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Rassen und Streuner untersuchtIn fast jeder Hunderasse steckt Wolfs-DNA

25.11.2025, 12:24 Uhr
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Auch in den kleinen Chihuahuas können die Forschenden Anteile von Wolfs-DNA finden. (Foto: imago, Annabell Gsoedl, zoonar.com)

Chihuahua, Hütehunde oder Streuner: Forschende finden in verschiedenen Hunden Anteile der Wolfs-DNA. Weitere Erkenntnisse der Untersuchung werfen ein neues Licht auf die Evolution der beliebten Vierbeiner.

Der eine wird geliebt, der andere misstrauisch beäugt, teils gehasst: Auf Hund und Wolf blickt der Mensch sehr verschieden. Dabei gehören beide einer Art an - und in den meisten Hunden steckt selbst heute noch ein Stück Wolfserbgut, wie es in einer im Fachmagazin "Proceedings" der US-nationalen Akademie der Wissenschaften ("PNAS") vorgestellten Studie heißt. Die Analyse ist Teil einer mehrteiligen Sonderausgabe zu Genetik und Verhalten von Hunden.

Wolf und Hund gehören zur selben biologischen Art (Canis lupus), sie sind lediglich verschiedene Unterarten. Rund 16.000 bis 20.000 Jahre sei es her und damit nur einen "Bruchteil einer evolutionären Sekunde", dass der Wolf nach und nach zum Hund domestiziert wurde - wo, wann, wie und wie oft genau werde nach wie vor diskutiert, heißt es in der Sonderausgabe.

Klar ist jedenfalls: Die Bedeutung für den Menschen war immens - weil Hunde beim Bewachen, Jagen und Hüten halfen, und weil sie auch abseits aller Aufgaben zum geliebten Gefährten wurden. "Die Domestizierung von Hunden war ein Meilenstein der Menschheitsgeschichte."

350 anerkannte Rassen und Hunderte Millionen Streuner

Inzwischen gebe es viele Millionen Hunde, mehr als 350 anerkannter Rassen und geschätzt bis zu fast eine Milliarde Streuner weltweit, erläutert ein Team um Audrey Lin vom American Museum of Natural History in New York. Obwohl Wölfe und Hunde in denselben geografischen Regionen leben und fruchtbare Nachkommen zeugen können, komme es nur recht selten zu Kreuzungen.

Abgeschlossen war der Genfluss nach der Domestizierung aber keinesfalls, es gab also weiter Verpaarungen, wie die Forschenden mit einer Analyse von fast 2700 alten und modernen Hunde- und Wolfsgenomen zeigen. Fast zwei Drittel der modernen Hunderassen und alle 280 analysierten Streuner weisen demnach später, teils erst kürzlich hinzugekommene Anteile von Wolfsgenetik auf, die vermutlich Eigenschaften wie Körpergröße, Geruchssinn und Persönlichkeitsmerkmale beeinflussten.

Mit ein bisschen Wolf bleibt der Hund trotzdem Hund

"Dies deutet darauf hin, dass Hundegenome Wolfs-DNA bis zu einem unbekannten Grad "tolerieren" können und dennoch die Hunde bleiben, die wir kennen und lieben", erklärte Lin. Tschechoslowakischer Wolfhund und niederländischer Saarloos-Wolfhund, die im 20. Jahrhundert durch gezielte Kreuzung mit Wölfen geschaffen wurden, hatten mit 23 bis 40 Prozent den höchsten Anteil an Wolfsgenorten. Der britisch-finnische Tamaskan hingegen wirkt zwar wild und wolfsähnlich, weil er auf dieses Aussehen hin gezüchtet wurde, hat aber weniger als 4 Prozent Wolfsanteile, wie das Team berichtet.

Und, manche Besitzer dieser Rasse mögen es schon immer geahnt haben: Selbst im Chihuahua steckt ein Stück Wolf. Der Anteil liege bei etwa 0,2 Prozent. "Das leuchtet jedem ein, der einen Chihuahua besitzt", sagte Lin. "Und wir haben festgestellt, dass dies die Norm ist - die meisten Hunde haben ein wenig Wolf in sich." Ausgerechnet bei mächtigen Rassen wie Mastino Napoletano, Bullmastiff und Bernhardiner allerdings gebe es keinen nachweisbaren Wolfsanteil. Einschränkend gibt das Team zu bedenken, dass teils nur sehr wenige Tiere einer Rasse einbezogen wurden, beim Tamaskan zum Beispiel sogar nur einer.

"Im Laufe der Jahre mussten Hunde alle möglichen evolutionären Probleme lösen, die mit dem Leben mit Menschen einhergehen, sei es das Überleben in großer Höhe, die Suche nach ihrer nächsten Mahlzeit, während sie frei durch ein Dorf streifen, oder der Schutz der Herde", sagte Mitautor Logan Kistler vom National Museum of Natural History in Washington. "Und es scheint, als würden sie Wolfs-Gene als Teil ihres Werkzeugkastens nutzen, um ihre evolutionäre Erfolgsgeschichte fortzusetzen."

Sorgt viel Wolf im Erbgut für bestimmte Verhaltensweisen?

Basierend auf Beschreibungen von Zuchtverbänden und Internetrecherchen prüften die Forschenden auch, welche Rasseeigenschaften mit hohen Wolfsanteilen im Erbgut einhergingen. Typisch waren demnach Charaktermerkmale wie "misstrauisch gegenüber Fremden", "unabhängig", "würdevoll", "wachsam", "treu", "zurückhaltend" und "territorial". Diese Zusammenhänge seien allerdings nur als erste Hinweise zu sehen und müssten genauer geprüft werden.

Für eine weitere Studie der Sonderausgabe wurden genetische und Verhaltensdaten von fast 3.300 Haushunden analysiert, um die Tauglichkeit vermarkteter Gentests zur Vorhersage von Verhalten zu bewerten. Genetische Varianten können demnach zwar ästhetische Merkmale wie Größe, Beinlänge, Ohrform und Farbe vorhersagen, anders als angepriesen aber keine Verhaltens- oder Persönlichkeitsmerkmale. "Das Verhalten von Hunden ist polygen und komplex und kann daher nicht genau vorhergesagt werden", erklärt das Team um Kathryn Lord von der University of Massachusetts in Worcester.

Was ließ den Schäferhund zur krankheitsanfälligen Rasse werden?

Speziell um den Deutschen Schäferhund ging es in einer weiteren Studie der Sonderausgabe. Das Team um Lachie Scarsbrook von der Ludwig-Maximilians-Universität München bezog bereits veröffentlichte Genome und neun Museumsexemplare aus den Jahren 1906 bis 1993 ein und ging der Frage nach, wann und warum sich die genomische Gesundheit der Rasse so stark reduzierte. Schäferhunde sind häufig von Erbkrankheiten wie der Hüftdysplasie, einer Fehlentwicklung des Hüftgelenks, betroffen.

Demnach geschah dies nicht wie in anderen Fällen vor allem, als begonnen wurde, die Rasse zu züchten. Entscheidend waren ein starker Rückgang der Zahl der Tiere im Zuge des Zweiten Weltkriegs und die übermäßige Verwendung beliebter Deckrüden wie "Alfa von der Elfenwiese", "Hussan vom Nägelsee" und "Brika vom Zwingliswald" im Laufe des 20. Jahrhunderts. Beides hat die genetische Vielfalt innerhalb der Population erheblich vermindert - mit den bekannten Folgen.

Quelle: ntv.de, Annett Stein, dpa

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