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"Besorgniserregende" Studie Roboter-Kollege macht Mitarbeiter faul

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Roboter- und KI-unterstütztes Arbeiten ist in immer mehr Berufen bereits Alltag.

Roboter- und KI-unterstütztes Arbeiten ist in immer mehr Berufen bereits Alltag.

(Foto: IMAGO/Alexander Limbach)

Ein Roboter im Arbeitsteam kann dazu führen, dass seine menschlichen Kollegen zu "sozialen Faulenzern" werden. Das ist das Ergebnis einer Studie der TU Berlin. Der Effekt tritt recht schnell nach Schichtbeginn ein, was die Wissenschaftler "besorgniserregend" finden.

Wenn sich die Mitglieder eines Arbeitsteams bei einer gemeinsamen Aufgabe unbewusst weniger anstrengen, weil ein Kollege den Job besonders gut erledigt, nennt die Wissenschaft das "soziales Faulenzen". Forschende der Technischen Universität Berlin haben festgestellt, dass das Phänomen auch zu beobachten ist, wenn ein Roboter in der Gruppe ist.

Soziales Faulenzen trete verstärkt auf, wenn das Bewertungspotenzial gering sei, Aufgaben einen geringen wahrgenommenen Wert hätten und wenn sich die Arbeitsschritte ständig wiederholten, schreiben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ihrer im Fachmagazin "Frontiers" veröffentlichten Studie. Das Phänomen trete auch in kleinen Teams auf, sogar wenn es nur aus zwei Personen bestehe.

Ran an die Platten!

Um herauszufinden, ob "soziales Faulenzen" auch in gemischten Mensch-Roboter-Teams zu beobachten ist, teilten die Berliner Forschenden 42 Studierende in zwei Gruppen ein. Beide mussten elektronische Bauteile auf Leiterplatten auf Qualitätsmängel inspizieren.

Die zu erkennenden Fehler reichten von kleinen Kratzern (unten links) bis zum Kondensator-Fehler (oben rechts).

Die zu erkennenden Fehler reichten von kleinen Kratzern (unten links) bis zum Kondensator-Fehler (oben rechts).

(Foto: TU Berlin)

Damit das Potenzial beider Gruppen möglichst gleich war, wurde ein Teilnehmer nicht akzeptiert, da er regelmäßig mit elektronischen Bauteilen arbeitet. Eine Studentin wurde aussortiert, weil sie offensichtlich die Aufgabe nicht verstanden hatte.

Die zu inspizierenden Platinen waren dabei auf einem Bildschirm als Ganzes nur verschwommen zu sehen. Um Bauteile scharf zu sehen, mussten die Versuchspersonen mit der Maus über bestimmte Bereiche fahren. Damit war es den Forschenden möglich, das Vorgehen der Teilnehmenden im Detail zu verfolgen.

"Panda" ist der perfekte Roboter-Kollege

Während eine Gruppe allein nach Fehlern suchen musste, hatte die andere Unterstützung von einem "Panda" genannten Roboter des deutschen Unternehmens Franka Emika. Diese Art von Industrieroboter ist speziell für die enge Zusammenarbeit mit Menschen konzipiert. Man bezeichnet sie deshalb als kollaborative Roboter, kurz Cobots.

"Panda" fotografierte und untersuchte die Leiterplatten mit hörbaren Geräuschen hinter einer Trennwand. Danach sahen die Studienteilnehmenden die Bildaufnahmen inklusive der von "Panda" gesetzten Fehlermarkierungen auf einem Bildschirm. Der Roboter fand fast alle Fehler. Nur im letzten Viertel des Versuches erkannte "Panda" fünf Probleme nicht.

Unbewusste "Faulheit"

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fragten beide Gruppen nach Abschluss des Experiments, wie sie ihr eigenes Engagement bei der Arbeit einschätzen, wie verantwortlich sie sich für die Aufgabe gefühlt und wie gut sie ihrer Meinung nach gearbeitet hatten. Interessant war dabei vor allem, wie viele Fehler die Gruppenmitglieder fanden, die "Panda" nicht markiert hatte. Das Gleiche wurde bei dem Team ermittelt, die ohne Roboterunterstützung arbeitete.

Das "Panda"-Team beurteilte die eigene Leistung sogar etwas besser.

Das "Panda"-Team beurteilte die eigene Leistung sogar etwas besser.

(Foto: TU Berlin)

Zunächst stellten die TU-Forschenden keine statistisch signifikanten Unterschiede fest. Alle Studienteilnehmenden inspizierten nahezu die gesamte Oberfläche der Platinen und ließen sich Zeit für die Suche. Sie bewerteten auch ihr Verantwortungsgefühl für die Aufgabe, die aufgewendete Mühe und die Leistung ähnlich hoch.

Die Fehlerquote stellte sich allerdings bei der "Panda"-Gruppe als höher als bei der Kontrollgruppe heraus. Ihre Mitglieder fanden durchschnittlich nur 3,3 Mängel, während die Teilnehmenden ohne Roboterunterstützung 4,2 fehlerhafte Bauteile ausfindig machten.

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"Obwohl die Teilnehmenden dachten, sie würden gleich viel Aufmerksamkeit aufbringen, gingen sie unbewusst offenbar davon aus, dass 'Panda' keine Fehler übersehen hatte und nahmen ihre mentale Anstrengung bei der Suche zurück", vermutet Studienleiterin Helene Cymek.

Die Forschenden stellten das unbewusste "soziale Faulenzen" bereits nach einer Versuchsdauer von nur 90 Minuten fest. Dies sei besorgniserregend, sagt Linda Onnasch. "In längeren Arbeitsschichten, bei denen viel Routineaufgaben erledigt werden müssen und wo es kein sofortiges Feedback zur eigenen Arbeitsqualität gibt, müssen wir davon ausgehen, dass solche Effekte in Mensch-Roboter-Teams noch stärker ausgeprägt sind." Für Produktionsbetriebe und alle Arbeitssituationen, wo aus Sicherheitsgründen doppelte Kontrollen durch Maschinen und Menschen stattfänden, sei das keine gute Nachricht.

Quelle: ntv.de

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