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"Ich war zunächst ratlos" Der Erdkern hat scheinbar seine Drehrichtung gewechselt

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Schalenförmiger Aufbau der Erde: In etwa 5000 Kilometern Tiefe liegt der feste Erdkern aus Nickel und Eisen, umgeben vom flüssigen Inneren der Erde.

Schalenförmiger Aufbau der Erde: In etwa 5000 Kilometern Tiefe liegt der feste Erdkern aus Nickel und Eisen, umgeben vom flüssigen Inneren der Erde.

(Foto: Stoppel / Imagen 4)

Der Erdkern rotiert seit etwa 2008 langsamer - und von der Erdkruste aus betrachtet in eine andere Richtung, so eine Studie. Ans Licht bringt dies die Analyse von Erdbeben und früheren Atomtests. Über die Folgen können die Forschenden nur spekulieren.

Eine Studie von Forschenden der Peking-Universität und der University of Southern California sorgt derzeit für Aufsehen: Das internationale Team hat festgestellt, dass der Erdkern vor einigen Jahren seine Drehrichtung geändert hat - jedenfalls aus Sicht von uns auf der Erdoberfläche. In der Studie, die in der Fachzeitschrift "Nature" erschien, verorten die Forschenden die Umkehr auf das Jahr 2008.

Der innere Erdkern ist fest, besteht aus Nickel und Eisen und hat etwa die Größe des Mondes. Er liegt etwa 5000 Kilometer unter unseren Füßen und ist von flüssigem Gestein umgeben. Darüber liegen wie Schalen einer Zwiebel der Äußere Erdkern, Erdmantel und Erdkruste. Sie alle drehen sich von West nach Ost, einmal pro Tag um die eigene Achse. Allerdings dreht sich der Erdkern nicht immer mit derselben Geschwindigkeit wie der Rest der Erde. Das führt dazu, dass sich aus unserer Sicht seine Drehrichtung zu ändern scheint.

Wie Überholmanöver auf der Autobahn

Man kann sich das wie auf der Autobahn vorstellen: Man sitzt im Auto und fährt immer mit derselben Geschwindigkeit. Wird man nun links von einem schnelleren roten Auto überholt, scheint das rote Auto nach vorne zu fahren. Bremst das rote Auto aber ab und fällt wieder zurück, scheint es rückwärtszufahren. In Wirklichkeit fährt es weiter geradeaus, nur mit geringerer Geschwindigkeit als vorher.

Die Forschenden haben festgestellt, dass sich auch der Erdkern in den Jahren 2003 bis 2008 schneller als der Erdmantel drehte, sie sprechen von einer "Superrotation". Doch zwischen 2008 und dem Jahr 2023 drehte er sich langsamer, was als "Subrotation" bezeichnet wird. Der Erdmantel und die Menschen auf der Erdkruste haben 2008 den Erdkern überholt - aus unserer Sicht scheint er daher die Drehrichtung gewechselt zu haben.

Wiederkehrende Erdbeben liefern Hinweise

Die Veränderung der Erdkernrotation ermittelte das Team, indem es 121 wiederkehrende Erdbeben rund um die Südlichen Sandwichinseln auswertete. Dabei analysierten sie bestimmte seismische Wellen, die durch den inneren Kern hindurchlaufen, sogenannte PKiKP-Wellen. Indem man ihre Form und ihren Weg genau vergleicht, kann man erkennen, ob sich der Kern etwas schneller oder langsamer bewegt als die Erdkruste.

Die seismischen Messungen der Erdbeben - und sowjetischer Atomtests in den 1970er Jahren - wurden über viele Jahre nebeneinandergelegt. Dabei fiel dem Forscherteam auf, dass die Wellen der Erschütterungen mal etwas früher, mal etwas später bei den Messinstrumenten eintreffen. Aus diesen Abweichungen schlussfolgerten sie, dass der Kern seine Geschwindigkeit verändert hat.

"Lebhafter, als wir wissen"

"Als ich zum ersten Mal die Seismogramme sah, die auf diese Veränderung hindeuteten, war ich ratlos", sagte John Vidale, Erstautor der Studie, laut einer Mitteilung seiner Universität. "Aber als wir zwei Dutzend weitere Beobachtungen dasselbe Muster signalisierten, war das Ergebnis unausweichlich. Der innere Kern hatte sich zum ersten Mal seit vielen Jahrzehnten verlangsamt."

Ihre Beobachtungen würden "in groben Zügen" einem von anderen Forschern entwickelten Modell eines 70-Jahre-Zyklus der Erdkernrotation entsprechen, heißt es in der Studie. Dennoch stellten sie bei ihren Messungen eine eher unregelmäßige Veränderung der Drehgeschwindigkeit fest. "Der Tanz des inneren Kerns könnte noch lebhafter sein, als wir bisher wissen", sagte Vidale.

Welche Folgen die Veränderungen der Drehgeschwindigkeit des Erdkerns haben könnten, darüber können die Forscher nach eigener Aussage nur spekulieren. Möglich sei, dass die scheinbare Rückwärtsbewegung des inneren Kerns die Länge eines Tages um Bruchteile einer Sekunde verändern könnte. Dies sei aber "sehr schwer zu bemerken, da es sich um Tausendstelsekunden handelt", so Vidal.

Quelle: ntv.de

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