
Raubinsekten und Pflanzenfresser müssen halbwegs im Gleichgewicht bleiben, damit ein Wald wachsen kann.
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Viele verschiedene Insektenarten können in Wäldern zu mehr Holz führen. Das zeigt ein Forschungsprojekt aus China. Die Arbeit gibt neue Einblicke in das Zusammenleben zwischen Krabbeltieren und Pflanzen. Allerdings hat sie auch ihre Schwächen.
Seit Jahren kämpft die hiesige Forstwirtschaft mit schrumpfenden Waldbeständen. Grund sind lange Dürreperioden, aber auch Borkenkäfer. Die Ergebnisse einer kürzlich in "Nature" veröffentlichten Studie könnten jedoch helfen, Handlungsansätze gegen das Waldsterben zu entwickeln - zumindest mit Blick auf die Erholung. Demnach sorgen mehr Baumarten in einem Waldstück für mehr und diversere Insekten, wodurch sich wiederum die Primärproduktion der Bäume erhöht, oder vereinfacht ausgedrückt: Viele Krabbeltiere führen schnell zu viel Holz. Dabei ist nicht nur ein Vorteil, dass einerseits Knappheiten ausgeglichen werden, sondern nebenher die Kohlenstoffspeicherung gestärkt werden kann. Dank der Arbeit des Forschungsverbunds aus schweizerischen, chinesischen und deutschen Wissenschaftlern ist es auch möglich, neue Strategien fürs Waldmanagement zu entwickeln.
Die Forscher stützen ihre Ergebnisse auf Daten, die zwischen 2015 und 2020 auf 47 Testfeldern in der ostchinesischen Provinz Jiangxi erhoben wurden. Je Testfeld kamen insgesamt 400 Bäume zusammen. Um Abweichungen feststellen zu können, unterschieden sich alle Felder in der Anzahl der Baumarten - von Monokulturen bis zu Mischwäldern aus 24 Arten. In den Wäldern wurden jährlich die Vorkommen pflanzenfressender Schmetterlingsraupen und verschiedener räuberischer und parasitärer Insektenarten, unter anderem Schlupfwespen, sowie die Primärproduktion (Zunahme der Biomasse) der Bäume erfasst. Mittels Rechenmodellen prüften die Wissenschaftler anschließend, wie Insekten und Bäume wechselwirken.
Warum mehr Insekten zu einer höheren Primärproduktion führen, können die Forscher allerdings nur vermuten. Sie gehen von effizienteren Nährstoffkreisläufen aus. Allerdings, so schreiben die Autoren, können sich die Auswirkungen je nach Insektenart unterscheiden. Pflanzenfresser können die Primärproduktion negativ beeinflussen, Raubinsekten hingegen positiv. Solange die räuberischen Arten die anderen kontrollieren, sich ergo durch sie durchfressen, stärken sie das Baumwachstum.
Gut, aber leider noch nicht ausreichend
Allerdings gibt es einen Haken: Die Forscher arbeiteten mit statistischen Modellen, sie konnten die Anzahl der Insekten aktiv variieren, um kausale Zusammenhänge zu bestätigen. In der Praxis lässt sich das jedoch nur schwer umsetzen. Dennoch sind einige Experten von den Ergebnissen überzeugt.
"Das Besondere und Neue an der Arbeit ist die Aussage, dass der positive Effekt von Pflanzendiversität auf die Produktivität des Waldes auch dadurch zustande kommt, dass mit zunehmender Pflanzenvielfalt pflanzenfressende Insekten stärker durch räuberische Insekten kontrolliert werden", sagt etwa der Biologe Wolfgang Weisser, Chef des Lehrstuhls für terrestrische Ökologie der TU München, im Gespräch mit dem Science Media Center (SMC). Er weist aber auch darauf hin, dass die Arbeit ihre Schwächen hat.
So seien weitere Experimente nötig, in denen etwa Insektenpopulationen, räuberische und Pflanzenfresser, unabhängig voneinander beeinflusst werden müssten, was jedoch kaum umsetzbar ist. "Aber zumindest könnte ein Experiment mit einem Insektizid zeigen, dass die Pflanzenfresser tatsächlich einen großen Einfluss auf die Pflanzenbiomasse haben", betont er.
Auch Christoph Scherber, Leiter des Zentrums für Biodiversitätsmonitoring des Leibniz-Instituts zur Analyse des Biodiversitätswandels, weist gegenüber dem SMC auf die Notwendigkeit weiterer Forschung hin, ist aber auch von der Arbeit des Forschungsverbunds überzeugt. "Die Studie zeigt klar, dass artenreiche Wälder auch forstwirtschaftlich mehr Ertrag abwerfen können. Durch mehr Vielfalt im Wald ergibt sich so eine Win-win-Situation, bei der sowohl die Natur als auch die Forstwirtschaft gewinnen können."
Beide Forscher sind sich ebenfalls sicher, dass die Ergebnisse auch auf Deutschland übertragbar sind. Mit Blick auf das voranschreitende Insektensterben, über das kürzlich der Naturschutzbund berichtete, könnte die Arbeit aus China neue Handlungsansätze schaffen.
Quelle: ntv.de