsche Fernsehen erstmals eine komplette Bundesligapartie. Genau wie an diesem Wochenende trafen dabei die großen Rivalen der siebziger Jahre - Borussia Mönchengladbach und der FC Bayern München - aufeinander. Das Nachholspiel des zwölften Spieltags wurde am 11. Dezember 1984 live vom Mönchengladbacher Bökelberg gesendet. Für die ARD kommentierte niemand Geringeres als Mister "Guten Abend allerseits" Heribert Faßbender.

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Anders als in den legendären 1970er-Jahren konnte die Borussia mit den Bayern allerdings nicht mehr Gleichschritt halten. Und so schafften es die Roten aus München in der Spielzeit 1984/85 zum dritten Mal in ihrer Bundesligageschichte vom ersten bis zum 34. Spieltag die Tabellenführung zu verteidigen. Zum Schluss wurde es dabei zwar noch einmal etwas enger, aber am Ende errangen die Münchner den Titel mit vier Punkten Vorsprung vor Werder Bremen. Der ganz große Showdown am letzten Spieltag blieb allerdings aus, weil Werder es nicht gelang, das Spiel beim abstiegsgefährdeten BVB zu gewinnen. Man unterlag den Borussen mit 0:2. Dortmund rettete sich damit vor der Relegation, und der Sieg der Bayern beim Absteiger Braunschweig wurde bedeutungslos.

Lattek lässt sich das Bier schmecken

Der Durchmarsch des heutigen Rekordmeisters kam jedoch auch für Experten überraschend. Viele waren zuvor davon ausgegangen, dass die Bayern den Wechsel Rummenigges nach Italien nicht verkraften würden. Doch offenbar war genau das Gegenteil der Fall. Die ehemaligen Mitspieler blühten regelrecht auf. Und schon im Herbst sagte Trainer Udo Lattek voller Euphorie: "Bier schmeckt mir immer, aber momentan besonders gut."

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Einer der großen Stars der Saison, Waldhofs Trainer Klaus Schlappner, lieferte eine recht schlüssige Begründung für Bayerns Triumph: "Sie haben den Titel auch deswegen gewonnen, weil der Karl-Heinz Rummenigge nicht mehr dabei war. Es war doch immer so: Wenn die früher siegten, dann hatte nur der Rummenigge gewonnen. Wenn sie aber verloren, dann waren's immer nur die restlichen sieben Zwerge." Doch nicht nur der Wechsel von Rummenigge sorgte für Furore. Gleichzeitig verpflichteten die Bayern aus Mönchengladbach Lothar Matthäus. Ein Umstand, der allerdings nicht bei allen gut ankam. In einem Leserbrief äußerte sich der Fußballfan Helmut S. aus Hockenheim zu den beiden Bayern-Transfers vor der Saison ziemlich eindeutig: "Mit Rummenigge wurden nicht nur Sympathien auf fremden Plätzen verkauft, es wurde ein Schiedsrichterbonus abgegeben. Borussia Mönchengladbach ist nach wie vor ein Fußballheiligtum in ganz Deutschland, dem man nun was genommen hat (Matthäus). Mit dieser Wegnahme hat sich Bayern, bei aller Legalität, den Hass in allen Stadien erworben."

Ablösesumme künstlich in die Höhe getrieben

Dabei mussten die Münchner um Uli Hoeneß bei diesem Wechsel tüchtig bluten. Denn Gladbachs Trainer Jupp Heynckes trieb spitzfindig die Ablösesumme von Lothar Matthäus künstlich in die Höhe. Weil er wusste, dass Matthäus bereits bei den Bayern unterschrieben hatte und eine Konventionalstrafe von 150.000 Mark hätte bezahlen müssen, falls der Transfer doch nicht zustande kommen sollte, bot die Borussia ihrem Spieler das Wahnsinnsgehalt von 474.000 Mark. Der besondere Clou: Jupp Heynckes griff für dieses Scheinangebot sogar in seine eigene Tasche. 50.000 Mark kamen aus seiner Privatschatulle.

Ein Trick, der sich am Ende ordentlich bezahlt machen sollte. Doch bei aller Freude über das viele Geld, wusste Heynckes genau, welchen selbstbewussten Weltklassespieler er da an die Bayern verlor. Er erinnerte sich präzise an die ersten Tage mit dem Jungtalent in Mönchengladbach: "Ich ließ sie fünf gegen zwei spielen, im Kreis. Da kam der Lothar und haute denen auf die Socken. Die Älteren haben natürlich geschimpft. Da hat der Lothar sich hingestellt und gemeint: 'Mensch Jungs, ihr müsst doch merken, dass ich hier bin!'"

Augenthaler will Ahlenfelder einpacken

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Kleine Randnotiz aus der Saison: Am 19. Spieltag verloren die Bayern auswärts bei Werder Bremen mit 4:2 und waren sauer auf eine echte Schiedsrichter-Legende. Doch Routine Klaus Augenthaler sah die Sache etwas anders als seine Mannschaftskameraden. Er wollte Wolf-Dieter Ahlenfelder am liebsten einpacken und mit in die bayrische Landeshauptstadt nehmen: "Wenn wir im Münchner Olympiastadion immer so einen Unparteiischen bekommen, dann verlieren wir nie und nimmer ein Heimspiel." Sören Lerby hingegen hatte noch etwas anderes auszusetzen: "Die Linienrichter kamen mir zuweilen so vor, als ob sie schlafen würden." Eine Lösung für Ahlis "Probleme" an der Pfeife hatte Bayerns Präsident Fritz Scherer parat, als er im Kabinengang ein Kamerateam mit Scheinwerfern entdeckte: "Richten Sie die doch mal auf Herrn Ahlenfelder. Vielleicht geht ihm dann ja ein Licht auf!"

Und dann noch das Bonmot der Spielzeit zum Schluss: Als Gladbach knapp in Leverkusen gegen knüppelharte Bayer-Spieler verlor, servierte Borussia-Spieler Ewald Lienen auf seine bekannte Art und Weise hinterher das Zitat der Saison: "Der Konzern schädigt die Umwelt und die Mannschaft den Fußball!"

Quelle: ntv.de

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