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Erwachsen erst mit 32 Jahren?Studie unterteilt Leben in fünf Gehirn-Phasen

26.11.2025, 19:24 Uhr
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Kindheit, Jugend, Erwachsenenzeit, frühes und spätes Alter: Das Gehirn hat laut Forschern relativ gut unterscheidbare Lebensphasen. (Foto: IMAGO/Westend61)

Von Kindheit bis Greisenalter: Eine Studie aus Cambridge zeigt, wie sich unser Gehirn in fünf großen Phasen grundlegend verändert. Besonders dramatisch sind vier Wendepunkte - auch das Risiko für Störungen wächst dort rapide.

Jedes Leben hat seine Phasen. Diese spiegeln sich auch in der Gehirnstruktur, die sich im Laufe eines Lebens verändert. Neurowissenschaftler der Universität Cambridge haben in einer neuen Studie fünf "wichtige Epochen" identifiziert - in diesen vernetzt sich unser Gehirn neu, um verschiedene Denkweisen zu unterstützen.

In einer in der Fachzeitschrift "Nature Communications" veröffentlichten Studie schreiben die Forschenden von vier entscheidenden "Wendepunkten" zwischen Geburt und Tod. Diese unterteilen ein Leben vom Säugling bis zum Greis in fünf große Phasen der Gehirnstruktur, an denen sich unser Gehirn neu konfiguriert. Das Team verglich dafür die Gehirne von 3802 Menschen im Alter zwischen null und neunzig Jahren mittels Kernspintomographie.

Die fünf von den Forschern beschriebenen Phasen sind:

  • Kindheit (0 bis 9 Jahre)

  • Jugendalter (9 bis 32 Jahre)

  • Erwachsenenalter (32 bis 66 Jahre)

  • frühes Seniorenalter (66 bis 83 Jahre)

  • spätes Seniorenalter (ab 83 Jahren)

Das Gehirn in der Kindheit

Vom Säuglings- bis zum Kindesalter sei unser Gehirn durch "Netzwerkkonsolidierung" geprägt, so die Autoren. Die Fülle an Synapsen - den Verbindungen zwischen Neuronen -, die im Gehirn eines Babys übermäßig produziert werden, wird reduziert und nur die aktiveren bleiben übrig.

Im gesamten Gehirn werden die Verbindungen von der Geburt bis zum Alter von etwa neun Jahren nach dem gleichen Muster neu vernetzt. Gleichzeitig nehme das Volumen der grauen und weißen Substanz rapide zu. Mit dem ersten Wendepunkt im Alter von neun Jahren erlebe das Gehirn eine sprunghafte Veränderung der kognitiven Fähigkeiten sowie ein erhöhtes Risiko für psychische Störungen, heißt es in der Studie.

Das Gehirn im Jugendalter

In der zweiten "Epoche" des Gehirns, wächst das Volumen der weißen Substanz weiter. Die Organisation der Kommunikationsnetzwerke des Gehirns wird zunehmend verfeinert. Diese Epoche ist laut den Forschern geprägt von der Effizienz der Verbindungen sowohl innerhalb bestimmter Regionen als auch von einer schnellen Kommunikation im gesamten Gehirn, was mit einer verbesserten kognitiven Leistungsfähigkeit zusammenhängt.

"Die neuronale Effizienz ist, wie man sich vorstellen kann, durch kurze Wege gut vernetzt, und die Adoleszenz ist die einzige Phase, in der diese Effizienz zunimmt", sagt Alexa Mousley, eine Gates-Cambridge-Stipendiatin, die die Forschung leitete, laut einer Mitteilung der Universität. Diese Entwicklungen erreichen im Durchschnitt Anfang dreißig ihren Höhepunkt, was laut den Forschern der "stärkste topologische Wendepunkt" des gesamten Lebens ist.

Während die Pubertät einen klaren Anfang darstelle, sei das Ende des Jugendalters wissenschaftlich viel schwieriger zu bestimmen, so Mousley. "Rein auf der Grundlage der neuronalen Architektur haben wir festgestellt, dass jugendliche Veränderungen in der Gehirnstruktur etwa Anfang dreißig enden."

Das Gehirn im Erwachsenenalter

Mit 32 Jahren beginnt die längste Phase, das Erwachsenenalter. Die Gehirnarchitektur stabilisiert sich im Vergleich zu früheren Phasen - ohne größere Wendepunkte für dreißig Jahre. Dies entspricht einem "Plateau in Bezug auf Intelligenz und Persönlichkeit", wie es in anderen Studien beschrieben wird, sagen die Forscher. Sie fanden auch heraus, dass "Segregation" in dieser Epoche stärker ausgeprägt ist, da die Regionen langsam stärker voneinander abgegrenzt werden.

Das Gehirn im frühen Alter

Der Wendepunkt im Alter von 66 Jahren ist weitaus milder und nicht durch größere strukturelle Veränderungen gekennzeichnet, obwohl die Forschenden im Durchschnitt in diesem Alter immer noch bedeutende Veränderungen im Muster der Gehirnnetzwerke feststellten. "Die Daten deuten darauf hin, dass eine allmähliche Umstrukturierung der Gehirnnetzwerke Mitte sechzig ihren Höhepunkt erreicht", sagt Mousley.

Dies hänge wahrscheinlich mit dem Alterungsprozess zusammen, bei dem die Konnektivität weiter abnehme, da die weiße Substanz zu degenerieren beginnt. In diesem Alter sind Menschen einem erhöhten Risiko für verschiedene Gesundheitsprobleme ausgesetzt, die das Gehirn beeinträchtigen können, wie beispielsweise Bluthochdruck.

Das Gehirn im späten Alter

Der letzte Wendepunkt kommt im Alter von etwa 83 Jahren. Obwohl die Daten für diese Phase begrenzt seien, so die Autoren, sei das bestimmende Merkmal eine Verlagerung von global zu lokal, da die Konnektivität des gesamten Gehirns noch weiter abnimmt und bestimmte Regionen stärker in Anspruch genommen werden.

"Rückblickend haben viele von uns das Gefühl, dass unser Leben von verschiedenen Phasen geprägt war. Es stellt sich heraus, dass auch das Gehirn diese Phasen durchläuft", sagt der leitende Autor Duncan Astle, Professor für Neuroinformatik in Cambridge.

"Diese Phasen liefern wichtige Hinweise darauf, wofür unser Gehirn in verschiedenen Lebensabschnitten am besten geeignet oder anfälliger ist", sagt Studienleiterin Mousley. Das könne dabei helfen zu verstehen, warum sich manche Gehirne an wichtigen Punkten im Leben anders entwickeln, sei es in Form von Lernschwierigkeiten in der Kindheit oder Demenz im Alter.

Quelle: ntv.de, kst

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