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Premiere in Europa Gehirn eines Gelähmten mit Computer verknüpft

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Ziel der Forschenden ist, dass der 25-jährige Patient wieder selbstständiger sein Leben meistern kann.

Ziel der Forschenden ist, dass der 25-jährige Patient wieder selbstständiger sein Leben meistern kann.

(Foto: Kathrin Czoppelt / TUM Klinikum)

Erstmals in Europa wird einem querschnittsgelähmten Patienten ein Gerät ins Gehirn implantiert, das Bewegungen mit Gedanken steuern soll. Damit soll er bald einen Roboterarm steuern können - und ein Smartphone.

Ein Team des Universitätsklinikums der Technischen Universität München hat einem vom Hals abwärts gelähmten Mann eine Hirn-Computer-Schnittstelle eingesetzt. Der fünfstündige Eingriff war der erste seiner Art in Europa. Mit dem Gerät lassen sich Signale aus dem Bereich des Gehirns, der für die Planung und Durchführung komplexer Greifbewegungen zuständig ist, präzise ableiten.

Bei dem Patienten handelt es sich um einen 25 Jahre alten Mann, der nach einem Motorradunfall im Alter von 16 Jahren vom Hals abwärts querschnittgelähmt ist. "Wir sind stolz, die erste akademische Einrichtung in ganz Europa zu sein, die inzwischen schon zwei Hirn-Computer-Schnittstellen implantiert hat", sagte Simon Jacob, Professor für Translationale Neurotechnologie, laut einer Mitteilung der Universität. Bereits 2022 hatte das Team einer Schlaganfallpatientin mit Sprachstörung eine solche Schnittstelle eingesetzt.

KI mit Zellaktivität trainiert

Wie funktioniert die Hirn-Computer-Schnittstelle? Über einen Messkopf wird ein Computer an die Schnittstelle angeschlossen. Das System extrahiert aus den übertragenen Signalen Nervenzellaktivität. Diese Daten werden genutzt, um KI-Algorithmen so zu trainieren, dass sie den Zusammenhang zwischen den neuronalen Signalen und der Bewegung, die der Patient ausführen will, erkennen. In einem ersten Schritt sollen decodierte Hirnsignale genutzt werden, um einen Cursor auf einem Bildschirm und ein Mausklick-Signal zu kontrollieren.

Das Forschungsteam will den 25-Jährigen in die Lage versetzen, sein Smartphone und einen Roboterarm allein mit seinen Gedanken zu steuern. Dann, so hoffen die Forschenden, kann er nach und nach lernen, mit dem robotischen Arm Gegenstände zu greifen. "Die größte Herausforderung bestand darin, die Elektroden sehr genau zu implantieren", erläutert Bernhard Meyer, Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie. "Nur so erhält man hinterher exakte Ableitungen, und kann Hirnsignale präzise messen."

Rückstand zu USA aufholen

Bei der Suche nach neuen Lösungen für Menschen mit schweren körperlichen Einschränkungen sehen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus München vor allem im Wettbewerb mit Forschungseinrichtungen in den USA. "Unser Ziel ist, den Rückstand Europas und Deutschlands aufzuholen, indem wir Projekte durchführen, die anderswo nicht möglich sind", sagte Jacob.

In Deutschland leben laut der Mitteilung etwa 140.000 Menschen mit Querschnittlähmung. Die Abhängigkeit von Angehörigen und Pflegekräften stellt eine große Herausforderung für alle Beteiligten dar. Durch Unfälle, Tumore, Entzündungen oder Veränderungen der Wirbelsäule kommen jährlich rund 2400 Betroffene neu hinzu.

Quelle: ntv.de, kst

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