Sogar in Naturschutzgebieten Insektensterben schreitet weiter voran
26.04.2023, 14:25 Uhr
Seit den 1980er Jahren geht die Zahl der Insekten in Deutschland massiv zurück.
(Foto: Stefan Jaitner/dpa/Symbolbild)
Es gibt immer weniger Insekten in Deutschland - und ein Ende des Trends ist nicht in Sicht. Auch in Naturschutzgebieten finden Wissenschaftler weniger Tiere, so das Ergebnis eines aktuellen Forschungsprojekts. Zu den Ursachen gibt es bereits eine Vermutung.
Das deutschlandweite Insektensterben schreitet nicht nur auf Feldern oder Ackerböden, sondern selbst in Naturschutzgebieten weiter voran. Das ist das Ergebnis eines aktuellen Forschungsprojekts. "Ich habe befürchtet, dass es so ist, ich habe gehofft, dass es nicht so ist", sagte Gerlind Lehmann vom Naturschutzbund Deutschland (NABU) über das Ergebnis der Untersuchung. Sie hatte das Forschungsprojekt DINA (Diversität von Insekten in Naturschutz-Arealen) geleitet, an dem neben dem NABU noch acht wissenschaftliche Institutionen beteiligt waren.
Eine andere, Anfang April veröffentlichte Studie der TU Darmstadt hatte festgestellt, dass auch in Wäldern die Zahl der Insekten zwischen 2008 und 2017 stark rückläufig war. Über 60 Prozent der untersuchten Insektenarten waren laut den Forschern rückläufig. Stark betroffen waren vor allem forstwirtschaftlich intensiv bewirtschaftete Wälder.
Gesamtgewicht in keiner Weise erholt
Im Jahr 2017 hatten ehrenamtliche Insektenkundler aus Krefeld nachgewiesen, dass die Gesamtmasse an Fluginsekten in Teilen Deutschlands von 1989 bis 2016 um mehr als 75 Prozent abnahm. Nach Angaben von Lehmann zeigt das aktuelle DINA-Projekt, dass sich das Gesamtgewicht der Insekten, das in direkter Beziehung mit dem Artenreichtum stehe, seitdem in keiner Weise erholt hat. Genaue Zahlen sollen in den kommenden Monaten veröffentlicht werden.

Um Fluginsekten zählen zu können, werden sie in sogenannten Malaise-Fallen gefangen.
(Foto: picture alliance / blickwinkel/M. Woike)
Bei der aktuellen Untersuchung wurden zwischen Mai 2019 und April 2023 fliegende Insektenpopulationen an 21 verschiedenen Standorten in Deutschland erfasst, die alle innerhalb eines Naturschutzgebiets lagen. Hierfür wurden sogenannte Malaise-Fallen aufgestellt. Das sind zeltartige Netze, in denen Fluginsekten in einen Sammelbehälter geleitet und getötet werden. Alle Standorte befanden sich auf offenem Land sowie in unmittelbarer Nähe zu konventionell betriebenen Ackerflächen.
Pestizide Ursache des Problems?
Eine besonders große Bedrohung für die Insektenvielfalt besteht den Ergebnissen zufolge darin, dass sich Naturschutzgebiete oft in unmittelbarer Nähe zu Äckern befinden, auf denen für Insekten tödliche Pestizide ausgebracht werden. In über 25 Prozent der knapp 9000 Naturschutzgebiete in Deutschland liegen laut Lehmann Äcker mit einer Größe von mindestens einem halben Hektar. Die Folge: In den untersuchten Insekten seien Rückstände von 47 unterschiedlichen Pestiziden festgestellt worden. An mehr als der Hälfte der untersuchten Standorte sei sogar ein verbotenes Pestizid nachgewiesen worden.
Fast zeitgleich zur aktuellen DINA-Untersuchung hatte die EU-Umweltagentur EEA bekannt gegeben, dass der Einsatz von chemischen Pestiziden weiter eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit von Mensch und Umwelt in Europa darstellt. Er sei eine Hauptquelle für die Verschmutzung von Wasser, Boden und Luft, außerdem treibe er den Verlust der Artenvielfalt voran und führe zu Schädlingsresistenzen, schrieb die in Kopenhagen ansässige Behörde. Trotz aller Folgeschäden vertraue der Agrarsektor in Europa noch immer auf den Gebrauch großer Mengen dieser Substanzen, um die Ernteerträge aufrechtzuerhalten. "Die Landwirtschaft hängt am Tropf der Pestizid-Industrie", erklärte die Verbraucherorganisation Foodwatch mit Blick auf den EEA-Bericht.
Quelle: ntv.de, kst/dpa