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Haupttreiber der Entwaldung Landwirtschaft lässt abgeholzte Flächen oft ungenutzt

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Die Rodungen erhöhen den CO2-Ausstoß und wirken sich verheerend auf die Artenvielfalt aus.

(Foto: dpa)

Die Abholzung von Tropenwäldern ist einer der Haupttreiber der Klimakrise. Hinter vielen Rodungen stehen Landwirtschaftsbetriebe. Eine neue Studie zeigt, dass dieser Einfluss noch größer ist als bisher gedacht. Dabei werden viele abgeholzten Gebiete dann gar nicht genutzt.

Die Landwirtschaft trägt wesentlich stärker zur Abholzung von Tropenwäldern bei als bisher angenommen. Analysen eines internationalen Forschungsteams zufolge gehen 90 bis 99 Prozent der Waldrodungen in diesen Arealen direkt oder indirekt auf das Konto der Landwirtschaft. Überraschenderweise werden direkt anschließend jedoch nur 45 bis 65 Prozent der gerodeten Flächen aktiv landwirtschaftlich genutzt, wie das Team um Florence Pendrill von der Technischen Hochschule Chalmers in Göteborg im Fachblatt "Science" berichtet.

Die fortschreitende großflächige Rodung von Tropenwäldern gilt als eines der größten Umweltprobleme des Planeten: Sie geht einher mit Treibhausgas-Emissionen, zerstört einzigartige Ökosysteme und lässt die Artenvielfalt schwinden. Dass die Entwaldung in den Tropen hauptsächlich auf das Konto der Landwirtschaft geht, ist unstrittig. Unklar war jedoch das Ausmaß dieser Beteiligung. Bisher gingen Beobachter von etwa 80 Prozent aus - allerdings ohne zuverlässige Datenbasis.

Dies prüfte das Team um Pendrill nun, indem es verschiedene Datensätze für den Zeitraum von 2011 bis 2015 für 87 tropische und subtropische Länder miteinander verglich. Zu den Quellen zählten unter anderem Daten der Welternährungsorganisation (FAO) sowie Informationen von Global Forest Change (GFC), die auf jährlichen Daten aus der Fernerkundung beruhen.

Weiden und Plantagen

Bisher gingen diverse Schätzungen davon aus, dass weltweit pro Jahr 4,3 bis 9,6 Millionen Hektar Tropenwald durch Landwirtschaft dauerhaft verschwinden. Diese Spanne grenzt das Team deutlich ein, auf 6,4 bis 8,8 Millionen Hektar - also 64.000 bis 88.000 Quadratkilometer. Zum Vergleich: Österreich hat eine Fläche von knapp 84.000 Quadratkilometern. Andere Nutzungen gerodeter Flächen - etwa für Siedlungen, Bergbau, Staudämme oder einfach nur zur Holzgewinnung - machen in der Summe nur einen kleinen Bruchteil dieser Fläche aus.

Genutzt werden die Areale meist als Weiden oder für den Ackerbau: "Die Ausdehnung von Rinderweiden ist der mit Abstand wichtigste Faktor, der etwa die Hälfte der für landwirtschaftliche Zwecke gerodeten Abholzung in den Tropen ausmacht", heißt es in der Studie. Palmöl- und Sojaplantagen stellen demnach mindestens weitere 20 Prozent. Die übrige Fläche werde überwiegend für sechs Feldfrüchte genutzt: Kautschuk, Kakao, Kaffee, Reis, Mais und Maniok.

Überraschend ist nicht nur die extreme Beteiligung der Landwirtschaft an den Rodungen. Zudem werden nur 45 bis 65 Prozent dieser Flächen - also 2,0 bis 4,5 Millionen Hektar - direkt nach den Rodungen aktiv landwirtschaftlich genutzt. Die übrigen Areale liegen vorerst brach, teils jahrelang. Das gilt in unterschiedlichem Maße sowohl für Lateinamerika als auch für Afrika und Asien.

Daten und transparente Lieferketten

Dies führen die Forscher darauf zurück, dass Gebiete häufig schon vorsorglich bei günstiger Gelegenheit abgeholzt werden - etwa für Landspekulation, in Erwartung einer künftigen besseren Infrastruktur etwa durch den Bau von Straßen oder bevor strengere Umweltgesetze in Kraft treten. Häufig seien auch die Besitzverhältnisse gerodeter Flächen ungeklärt oder Land erweise sich schlicht als ungeeignet für eine agrarische Nutzung. Zudem könnten absichtlich gelegte Brände, die ein bestimmtes Areal urbar machen sollen, unkontrolliert auf angrenzende Waldgebiete übergreifen.

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Aus den Erkenntnissen leitet das Team Empfehlungen ab, um das Ausmaß der Abholzung zu bremsen. "Unsere Studie zeigt, dass das Ziel einer politischen Reaktion letztlich eine stärkere Regulierung der Wald- und Landnutzung in den Erzeugerländern sein muss", sagt Ko-Autor Toby Gardner vom Stockholm Environment Institute.

Zwar würden Feldfrüchte wie Soja, Palmöl, Kakao und Kaffee meist in den internationalen Handel gehen, der größte Teil der auf den gerodeten Flächen erzeugten Produkte lande aber auf den heimischen Märkten. Daher sei in ländlichen Regionen die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung auch mit Blick auf die Kleinbauern wichtig.

Quelle: ntv.de, Walter Willems, dpa

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