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Schutz vor dem Virus Kommt die Impfung gegen Affenpocken?

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1980 erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Erreger der echten Pocken, das Variolavirus, weltweit für ausgerottet. Seitdem wird auch dagegen nicht mehr geimpft.

1980 erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Erreger der echten Pocken, das Variolavirus, weltweit für ausgerottet. Seitdem wird auch dagegen nicht mehr geimpft.

(Foto: REUTERS)

Großbritannien impft bereits, Deutschland wägt noch ab: Affenpocken breiten sich in vielen europäischen Ländern immer weiter aus. Zwar bestünde kein Grund zur Panik, betonen Experten. Infektionsherde einzudämmen hat dennoch höchste Priorität. Ist eine Pockenimpfung die Lösung?

Das Affenpockenvirus breitet sich in Europa weiter aus. In Deutschland gibt es inzwischen vier bestätigte Infektions- und Erkrankungsfälle - einen in München und drei in Berlin, heißt es in einem Bericht für den Gesundheitsausschuss des Bundestages. Proben weiterer Verdachtsfälle müssten noch untersucht werden. Großbritannien, wo die ersten europäischen Fälle bekannt geworden sind, meldet derweil rund zwei Dutzend Infektionen. Das Königreich setzt daher auf Impfungen gegen die Affenpocken. Doch für wen ist eine solche Spritze sinnvoll? Und wird sie in Deutschland auch kommen?

Für die laufenden Impfungen werde im Königreich ein Vakzin der "dritten Generation" gegen die als ausgestorben geltende Pockenkrankheit beim Menschen verwendet, sagt die Chefin der britischen Gesundheitsbehörde UKHSA, Susan Hopkins. Experten gehen davon aus, dass die Impfung gegen echte Pocken auch vor Affenpocken schützt, da sich die beiden Viren sehr ähnlich sind. Beobachtungsstudien fanden heraus, dass die Pockenimpfung dabei eine Wirksamkeit von mindestens 85 Prozent gegen Affenpocken hat.

Eine großflächige Impfkampagne werde es jedoch nicht geben, betont Hopkins. "Wir verwenden das bei Personen, die ein hohes Risiko haben, Symptome zu entwickeln, und wir verwenden es früh, besonders innerhalb von vier oder fünf Tagen", so die Behördenchefin.

Ähnliches ist auch für Deutschland vorstellbar. Inwieweit eine Pockenimpfung für Kontaktpersonen und Risikogruppen empfohlen werde, sei noch Gegenstand der fachlichen Abklärung, teilt das Gesundheitsministerium mit. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach kündigt an diesem Montag an, Vorbereitungen für eine mögliche Beschaffung von Impfstoffen zu treffen. "Eine Impfung der allgemeinen Bevölkerung ist hier nicht im Gespräch", sagte er. Vielmehr werde über Impfempfehlungen für besonders gefährdete Personen nachgedacht.

Das europäische Zentrum für Prävention von Krankheiten ECDC hatte einem Bericht der "Financial Times" zufolge die EU-Staaten aufgefordert, Pläne für eine Affenpocken-Impfung zu entwickeln. Sie empfiehlt bei Infektion mit Affenpocken eine Impfung für enge Kontaktpersonen mit hohem Risiko, falls in dem betreffenden Land ein passender Impfstoff zugelassen ist. Der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek spricht sich der "Bild" gegenüber ebenfalls für die Impfung aus: "Ich glaube, es ist schon wichtig, dass wir Impfstoff jetzt auch ordern." Es gehe nicht um eine Impfpflicht, sondern um die Frage, ob präventiv im Bereich der Kontaktpersonen Impfungen möglich und richtig seien.

Das Virus "braucht den direkten Kontakt"

Bei den früheren Pockenimpfungen wurden Lebendimpfstoffe eingesetzt, die vermehrungsfähige Pockenviren enthielten. An der Einstichstelle bildeten sich deshalb meist Hautläsionen, die charakteristischen Narben der Pockenimpfung. Diese Impfstoffe gibt es nicht mehr. Genauso wenig gibt es einen speziell gegen Affenpocken zugelassenen Impfstoff.

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(Foto: dpa)

Das einzige Vakzin, das gegen echte Pocken in der EU zugelassen ist, ist Imvanex, schreibt das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Das ist ein Lebendimpfstoff, der ein genetisch verändertes Pockenvirus, das Modifizierte Vacciniavirus Ankara (MVA), enthält. Das Impfvirus ist so verändert, dass es weder die Krankheit auslösen, noch sich im menschlichen Körper vermehren kann. Der Impfstoff sei in Europa nur zur Immunisierung von Erwachsenen gegen Pocken zugelassen, "wurde aber zuvor für den Off-Label-Einsatz bei Affenpocken-Fällen bereitgestellt", zitiert RND den dänischen Hersteller Bavarian Nordic A/S.

Für einen wirksamen Impfschutz werden zwei Impfdosen à 0,5 Milliliter im Abstand von 28 Tagen benötigt, heißt es auf der Internetseite der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA. Wer bereits eine Pockenimpfung erhalten hat, braucht nur eine Dosis - immungeschwächte Menschen ausgenommen.

Klinische Studien würden nahelegen, dass Imvanex hohe Antikörperantworten erzeugt, die einen Schutz gegen echte Pocken erwarten lassen, so die EMA. Es sei jedoch noch nicht bekannt, wie lange dieser Schutz anhält. Und auch die Schutzwirkung gegen Affenpocken ist noch unklar.

Geringe Gefahr für breite Bevölkerung

Eine breitangelegte Impfaktion - ähnlich wie bei Corona - wird es in Deutschland höchstwahrscheinlich nicht geben. Das Robert-Koch-Institut (RKI) schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der breiten Bevölkerung durch Affenpocken nach derzeitigen Erkenntnissen nach wie vor als gering ein. Das liegt auch daran, dass das Virus deutlich schlechter übertragbar ist als beispielsweise Coronaviren.

"Affenpocken lassen sich eigentlich nicht gut übertragen", sagt auch Mediziner Christoph Specht ntv. Üblicherweise geschehe dies durch direkten Kontakt vom Tier zum Menschen. Und auch bei den neu beobachteten Mensch-zu-Mensch-Übertragungen habe es sich nicht um flüchtige Begegnungen gehandelt, sondern um eine Ansteckung per Tröpfcheninfektion. "Es braucht schon den direkten Kontakt. Es ist nicht so wie bei Corona, dass ein Aerosol im Raum schweben kann und sich dann jemand noch anschließend infiziert", erklärt Specht.

Immunität durch Pockenimpfung

Zudem müsste es eine gewisse Immunität in der Bevölkerung geben - zumindest bei den Älteren. In der Bundesrepublik sei sie bis 1975 für Einjährige Pflicht gewesen, in der DDR sei eine Impfpflicht 1982 aufgehoben worden. "Das heißt, dass alle davor Geborenen wahrscheinlich einen ganz guten Schutz haben", sagt Specht. Auch wenn der Impfschutz nach gut 40 Jahren wahrscheinlich nachgelassen hat, geht die Weltgesundheitsorganisation WHO davon aus, dass Geimpfte eine höhere Wahrscheinlichkeit auf einen milderen Krankheitsverlauf haben.

Die Bundesregierung hat laut dem aktuellen Bericht etwa 100 Millionen Dosen Pockenimpfstoff eingelagert. Davon seien zwei Millionen Dosen an die WHO gespendet und für sie eingelagert worden. Wann und wie die Dosen genutzt werden können, steht bislang noch nicht fest. Wichtiger als eine Impfung ist laut WHO zunächst die Überwachung und schnelle Identifizierung neuer Fälle. Nur so könnten Ausbrüche eingedämmt und neue Infektionsherde verhindert werden.

Quelle: ntv.de

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